Robert Glasper | Biografie

Biografie

Kein kreativer Künstler mag es wirklich, mit einem anderen vergleichen zu werden. Wenn man etwa den Keyboarder Robert Glasper fragt, ob Herbie Hancock einer seiner großen Einflüsse war, sagt er kess: “Herbie Hancock? Noch nie von ihm gehört.” Das breite Grinsen, das bei dieser Antwort über sein Gesicht huscht, verrät allerdings, dass dies vielleicht doch nicht so ganz der Wahrheit entspricht. Denn natürlich wurde Glasper von Hancock beeinflusst. Vielleicht aber weniger in einem rein musikalisch-stilistischen Sinne als vielmehr von seiner allgemeinen künstlerischen Einstellung her. “Kreativität sollte nicht dem Radio folgen”, meinte Hancock einmal, “es sollte andersherum sein.” Ein kürzlich gemachter Twitter-Eintrag von Glasper zielt in dieselbe Richtung: “Wenn du nur ein Spiegelbild von dem bist, was in der Musik ‘hot’ ist, und KEINE wirkliche Identität hast… kann ich dich niemals ernst nehmen… das gilt für 90% der heutigen ‘Künstler’.”
Robert Glasper wird am 5.April 1978 im texanischen Houston geboren. Durch seine Mutter Kim Yvette Glasper, die Klavier spielt und im Gospelchor der Kirche singt, kommt er schon sehr früh mit Musik in Berührung. Sie nimmt ihn auch immer mit, wenn sie in lokalen Jazz- und Bluesclubs auftritt. Es soll nicht lange dauern, bis sich auch der kleine Robert für das Klavierspielen und Singen zu interessieren beginnt. Den Grundstein für seine Karriere legt er an der renommierten High School for the Performing and Visual Arts in Houston, wo u.a. die Schlagzeuger Kendrick Scott und Eric Harland sowie Gitarrist Mike Moreno zu seinem Jahrgang gehören. Andere Absolventen dieser texanischen Talentschmiede sind der Pianist Jason Moran, Schlagzeuger Chris Dave, Saxophonist Walter Smith III und eine gewisse Beyoncé Knowles. Nach dem Abschluss geht Glasper nach New York, um an der New School weiterzustudieren, an der er den Neo-Soul-Sänger Bilal, Casey Benjamin und Mark Colenburg kennenlernt. Schon kurze Zeit später tritt er mit etablierten Jazzgrößen wie Christian McBride, Kenny Garrett, Terence Blanchard und Roy Hargrove auf. Eine erste eigene musikalische “Duftnote” setzt er mit dem 2004 veröffentlichten Album “Mood”, auf dem er neben einer Reihe eigener Kompositionen auch eine moderne Version von Herbie Hancocks 1960er-Jahre-Klassiker “Maiden Voyage” präsentiert. Das Album weckt das Interesse des Labels Blue Note, das den jungen Pianisten kurz darauf unter Vertrag nimmt.
Die ersten Alben für Blue Note, “Canvas” (2005) und “In My Element” (2007), nimmt Glasper im Trio mit Bassist Vicente Archer und Schlagzeuger Damion Reid sowie Sänger Bilal und Tenorsaxophonist Mark Turner als Gästen auf. Auf beiden interpretiert er auch wieder Stücke von Hancock: auf ersterem “Riot” und auf letzterem erneut “Maiden Voyage”, diesmal allerdings in einem Medley mit Radioheads “Everything In Its Right Place”. Mit “Double Booked” schließt Glasper dann 2009 das Trio-Kapitel, um gleichzeitig ein neues aufzuschlagen: jenes seiner Band The Robert Glasper Experiment. Mit ihr begibt sich der Keyboarder auf das Terrain populärer schwarzer Musik – ähnlich wie es Hancock einst mit seinen Head Hunters und später seiner Rockit-Band getan hatte. Als Referenz an Hancocks “Disco”-Phase der späten 1970er Jahre kann man freilich auch den massiven Einsatz des Vocoders betrachten. Während es Glasper mit “In My Element” und “Double Booked” bereits in die Top 10 der US-Jazz-Charts gebracht hatte, erobert er mit den folgenden Alben – “Black Radio” (2012) und “Black Radio 2” (2013) – sowie der Remix-EP “Black Radio Recovered” (2012) völlig neue Hörerschichten. “Black Radio” und seine Nachfolger, auf denen sich The Robert Glasper Experiment mit zahlreichen Künstlern präsentiert, die zur Crème de la crème des Rhythm’n’Blues, Neo-Soul und Hip-Hop gehören, werden als absolut zukunftsweisend gefeiert. Die Alben bringen der Band auch zwei Grammys in der Sparte Rhythm’n’Blues ein. Das hindert Glasper aber nicht daran, 2015 das akustische Album “Covered” wieder mit seinen früheren Trio-Partnern aufzunehmen. Dabei überraschen sie diesmal mit einem Repertoire, dessen Bandbreite von Kendrick Lamar und Musiq Soulchild über John Legend und Bilal bis zu Radiohead und Joni Mitchell reicht. Nebenher findet Glasper auch noch Zeit den Soundtrack für Don Cheadles faszinierendes Miles-Davis-Biopic “Mile Ahead” zu schreiben und einzuspielen. Schon 2016 meldet sich der Pianist dann mit The Robert Glasper Experiment zurück. Auf dem neuen Album “ArtScience”, für das alle Bandmitglieder Stücke schrieben und produzierten, ist das Ensemble (bestehend aus Glasper, Saxophonist Casey Benjamin, Bassist Derrick Hodge und Schlagzeuger Mark Colenburg) erstmals ganz unter sich und übernimmt sogar alle Vokal-Parts.
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