Sir Neville Marriner | Biografie

Biografie

Das künstlerische Leben von Sir Neville Marriner ist eng mit dem Kammerorchester Academy Of St Martin in the Fields verwoben. Doch es begann zunächst unabhängig davon. Marriner wurde am 15. April 1924 im britischen Lincoln geboren. studierte am Royal College of Music in London und wurde als begabter Geiger in die Violinklasse von René Benedetti am Pariser Konservatorium aufgenommen. Bis 1948 verfeinerte er seine Kenntnisse in Eaton, wurde dann 2.Geiger des Martin Quartetts und gründete das Jacobean Ensemble. Bald unterrichtete er selbst am Royal College und bildete sich bei Pierre Monteux in Orchesterleitung weiter. Marriner bewährte sich, wurde Violinist beim Philharmonia Orchestra in London, 1956 dann Chef der zweiten Geigen beim Londoner Symphonie-Orchester (bis 1968). In diese Zeit fiel auch die Gründung des Ensembles, das seine künstlerische Arbeit beeinflussen und verändern sollte.

Es fing damit an, dass der Organist John Churchill anno 1958 Neville Marriner beauftragte, ein Orchester zusammenzustellen, das den Namen der musikgeschichtlich berühmten Kirche am Trafalgar Square tragen sollte. Seine Wahl war gut, denn der erfahrene Kammermusiker und Konzertmeister hatte etwas Besonderes im Sinn. Er wollte ein großes Ensemble mit transparentem Klang schaffen, dessen Beteiligte sich nicht dem Diktat exzentrischer Dirigenten unterwerfen, sondern gleichberechtigt an der Erarbeitung der Werke teilhaben sollten. Marriner ging es um die Authentizität des Klanges, musikhistorisch fundiert und möglichst genau mit Gleichgesinnten umgesetzt. In der Spielzeit 1958/59 debütierte das junge Orchester der Academy Of St. Martin in the Fields in seiner namensgebenden Kirche mit fünf Konzerten, mehrere Rundfunksendungen folgten. Als die Musikverlegerin Louise Hanson-Dyer kurz darauf ein für die BBC entstandenes Demoband der Academy in die Hände bekam, erkannte sie dessen Potential und verpflichtete das Ensemble für ihr Label L’Oiseau-Lyre. Schon die ersten Aufnahmen wurden von der Presse überschwänglich gelobt. Allerdings beendete 1962 der Tod Hanson-Dyers der ersten Aufstieg von Marriners Projekt.

Immerhin, es folgten die Zeit bei Argo/Decca, akustisch hervorragende Aufnahmeräume wie die Kingsway Hall und nicht zuletzt ausgezeichnete Tontechniker wie Kenneth Wilkinson und Stan Goodall, die durch clevere Mikrofonaufstellungen maßgeblich der Klang der Archivalien beeinflussten. So gingen inhaltliche Sorgfalt, technische Raffinesse und künstlerische Entwicklung Hand in Hand. Die Academy avancierte unter Marriners Leitung mit ihren Alben und Konzerten zu einem der renommiertesten Kammerensembles der Welt. Sie wurde zum Sinnbild größtmöglicher Natürlichkeit und Direktheit des Klangs, zur Referenz adäquater Tongestaltung mit historischem Bewusstsein. So gehören etwa die Aufnahmen der kompletten Mozart Klavierkonzerte, die über die siebziger und frühen achtziger Jahre hinweg mit Alfred Brendel als Solist entstanden, zu den besten Einspielungen dieser Werke überhaupt. Marriner arbeitete außerdem mit Jessye Norman, Kiri Te Kanawa, Viktoria Mullova, Bryn Terfel, Anne Sofie Von Otter, Sylvia McNair, Thomas Allen, Barbara Hendricks, Karita Matilla, Lucia Popp und Imogen Cooper.

Darüber hinaus hinterließ Marriner auch an anderen Orten seine Spuren. Von 1969 an war er Musikdirektor des Kammerorchester von Los Angeles (bis 1979), nebenbei stellvertretender Leiter des Northern Sinfonia Orchestra (1971–73), Musikdirektor des Orchesters von Minnesota (1979–86) und Chefdirigent des Symphonie-Orchesters des Süddeutschen Rundfunks (1986–89). Er dirigierte Uraufführungen wie William Waltons “Sonata for Strings” (1972) und Peter Maxwell Davis “Sinfonia Concertante” (1983). Zu den zahlreichen Preise, mit denen Marriner und die Academy geehrt wurden, gehören auch vier Grammys (1977, 1981, 1984, 2002) unter anderem für das “Best Classical Album”, den er 1984 für den Soundtrack zu Milos Formans Film “Amadeus” überreicht bekam und 2002 für die “Best Instrumental Soloist(s) Performance (with Orchestra)”, die Marriner und die Geigerin Hilary Hahn für die Violinkonzerte von Brahms und Stravinsky erhielten. Im Jahr 1979 wurde er zum Commander of the Order of the British Empire gemacht und 1985 wurde er in den Adelsstand erhoben. Außerdem wurde ihm vom französischen Staat für seine Verdienste um die klassische französische Musik 1995 der Ordre des Arts et Lettres verliehen.

6/2005