Paolo Conte | Biografie

Biografie

“Die barsche Raucherstimme, ein Klavierstil, der in einer Honky-Tonk-Bar genauso zu Hause zu sein scheint wie in einem Tango-Palast oder einem Broadway-Cabaret, und die Weltanschauung eines wettergegerbten Romantikers haben Paolo Conte in Italien zu einem bestens bekannten Songwriter gemacht,” hieß es vor ein paar Jahren in der New York Times. Doch die Popularität Contes reicht schon seit geraumer Zeit weit über die Grenzen Italiens hinaus. Auch im Rest Europas besitzt sein Name eine unglaubliche Zugkraft.
Am 6. Januar 1937 wird Paolo Conte in der kleinen norditalienischen Weinstadt Asti geboren. Schon während seiner Schulzeit begeistert er sich für Jazz und bildende Künste. Mit dem Schreiben eigener Lieder beginnt er spontan und nahezu instinktiv: erst gemeinsam mit seinem Bruder Giorgio, dann alleine, fertigt er Songs, zu denen ihn Bücher, Filme oder eigene Erlebnisse inspirieren. Dennoch schlägt er nach Abschluss der Schule erst einmal eine andere Laufbahn ein: er schließt ein Jurastudium mit einer Doktorarbeit ab und praktiziert einige Jahre lang als Rechtsanwalt. Nebenher spielt er aber auch Vibraphon in lokalen Bands, mit denen er gelegentlich auf Tournee geht. 1960 belegt er bei einem Jazzwettbewerb in Oslo den dritten Platz. Unter dem Namen Paul (sic!) Conte Quartet nimmt er 1962 eine erste Jazz-EP für RCA auf, die allerdings keine große Resonanz findet.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre weckt er mit seinen Kompositionen indes die Aufmerksamkeit anderer Künstler, und eine Reihe von populären Sängern und Sängerinnen beginnt, Stücke von ihm aufzunehmen. So lernt das italienische (und teilweise auch internationale) Publikum Paolo Contes ebenso eigenwillige wie ungewöhnliche Lieder zunächst einmal durch andere Interpreten kennen: “La coppia più bella del mondo” und “Azzurro” etwa durch Adriano Celentano, “Insieme a te non ci sto più” durch Caterina Caselli, “Tripoli ‘69” durch Patty Pravo, “Messico e nuvole” durch Enzo Jannacci sowie “Genova per noi” und “Onda su onda” durch Bruno Lauzi.
Seine eigene Aufnahmekarriere als Sänger und Pianist beginnt Paolo Conte 1974 mit seinem Debütalbum “Paolo Conte”. Nachdem die Öffentlichkeit bisher nur seine Talente als Songwriter kannte, lernt sie nun auch seine lässige, mitunter fast müde wirkende Stimme kennen, die nonchalant auf dem Hochseil der Melodien balanciert, poetische Fragmente von kurzen Begegnungen, plötzlichen Begeisterungsmomenten und nostalgischen Erinnerungen erzählt. Ein Jahr später erscheint das zweite (erneut “Paolo Conte” betitelte) Album mit einer weiteren Liederkollektion ähnlicher Qualität.
Größere Bekanntheit erringt er 1979 mit dem Album “Un Gelato Al Limon”, dem Anfang der 80er Jahre die beiden Alben “Paris Milonga” und “Appunti Di Viaggio” folgen, die Paolo Contes Renommee in Italien festigen. Der internationale Durchbruch gelingt ihm dann 1984 mit einem Album, das – wieder einmal -  den vertrauten Titel “Paolo Conte” trägt. Es bringt ihm europaweit begeisterte Kritiken ein. Gleich nach der Veröffentlichung reist er nach Frankreich, um eine Serie von gefeierten Konzerten im Théâtre de Ville in Paris zu geben. Die Tournee beendet er mit ausverkauften Konzerten in ganz Italien. Die enthusiastische Atmosphäre dieser Tournee ist auf dem Live-Doppelalbum “Concerti” dokumentiert, das 1985 herauskommt.
Auf einem weiteren Doppelalbum, “Aguaplano”, zeigt sich Paolo Conte 1987 internationaler (einige Titel singt er in Englisch und Französisch) und stilistisch abwechslungsreicher denn zuvor. Die Tournee im Anschluss an die Veröffentlichung dieses Albums führt ihn nach Kanada, Frankreich, Holland (wo er für seine Alben Gold- und Platinauszeichnungen erhält), Deutschland, Belgien, Österreich, Griechenland und Spanien. Der Höhepunkt sind für Conte allerdings zwei Auftritte im legendären New Yorker Jazzclub Blue Note. Auch bei renommierten Jazzfestivals in Montreux, Montréal, Juan-Les-Pins und Nancy reißt der singende Pianist das Publikum mit. Nach der Tournee erscheint ein Live-Album, das im Spectrum in Montréal mitgeschnitten wurde, sowie ein Video (“Nel Cuore Di Amsterdam”), das im Königlichen Carré-Theater in Amsterdam aufgezeichnet wurde. 
