The All-American Rejects | Biografie

Biografie

 
Tyson Ritter, der Frontmann von The All-American Rejects, ist gerade dabei, eine der Strophen von „Mona Lisa“ zum 29. Mal zu singen. „Alles klar, guter Versuch“, kommentiert die Stimme hinter der Glasscheibe. „Waren ein paar richtig gute Momente dabei.“ Produzent Eric Valentine sitzt hinter dem Mischpult in seinen Barefoot Studios in Hollywood und gibt nonchalant seinen Senf dazu, während im Raum nebenan ein paar Buddys aus Oklahoma dabei sind, ihr drittes Album live einzuspielen. Willkommen im musikalischen Mutterleib, wo Melodien und Einfälle verschmelzen, Riffs eingefroren und konserviert werden, Stimmen laut und Leben verändert werden, Häutungen und Transformationen stattfinden und alles dafür gegeben wird, ein weiteres Kapitel einer Erfolgsstory zu verfassen. Trotzdem muss man sagen, dass der Weg, den The All-American Rejects gewählt haben, um „When the World Comes Down“, ihr drittes Album, zu kreieren, alles andere als eben und gradlinig war.
 
„Bei diesem Album hatten wir jede Menge Gegenwind“, gesteht Nick mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. „Nach dem Erfolg von `Move Along´ wollten wir uns unbedingt neuen Herausforderungen stellen. Und wir wollten unsere Fans dazu animieren, mit uns zu wachsen. Letztes Mal standen sämtliche Songs schon, als wir ins Studio gingen. Alles war vorbereitet und perfekt einstudiert. Wir mussten nur noch ins Studio kommen, unsere Parts einspielen, während Howard Benson, unser Produzent, ein paar Regler bewegte – und so war nach nur sechs Wochen alles im Kasten. Die neue LP zeigt ganz deutlich, wo wir momentan als Menschen stehen – nicht nur als Musiker. Sie zeigt das Hier und Jetzt. Darum mussten wir die Busfahrten unternehmen, darum mussten wir uns in abgelegene Hütten einsperren und die Qualen von früher noch einmal durchleben, den Schmerz aus einer Zeit, in der uns noch niemand kannte.“

Busfahrten? Abgelegene Hütten? Qualen und Schmerz? Wie herrlich sind die Schlaglöcher auf dem kreativen Pfad angeordnet, den sonst keiner nimmt? „Als wir z.B. an dem Song `Real World´ arbeiteten, für unsere Verhältnisse ein ziemlich aggressiver Rocksong, kamen wir einfach in einem Raum zusammen, legten los, und das Ergebnis war richtig mies“, erinnert sich Mike. „Also flog ich mit Chris nach Florida, wir besuchten Nick und Ty an der Golfküste und hingen dort für einen Monat ab. Ty hat E-Drums und so einen richtig beschissenen kleinen Verstärker. Wir jagten das Schlagzeug durch den Verstärker und schon funktionierte der Song. Was die Hütte und die Busfahrt durchs ganze Land betrifft, musst du Ty und Nick fragen.“
 
„`Breakin’´ entstand auf der Busfahrt“, berichtet Ty. „Ich schrieb den Refrain in Erics Studio, aber nach ein paar Wochen, in denen ich versuchte, das Stück fertig zu stellen, hatte ich eine Art Nervenzusammenbruch und wurde klaustrophobisch; ich wusste einfach nicht mehr weiter. Es war, als ob ich in einen Abgrund fallen würde und noch ein paar Sachen mit mir in die Tiefe reißen würde. Ich war deprimiert und noch schlimmer war, dass ich nicht lockerlassen konnte – was einem als Künstler früher oder später definitiv zum Verhängnis werden muss. Also nahmen Nick und ich den nächsten Bus und fuhren einfach auf der Interstate 10 in Richtung Osten, einfach so, ohne festes Ziel. Na ja, wie schon angedeutet entstand `Breakin’´ unterwegs, während ich mit Nick hinten im Bus saß und an Akkordfolgen und Textpassagen arbeitete. Der Song ist für uns definitiv untypisch. Er ist anders und irgendwie seltsam.“
 
