Mark Murphy | Biografie

Mark Murphy

“Mark Murphy schien oft der einzige wahre Jazzsänger seiner Generation zu sein”, urteilt der amerikanische Kritiker John Bush im All Music Guide. “Als junger, hipper Post-Bop-Sänger verbrachte Murphy den größten Teil seiner Karriere damit, Standards zu singen – und präsentierte in der künstlerisch dürftigen Periode der 70er und 80er Jahre oft radikal überarbeitete Versionen dieser Standards, während viele andere Sänger den Verlockungen der Lounge-Musik erlagen.”

Tatsache ist: Mark Murphy war nicht nur ein “junger, hipper Post-Bop-Sänger”, sondern ist immer noch einer der größten – und hippsten – Jazzsänger der Gegenwart. Das zeigen allein schon die fünf Siege, die er in den Jahren 1996, 1997, 2000, 2001 und 2003 in der Leserbefragung des Down Beat nach dem “besten Jazzsänger” einstrich, aber auch seine mittlerweile sechs Grammy-Nominierungen in der Kategorie “Beste Jazzgesangsdarbietung”.

Der am 14. März 1932 in Syracuse/New York geborene und im nahegelegenen Fulton aufgewachsene Mark Murphy nahm mit 24 Jahren für Decca sein Debütalbum “Meet Mark Murphy” auf und beeindruckte schon gleich am Anfang seiner Karriere durch seine exzellenten Scat-Fähigkeiten. Mit seinem bebopgeschulten Gesang und einer cleveren Repertoirewahl hob er sich auch in den folgenden Jahrzehnten von der Mehrzahl seiner oftmals nur als Crooner agierenden Kollegen ab. Gesangsgrößen wie Betty Carter, Peggy Lee, Cleo Laine und Shirley Horn lobten Murphy später im Chor als einen der Besten der Branche und die legendäre Ella Fitzgerald erklärte sogar: “Er ist mir ebenbürtig.”

Um mehr Entscheidungsfreiheit zu gewinnen, löste Murphy Anfang der 60er Jahre seinen Plattenvertrag mit Capitol Records auf und begann für kleine unabhängige Labels spannendere Projekte aufzunehmen. Mit Jazzlegenden wie Bill Evans, Clark Terry, Urbie Green, Blue Mitchell und Wynton Kelly nahm er damals u.a. für das Riverside-Label die heute zu den Klassikern zählende Platte “Rah” auf, die erst kürzlich von Fantasy Records neu aufgelegt wurde. Mit Musikern der legendären Kenny Clarke-Francy Boland Big Band spielte er 1970 für MPS/SABA das Album “Midnight Mood” ein, das 2005 endlich auf CD wiederveröffentlicht wird. 1973 begann Murphy eine beinahe zwei Jahrzehnte lang währende Liasion mit dem heute nicht mehr existierenden Label Muse. Dort brachte er zweifellos die besten Alben seiner gesamten Karriere heraus: unter anderem Klassiker wie “Stolen Moments” (1978), “Bop For Kerouac” (1981), “Brazil Songs” (1983), “Beauty And The Beast” (1985) und “Kerouac Then And Now” (1986).

Durch die Zusammenarbeit mit dem japanischen Acid-Jazz-Trio U.F.O. geriet der Kultstar Mark Murphy Mitte der 90er Jahre plötzlich ins Blickfeld einer jüngeren Hörergeneration, die mit Acid Jazz und HipHop aufgewachsen war. Murphys überwältigender Erfolg bei den jungen Leuten bewies nicht nur, daß der Jazz wirklich zeitlos und generationsübergreifend ist, sondern auch, daß der damals immerhin schon über sechzigjährige Murphy sein Ohr am Puls der Zeit hatte, ohne sich dabei auszuverkaufen. 2002 holte ihn der deutsche Trompeter Till Brönner als Gastsänger für die Einspielung seines Albums “Blue-Eyed Soul” ins Studio und legte damit den Grundstein für Murphys neuestes Soloalbum “Once To Every Heart”.

Auf diesem von Till Brönner produzierten Album beweist Mark Murphy, daß sein kreatives Feuer noch lange nicht erloschen ist. Das Programm von “Once To Every Heart” besteht zwar (bis auf das von Till Brönner mit Rob Hoare geschriebene “Our Game” und Mark Murphys “I Know You From Somewhere”) aus vertrauten Jazzstandards, aber Murphy gelingt es durch die Art und Weise, wie er sie interpretiert, diese Stücke erfrischend neu und unverbraucht klingen zu lassen. Dazu tragen in nicht geringem Maße natürlich auch die höchst einfühlsame Begleitung von Till Brönner und Frank Chastenier sowie deren geschmackvolle Soli bei. Murphy selbst war von der Zusammenarbeit, mit den beiden Deutschen, die nicht einmal halb so alt sind wie er, restlos begeistert. “Man trifft nur selten auf Jazzmusiker, die sich für die Texte der Songs, die sie spielen, interessieren. Aber Till ist ja selbst ein guter Sänger”, meint Mark Murphy. Und über das Album urteilt er mit nonchalanter Lässigkeit: “Ich schätze, das ist vielleicht das beste Ding, das ich je gemacht habe.”

08/2005