Dann legt Paolo Conte eine kurze Verschnaufpause ein, bevor er sich 1990 mit dem neuen Studioalbum “Parole D’Amore Scritte A Macchina” zurückmeldet. Der Songwriter präsentiert darauf nicht nur brandneue Lieder, sondern auch einen neuen Sound: erstmals experimentiert er mit elektronischen Mitteln und läßt sich von Background-Sängern unterstützen. Das Porträt für das Cover des Albums zeichnete der mit Conte befreundete Hugo Pratt. Der italienische Comic-Zeichner und -Autor erlangte 1970 durch seine “Corto Maltese”-Comic-Geschichten internationale Berühmtheit. 1982 schrieb Paolo Conte für eine Theaterbühnenadaption des Werks die Musik. Und im selben Jahr illustrierte Pratt zwanzig Conte-Lieder für ein Buch, das dem Songwriter gewidmet war. Zu diesem Zeitpunkt war Conte schon eine prominente Persönlichkeit in den italienischen Kunst- und Literaturzirkeln. 1991 erhält der Liedermacher den Librex-Guggenheim-Preis in der Sparte “Verse zu Musik”. 
Das nächste Album ist 1992 “Novecento”. Es markiert Contes Rückkehr zu seinem alten, allseits beliebten Stil, der seine Wurzeln im Jazz, im Tango und der Cabaret-Musik. hat. 1993 schließt sich die Veröffentlichung eines weiteren Live-Albums an: “Tournée” enthält neunzehn Konzertaufnahmen aus den Jahren 1991 bis 1993. Im selben Jahr erscheint auch noch die Songlyriksammlung “Le Parole di Paolo Conte”, die 1997 erweitert neu aufgelegt wird. Die englische Ausgabe, “The Words Of Paolo Conte”, erscheint 1999. Schon 1989 hatte der Wolke-Verlag “Sämtliche Texte” im Original und mit deutscher Übersetzung sowie mit einem Vorwort von Wolfgang Sandner (FAZ) herausgegeben.
1995 erscheint das Album “Una Faccia In Prestito”, auf dem Conte eng mit Bassist Jino Touche, Perkussionist Daniele Di Gregorio und dem Akkordeonspieler und Multiinstrumentalisten Massimo Pitzianti zusammenarbeitet. Bei einigen Tracks steigen auch vereinzelt andere Mitglieder von Contes fester Begleitband in die Sessions ein.
Ein Jahr später erscheint in Europa die Compilation “The Best Of Paolo Conte”. Die zwanzig ausgewählten Songs fügen sich auf dem Album zur ersten wahren Anthologie des Künstlers zusammen – jeder einzelne von ihnen hat seinen Platz in der Geschichte der italienischen Popmusik: darunter befinden sich “Azzurro”, “Bartali”, “Genova per noi”, “Boogie” und “Via con me”. Neben diesen international bekannten und beliebten Songs, enthält die Kollektion aber auch einige persönliche Favoriten des Künstlers: etwa “Colleghi trascurati”, “Max” und “Gong Oh”. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung in Europa kommt die CD auch in den USA heraus. Zur Promotion tourt der Künstler durch die Staaten und tritt u.a. in New York, Boston, Los Angeles und San Francisco auf. Mit überwältigendem Erfolg! Die Compilation wird außerdem vom New Yorker und vom Rolling Stone zum “Album des Jahres” gekürt.
1998 erscheint eines neues Live-Doppelalbum mit dem Titel “Tournée 2”. Neben Live-Versionen bereits bekannter Titel enthält das Album auch Live-Aufnahmen von bis dahin unveröffentlichten Nummern wie dem Instrumentalstück “Swing”,  “Legendary”, “Irresistible”, “Roba da Amilcare” und “Nottegiorno”. 1999 wird Paolo Conte zum “Cavaliere di Gran Croce” der Italienischen Republik ernannt.
Im November 2000 erscheint auf CD und DVD “Razmataz”. Die DVD enthält eine Montage von 1800 von Conte selbst gefertigten Zeichnungen, Musik und Dialoge. Das Programm ist ein Entwurf für eine musikalische Revue, angesiedelt im Paris der 20er Jahre, das damals der Ort war, wo sich Vertreter der europäische Avantgarde mit den Protagonisten der neuen schwarzen Musik trafen. Zwei Jahre lang reist Conte mit diesem Programm durch Europa. Bei ausverkauften Konzerten präsentiert er nicht nur die Songs des Projekts, sondern in parallelen Ausstellungen gelegentlich auch seine Zeichnungen.
Im Frühjahr 2001 besucht der Italiener dann zum zweiten Mal die USA, wo er erneut in großen Konzerthallen in New York, Washington, Boston, Chicago, San Francisco und Los Angeles auftritt. Im Mai desselben Jahres wird Paolo Conte in Frankreich zum “Chevalier dans l’ordre des arts et letters” ernannt. Zwei Jahre danach verleiht ihm die Fakultät für Moderne Literatur der Universität von Macerata die Ehrendoktorwürden. Im Gegenzug hält Conte dort einen Vortrag mit dem Titel “Die Zeiten der Inspiration: Der Nachmittag”.
