Adam Green | Biografie

Biografie

Man muss dieses Album nur einmal hören, um sich von Adam Green & Binki Shapiro ein bisschen verzaubern zu lassen. Das süße Echo eines späten 60’s-Folk-Pop in den hübschen Arrangements und im lockeren Miteinander der Protagonisten scheint dann ideal zu einem sonnigen Sommertag zu passen, womöglich noch in Südkalifornien, wo es ja nie regnen soll. Doch weil man das Duo dann immer wieder hören will, stellt sich bald heraus, dass diese zehn Songs als tröstlicher Begleiter am einsamen Ende einer Großstadtnacht fast noch besser funktionieren (zumal bei Regen). Gewiss, die Atmosphäre, die Green und Shapiro in dieser knappen halben Stunde heraufbeschwören, sie scheint voller romantischer Optionen zu stecken. Doch in den luziden Texten machen schnell auch Verrat, gebrochene Herzen und Zwietracht die Runde. Langsam, aber unausweichlich entfaltet sich ein intimes Drama – eins, das sogar Green und Shapiro selbst überrascht hat, als ihr gemeinsames Debüt Form annahm.

Debütanten sind beide natürlich mitnichten. Adam Green machte zunächst in der New Yorker „Anti-Folk“-Szene als eine Hälfte der Moldy Peaches von sich reden. Doch als seinem Duo mit Kimya Dawson 2007 im Grammy-gekrönten Soundtrack des Indie-Films „Juno“ später Mainstream-Erfolg zuteil wurde, hatte Green längst zu einer Solo-Karriere abgehoben, die ihn mit frechen, eigenwilligen Songs wie „Jessica“ und „Emily“ nicht nur zum Darling der hiesigen Musikpresse werden ließ. Alben wie „Gemstones“ und „Jacket Full Of Danger“ konnten sich auch noch hoch in den deutschen Charts platzieren.

Derweil machte Binki Shapiro mit Little Joy auf sich aufmerksam. Ihr L.A.-Trio mit Fabrizio Moretti (von den Strokes) und dem Brasilianer Rodrigo Amarante (von Los Hermanos) begeisterte 2008 mit seinem Debütalbum Kritiker und Fans. Zuvor war Shapiro bereits im Umfeld von Beck positiv aufgefallen, mit der gemeinsamen Video-Arbeit für sein Album „The Information“ und den Leonard Cohen-Songs auf seinem Record Club Blog. Ihr charmanter Retro-Modern-Look machte sie zudem zum Blickfang auf Modeseiten. Die Los Angeles Times listete Binki Shapiro kürzlich unter die „30 unter 30“-Künstler, die man doch mal im Auge behalten sollte.

Adam Green hatte ein paar Backing-Vocals auf dem Little Joy-Album gesungen, und gemeinsame Konzerte auf einer Brasilien-Tour eröffneten die Möglichkeit, Binki Shapiro besser kennenzulernen. Auch wenn Green zu der Zeit noch nicht wusste, wie eine Zusammenarbeit genau aussehen könnte, wurde ihm schnell klar, dass „sie die Nummer 1“ dafür wäre. „Ich mag ihre Stimme wirklich sehr“, sagt Green, „sie ist einfach verblüffend.“ Es ist diese Stimme, die jetzt im vergifteten Schleicher „Casanova“ zugleich verträumt und verrucht rüberkommt. Die in „Pity Love“ gemeinsam mit Green so leutselig wirkt wie einst die von Nancy mit Frank (Sinatra) in „Something Stupid“, während sie halbwegs vergnügt ihre Neurosen besingen. Zwar ist Binki Shapiro inzwischen wieder nach Los Angeles zurückgekehrt. Doch sie lebte vorübergehend in New York, um mit Adam Green herauszubekommen, was sie wohl gemeinsam zustande bringen könnten. Überall auf dem Fußboden ihres Appartements verteilt lagen die Karteikarten mit den ersten Text- und Songideen. „Wir konnten gut darin übereinstimmen, was gut und was schlecht war“, erinnert sich Green. „Und wir waren gute Kritiker unserer jeweiligen Empfindlichkeiten und Geschmäcker. So konnten wir übereinkommen, in welche Richtung die Songs gehen sollten.“

