Nimo | Biografie

Nimo – K¡K¡ // VÖ: 16.06.2017

Ortstermin in Frankfurt am Main. Es ist einer der ersten warmen Frühlingstage. Nimo sitzt auf einer Bank am Mainufer und lässt sich die Aprilsonne ins Gesicht scheinen. Hier fährt er jeden Morgen auf dem Weg zum Studio für ein verspätetes Frühstück vorbei. »Verspätetes Frühstück«, das heißt: Chocomel, Eistee und der erste Joint des Tages. So geht das seit einem guten Jahr eigentlich jeden Tag. Damals wurde Nimo über Nacht schlagartig bekannt und zog von Stuttgart nach Frankfurt – und das nur wegen einem einzigen Song.
»Nie wieder« war ein Track von enormer Durchschlagskraft. Ein Stück Musik, das kam, als keiner damit gerechnet hat, das Straßenrap auch anders kann. »Nie wieder« machte Schluss mit den Drogen und dem Alkohol. Ein Song wie ein Zwiegespräch mit sich selbst, hin- und hergerissen, zwischen Gut und Böse. »Nie wieder, Mama, ich schwör’ nie wieder«, rappte Nimo und traf damit einen Nerv: Über 12 Millionen Mal wurde das dazugehörige Video seit der Veröffentlichung angeklickt. Das dazugehörige Mixtape »Habeebee« stieg auf Platz 10 ein, hielt sich acht Wochen in den deutschen Charts und verkaufte 20.000 Einheiten. Wohlgemerkt als digitales Release – ohne Promo, ohne Interviews, ohne die obligatorische Deluxe Box.
»Als ich den Song das erste Mal live gespielt habe, sind in der ersten Reihe sogar ein paar Mädchen in Ohnmacht gefallen«, sagt Nimo und grinst. »Ich habe mich gefühlt, als ob ich Justin Bieber wäre, Bruder!« Dann lacht er, nimmt einen tiefen Zug vom Joint und lässt den dichten Qualm gen Himmel steigen. Es klingt, als ob er es immer noch kaum fassen kann, was da im letzten Jahr passiert ist. Wie er aus Versehen zum Star und einem Sprachrohr seiner Generation geworden ist.
Die Aufmerksamkeit, die ihm seit »Nie wieder« zuteil wird, lässt Nimo kalt. »Lass Fotzen reden«, rappt Nimo auf seinem neuen Album. Er meint: Sollen die anderen doch labern, mich interessiert das nicht. Ein Satz, den man Nimo sofort glaubt. Er ist keiner, der sich auf solche Dinge etwas einbildet. Aus Geld macht er sich auch nicht viel. Von seinem Vorschuss hat er sich ein neues Mountainbike geleistet. Mit dem ist er heute auch zum Interview gekommen. Es lehnt an der Bank neben ihm.
Geboren wird Nimo 1995 in Karlsruhe, nach dem seine Eltern aus dem Iran nach Deutschland gekommen sind. Er geht in den Kindergarten und besucht die Schule. An den Nachmittagen wird entweder gekickt oder in die Pedale getreten. Aber irgendwann kommt auch das Scheißebauen dazu. Aus kleinen Streichen werden größere Delikte. Als Nimo 15 Jahre alt ist, muss er ins Jugendgefängnis – und verbringt seinen 16. und 17. Geburtstag dort. Während er sitzt, durchforstet er den gefängniseigenen Computer, auf dem alle Musik der Insassen gespeichert ist. Das Album, was alles für immer ändert ist »Music And Me« von Nate Dogg. »Die Platte hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin«, sagt Nimo. »Nate Dogg war so sympathisch. Er hat gerappt, gesungen und sich einfach locker gemacht.«
Genau das tut Nimo auch, als er 2014 wieder auf freiem Fuß ist. Er will ab jetzt kein Knacki mehr, sondern ein Künstler sein. Aber wie Musik machen, wenn man so abgebrannt ist, dass man kein Geld hat um ein Studio zu bezahlen? Nimo wird beim Rappen mit dem Smartphone gefilmt. Die Aufnahme zu »Ich mach es wie…« findet ihren Weg ins Internet und landet irgendwann auch im Postfach von Celo & Abdi. Die beiden Frankfurter sind sofort von Nimos Style begeistert und nehmen ihn unter Vertrag. Kurz darauf liefert Nimo sein erstes Mixtape »Habeebee« ab – und wird Anfang 2017 vom HipHop-Magazin JUICE als »Deutschraps Zukunft« auf das Cover gehoben.
Völlig zu Recht. Denn Nimo ist nicht einfach nur ein weiterer Straßenrapper. Weil er sich nicht um übertriebene Härte bemüht oder ein unsinniges Image glorifiziert, sondern einfach nur ein Junge von Nebenan ist. Wie du und ich. Wie er und sie. Demütig und dankbar für diese Chance, die er bekommen hat – denn er weiß, dass sie keine Selbstverständlichkeit ist. Damit nimmt der 21-Jährige eine Sonderstellung unter den deutschen Nachwuchs-MCs ein, ja, mehr noch: Er ist eine Art Galionsfigur dieser Generation, die durch das Internet und Streamingportale keine Grenzen mehr für ihre Musik kennt, die Charts und Playlisten dominiert, ohne große Anstrengung an einstigen Idolen vorbeizieht und sich gerade zur Wachablöse bereit macht.
Später am Tag im Studio von 385i. Nimo spielt sein Debütalbum »K¡K¡« vor. Er drückt auf »Play« und lässt sich auf die Couch fallen, während sein Gesicht erneut hinter Rauchschwaden verschwindet. Nimos Kopf sinkt auf die Brust, wandert im Takt der Musik von links nach rechts. Ab und an huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Mit seiner Stimme passt Nimo sich jedem der Beats von Produzenten wie SOTT, Bazzazian, Oster und Veteran perfekt an. Der Sound? Mächtig, aber auch melodiös. Die Texte? Mal arrogant und selbstbewusst, dann wieder introvertiert und nachdenklich.
Nimo experimentiert mit seiner Stimme. Mal ballert er eine puristische Punchline nach der anderen ins Mikro, dann überzieht er die Tonspur mit Auto-Tune-Effekten, setzt Akzente und arbeitet mit Pausen – so professionell und präzise, pointiert und doch spielerisch, dass nur schwer vorstellbar ist, dass vor einem guten Jahr noch niemand Nimo auf dem Schirm hatte. Aber hier ist einer am Werk, der trotz seiner Demut weiß, was er macht. So gut, dass man sagen muss: Wenn deutscher Rap gerade eine Renaissance erlebt, dann ist Nimo ihr Michelangelo. Nicht ohne Grund ist der erste Song des Albums nach dem italienischen Maler benannt. »›Habeebee‹ war ein Puzzle, aber ›K¡K¡ ‹ ist ein Gemälde«, sagt Nimo zum Abschluss. »Eines, das ich ganz alleine geschaffen habe.«
 
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