Im April 2003 wird weltweit das Album “Reveries” veröffentlicht – eine Sammlung mit sechzehn klassischen Conte-Songs, von denen zwölf mit neuen, zeitgenössischeren  Arrangements neu aufgenommen wurden. Zu diesem Zweck war Paolo Conte mit all den Musikern, die ihn in den vorausgegangenen beiden Jahren auf seinen “Razmataz”-Tourneen begleitet hatten, ins Studio gegangen. Die Neueinspielungen dieser zwölf Songs sind aus vielerlei Gründen interessant. Das Titelstück des Albums, das es zuvor nur in einer Live-Version auf dem Album “Tournée” gab, ist beispielsweise ein wahres Meisterwerk. Auch Klassiker wie “Dancing”, “Diavolo rosso” und “Sud America” erhielten brandneue Arrangements und vermitteln dem CD-Hörer einen Eindruck davon, wie Conte diese Stücke bei Konzerten interpretiert. Die neuen Versionen unterscheiden sich grundlegend von jenen der Alben der 80er Jahre. Nachdem dieses Album zunächst von Nonesuch in den USA herausgebracht wurde, erscheint es später auch im Rest der Welt. Ebenfalls 2003 wird in der “Einaudi Parole e Canzoni”-Serie eine Box herausgegeben, die Paolo Conte gewidmet ist. In dem beiliegenden Buch “Si Sbagliava da Professionisti” kommentiert der Songwriter einige seiner Lieder. Die Einleitung schrieben Andrea Camilleri und der Komponist/Pianist Nicola Piovani, der 1998 für die Musik zum Roberto-Benigni-Film “Das Leben ist schön” mit einem Oscar geehrt wurde.  Die Box enthält außerdem eine von Renzo Fantini produzierte DVD, auf der Paolo Conte sich in einem seltenen und ausführlichen Interview zu seiner Kunst äußert.
Im Jahr 2004, und damit neun Jahre nach seinem letzten Album mit neuen Stücken, bringt Paolo Conte “Elegia” heraus. Mit den dreizehn neuen Liedern beweist der gereifte Künstler eindrucksvoll seine ungebrochene poetische und musikalische Originalität. Thematisch drehen sich viele Songs um das Leben bzw. das lebenswerte Leben.
“Paolo Conte Live Arena di Verona” erscheint im darauffolgenden Jahr wieder als CD und DVD. Das Repertoire enthält neben sechs Stücken von dem im Vorjahr veröffentlichten Album “Elegia” auch die beiden Titel “La donna d’inverno” und “Gioco d’azzardo”. Die CD bietet zudem einen brandneuen Song: “Cuanta pasión”. Die Nummer hatte Conte mit dem Gypsy-Kings-Gitarristen Mario Reyes und der spanischen Sängerin Carmen Amor im Studio aufgenommen.
Im Mai 2007 erhält Conte einen zweiten Ehrendoktortitel: diesmal von der Akademie der Feinen Künste in Catanzaro. Auch dort bedankt er sich mit einem Vortrag: “Razmataz – Die wunderschöne Négritude”.
Im Juni 2008 kommt es in Lyon zur Uraufführung des Programms “Paolo Symphonique”. Im ersten Teil des Konzert tritt Paolo Conte mit seiner historischen Band auf, während sich im zweiten ein Sinfonieorchester aus Lyon unter der Leitung von Bruno Fontaine dazugesellt. Geboten werden alte und auch ein paar neue Stücke aus dem kompositorischen Fundus von Paolo Conte. Am 31. Juli wiederholt Conte das Programm in Athen mit dem Griechischen Radiosinfonieorchester und Anfang September führt er es an zwei Abenden in Paris mit dem Orchestre National d’Ile de France auf.
Am Tag des ersten Pariser Konzerts (am 5. September 2008) stellt Paolo Conte der Presse endlich auch sein neues Album “Psiche” vor. Das erneut von Renzo Fantini produzierte Album enthält fünfzehn neue Stücke und dürfte eines der bedeutungsvollsten Alben des Songwriters, Sängers und Pianisten sein. In den besinnlichen Songs reflektiert Paolo Conte über die menschliche Psyche und gewährt – wie immer – überraschende Einblicke.
Nicht weniger brillant ist 2010 das Album “Nelson”, auf dem der mittlerweile 73-Jährige wieder zahlreiche neue Songs präsentiert, die der mit der Patina des swingenden Jazz der 1920er und 1930er Jahre überzog. Unter diese jazzigen Titel mischt er aber auch munter einen frankophonen Chanson, Lieder mit südamerikanischem Flair (Bossa Nova, Mambo und Tango) sowie ein Stück, das halb Blues, halb Cabaret-Musik ist. Doch Conte schwelgt nicht nur in Klängen aus vergangenen Zeiten. Im poppigen “C’est beau” (wo er Gaststar Laura Conti und seinem Bassisten Jino Touche den Lead-Gesang überließ) und vor allem in “Sarah” experimentiert er behutsam auch mit modernen Stilformen und Grooves.
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