„Es war schon eine sehr verwundbare Angelegenheit“, erinnert sich Binki Shapiro. „Da zu sitzen und einem anderen deine Worte und Ideen zu zeigen, dich zu öffnen für Kritik. Aber das fühlte sich schon bald natürlich und einfach an. So haben wir gegenseitig Dinge aus uns rausgeholt, die im Alleingang wohl nicht zustande gekommen wären.“ Zudem entpuppte sich die Kooperation auch als Katharsis jenseits jeder Erwartung. Sowohl Shapiro als auch Green gingen zu dieser Zeit durch schwierige Beziehungsphasen, und diese Songs zu schreiben kanalisierte ihre Emotionen. Wobei es weniger darum ging, einfach mal seinem Herzen Luft zu machen. Vielmehr versuchten beide, sich in den jeweils anderen hineinzuversetzen, und dann intuitiv Worte für dessen Gefühle zu finden. Das brachte eine Freiheit und eine Empathie in ihr Unterfangen, die das Ergebnis selbst da überraschend aufrichtig machen, wo die eine dem anderen die Worte in den Mund legt (oder umgekehrt).

„Wir gingen beide durch diese Übergangssituation, wenn eine Beziehung nicht mehr richtig funktioniert“, erklärt Adam Green. „Und das hatte auch was Existenzielles: Zwei Menschen singen zusammen, während sie zugleich sehr isoliert sind. Und es hat natürlich auch eine komische Note, wenn ich Binki’s Breakup-Platte schreibe und sie meine. Ich schrieb also und dachte: Genau das muss Binki jetzt sagen! Und ich hatte das Gefühl, dass sie über mich ähnlich dachte.“ War es so? Binki Shapiro sagt: „Es ist jedenfalls interessant, wenn du die richtigen Worte für jemand anders finden sollst. Da bleibt einfach kein Platz mehr für Eitelkeit. Du sagst einfach, was du sagen willst. Und das schaffte mehr Raum für was auch immer wir zu schreiben hatten.“ Und Adam Green ergänzt: „Wir sind beide wirklich sehr romantisch veranlagt, und wir wollten diese echt romantische Platte machen, aber zuguterletzt ist sie dann viel mehr Reflexion geworden. Was ich nicht gedacht hätte, bevor wir sie gemacht haben, und mir fällt auch keine andere Platte als Referenz ein, die dieses Gefühl ähnlich transportiert.“

Das Ergebnis ist jedenfalls ein besonderes – selten, wenn nie klang ein Duett-Album so harmonisch und bittersüß zugleich. Adam Green und Binki Shapiro gewinnen als Vertraute, als Geistesverwandte, die schwierige persönliche Umstände in zehn genau beobachtete, konzis konstruierte Songs verwandelt haben, die sich souverän einer breiten musikalischen Palette bedienen. Von den engelsgleichen Stimmen, die zur Eröffnung „Here I Am“ dominieren, über die Pop-Psychedelia von „I Never Found Out“ und das Surf-Gitarren-Intermezzo von „What’s The Reward“ bis zum eleganten Schluss-Waltzer „The Nighttime Stopped Bleeding“. Die Intimität und Unmittelbarkeit, die diese Stücke ausstrahlen, geht aber nicht nur auf ihren schon beschriebenen Entstehungsprozess im New Yorker Appartement zurück. Genauso wichtig war die Umsetzung, die entspannte Session-Atmosphäre bei der Studioproduktion in Encino, Kalifornien, wo Produzent Noah Georgeson (Devendra Banhart, Joanna Newson) mit Musikern wie Multi-Instrumentalist Josiah Steinbrick, Schlagzeuger Jason Boesel und Todd Dahlhoff nur das Beste gut genug war. Wahrscheinlich hat es nicht mal geregnet. „Don’t Ask For More“? In diesem Fall schwierig…
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