 
„Ty und ich kennen uns so gut, dass zwei Wochen in den hinteren Sitzreihen eines Busses einfach nicht genügen, um alles Persönliche ans Tageslicht zu befördern“, sagt Nick. „Wir machen das hier gemeinsam. Ich kenne ihn seit ich 14 bin. Wir haben über unsere Unsicherheiten diskutiert, akzeptierten aber trotzdem die Richtung, in die sich die Dinge entwickelten. Wir wussten, dass wir als Band immer größer wurden. Während des Aufenthalts in der Hütte in Rabun County in Georgia, wo sie den Film `Beim Sterben ist jeder der Erste´ gedreht haben, hatten wir so um die vier Songs geschrieben, wovon zwei auch auf dem Album gelandet sind, `Damn Girl´ und `Falling Apart´. Es muss der zwölfte Tag gewesen sein, als Ty zu mir sagte: `Einen Tag noch, nur noch ein Tag, dann haben wir’s.´ Und dann setzte er seine Kopfhörer auf und spielte etwas auf dem Keyboard, während ich einen Gitarrenpart von einem anderen Stück spielte, bis er dann plötzlich sagte: `Okay, ich hab’s.´ Und dann hat er mir den Refrain von `Mona Lisa´ vorgespielt, und ich fand den sofort fantastisch, aber als wir die Idee dann mit den anderen Jungs einspielten, stimmte trotzdem irgendetwas nicht. Irgendwie klang das nach einer Alternativversion von Südstaaten-Countryrock, in der die Akkorde zu schnell aufeinander gespielt werden. Wir waren vollkommen am Ende und spielten das Demo Eric vor, und der sagte nur: `Was an dieser Demoversion nicht stimmt? Ihr müsst es so spielen!´ Und dann funktionierte es – wir haben den Song auf der Stelle live aufgenommen und jetzt finden wir ihn grandios. Eine Sache, die während der Entstehung dieser LP immer wieder auftauchte, war die Frage `Was war noch mal die Idee für diesen Song?´ Und jedes Mal war es so, dass weniger letztendlich mehr war.“

AAR sind mehr als eine Band; es sind vier Freunde, die einander gefunden und das erlebt haben, was man gemeinhin als „American Dream“ bezeichnet. Tyson und Nick gründeten die Band und veröffentlichten die EP „Same Girl, New Songs“ im Sommer 2001. Im nächsten Jahr stießen Mike und Chris dazu, und im Oktober 2002 veröffentlichte das Quartett das gleichnamige Debütalbum, wobei sich bereits die erste Single „Swing Swing“ als kommerzieller Erfolg entpuppte. Danach absolvierten sie eine Tour nach der anderen und legten im Juli 2005 „Move Along“ vor, auf dem neben der gleichnamigen Hymne noch zwei weitere Smash-Hits vertreten waren, „Dirty Little Secret“ und „It Ends Tonight“. So avancierten die bodenständigen Südstaaten-Boys nach und nach zu echten Rockgrößen – die Platte wurde mit Platin ausgezeichnet – und stellten mit ihren grandiosen Melodien selbst den Popsektor auf den Kopf.

Während Erfolg vielen Bands früher oder später auch Probleme beschert, kamen sich die Rejects dadurch nur noch näher. Ist wahrscheinlich eine Frage des Charakters und der Erziehung. „Ich war ursprünglich an der University of Central Oklahoma eingeschrieben, denn ich wollte Physiotherapeut werden“, berichtet Chris. „Bis ich dann den Anruf von Ty bekam; ich schmiss sofort alles hin und trat der Band bei. Ich liebe es, hinter dem Schlagzeug sitzen – ich könnte es von morgens bis abends machen. Umso mehr ich spiele, desto glücklicher bin ich, und desto seltener gerate ich in Schwierigkeiten. Schon als wir 50 Dollar pro Auftritt verdienten und ich keinen anderen Job mehr brauchte, hatte ich das Gefühl, im Lotto gewonnen zu haben. Erfolg ist relativ. Als wir dann unsere erste Goldauszeichnung bekamen, dachte ich mir, dass das alles noch eine Weile funktionieren könnte. Die Aufnahmen zu `When the World Comes Down´ haben uns definitiv noch stärker zusammengeschweißt. Tyson hat sich wahnsinnig entwickelt im vergangenen Jahr. Und wir alle mit ihm.“
 
Songs wie „Believe“, mit dem sie einem verstorbenen Freund gedenken und Fragen über den Sinn des Lebens (und über das, was danach kommt) stellen, das ambitionierte „Another Heart Calls“, das erste Duett von AAR, für das sie mit zwei Schwestern aus Alabama (The Pierces) gearbeitet haben, das sich aufbäumende und druckvolle „Hope It Gives You Hell“, das auf einer Fahrt nach Vancouver entstand, das unfassbar lebhafte „Falling Apart“ oder das mit einer gewaltigen Hook versehene „Damn Girl“ zeigen eindrucksvoll, wie gut durchdacht und eingängig ihre Kompositionen sind. Abgerundet von einem klassischen Sound, viel Energie und Mut zu Experimenten, steht schon jetzt fest, dass die Fanbase der Rejects dank dieser Platte erneut wachsen wird…
 
„Ich will, dass diese Platte nicht nur gut für uns ist; sie muss mehr sein: gut für unsere Fans nämlich“, sagt Ty abschließend. „Letztendlich sind wir auch nur eine Band, ein paar gute Freunde, denen das, was sie tun, sehr viel bedeutet. Wenn man den ganzen Quatsch erst aus dem Weg geräumt hat, bleibt nur noch die Liebe. Ich bin weder ein Rockstar noch der Held meiner Heimatstadt. Ich bin auch nur ein Niemand. So heißt es schließlich auch in dem Song, `you’re nobody ’til somebody loves you´.“
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