Wir sind Helden | Biografie

Biografie: Januar 2011

WIR SIND HELDEN
“Tausend wirre Worte – Lieblingslieder 2002–2010”

“Ein Quartett aus Berlin genießt seine 15 Minuten.” Als er im Frühjahr 2003 diese Unterzeile für den Artikel textete, in dem eine, hüstel, große deutsche Musikzeitschrift erstmals die Band Wir sind Helden in Wort und Bild vorstellte, hatte der Kollege nicht seinen hellsichtigsten Tag. Vielleicht war er auch geblendet von der alles in Grund und Boden charmierenden ersten Helden-Single “Guten Tag”, die so perfekt reinhaute, dass man hinter diesen Newcomern gut und gern irgendein ausgebufftes Pop-Konfekt mit niedriger Halbwertzeit vermuten konnte. Alles falsch.
Da war überhaupt nichts ausgebufft und abgefeimt, das waren vier junge Leute, die einfach machten, was sie sich zusammen ausdachten und für gut befanden. Ohne großen, bösen Masterplan, dafür mit einem gesunden learning-by-doing-Ansatz in Sachen Pop-Biz, der die Ergebnisse umso eigener und einzigartiger machte. Ohne große, öde Attitüden, dafür mit einer kreuzsympathischen Mischung aus solidem Musikerhandwerk, Herzensbildung, Witz, Geschmack und gut geeichtem moralischem Kompass.
Mit dem Debüt “Die Reklamation” wurden Wir sind Helden im Sommer 2003 vieler Leute neue Lieblingsband. Die einen schätzten diese widerborstigen Texte und wollten die Sängerin-Dichterin Judith Holofernes sogleich als neues linkes Frolleinwunder adoptieren. Andere fühlten hier Lebens- und Herzensangelegenheiten in Worte und Songs gefasst, wie man sie so noch nicht gehört hatte und brannten bei Helden-Konzerten ihre Feuerzeuge leer. Die meisten fanden beides toll und das viele dazwischen.
Das zweite Album “Von hier an blind” machte Wir sind Helden 2005 zum umjubelten Schaumkrönchen der rollenden “Deutschpop-Welle”, ohne dass sie ihre Eigenartigkeit drangegeben hätten. Aus den Warhol’schen 15 Minuten Ruhm und Ehre waren Stunden, Wochen, Jahre Spaß und, ja, Liebe geworden.
Und als die Welle abschwoll, strichen Wir sind Helden nicht etwa die Segel, wie manch eine Unke schon unkte. Sondern blieben ihrer zum geflügelten Wort gewordenen Ansage “Gekommen um zu bleiben” treu und zogen jetzt erst recht Energie und Inspiration aus der Freiheit, endlich Wir sind Helden sein zu dürfen, ohne dazu noch irgendein Schaumkrönchen abgeben zu müssen. Und vielen Fans wurde angesichts des (vielfach unterschätzten) dritten Albums “Soundso” (2007) und spätestens beim großartigen aktuellen Werk “Bring mich nach Hause” erst so richtig klar, was sie an dieser Band haben: Eine, mit der sie leben, älter werden, vielleicht sogar erwachsen werden konnten. Und die ihnen keinen Quatsch erzählt.

Deshalb möchte man doch schwer hoffen, dass die vorliegende Werkschau wie angekündigt nur eine Zwischenbilanz des Heldenschaffens darstellt. “TAUSEND WIRRE WORTE – LIEBLINGSLIEDER 2002–2010” versteht sich als “Best Of” im eigentlichen Sinn: Die Schnittmenge der Favoriten von Fans und Band, 19 Songs, die die musikalische und persönliche Entwicklung der Band nachzeichnen, nicht chronologisch, sondern stimmungsmäßig sortiert.
Das Ganze kommt in drei Ausführungen. Für Einsteiger und junge Hüpfer die Einfach-CD. Für fortgeschrittenere Fans die Dreifach-Packung: Neben der “normalen” regiert hier eine Raritäten-CD mit so ziemlich allem drauf, was einem über die Jahre entgangen sein könnte: B-Seiten, Remixes, Unveröffentlichtes sowie beliebte Helden-Songs in Live-, Demo-, französischen, japanischen und – ganz wichtig – auch chinesischen Versionen. Dazu eine DVD mit sämtlichen Videos (nein, da ist immer noch kein Band-performt-vor-Backsteinwand−08/15-Clip dabei) nebst “Making Of”s und Audio-Kommentaren und einem 45-minütigen “Heldendokumentationsvideo”, das auch der Autor dieses Infoblattes noch nicht kennt, aber gespannt erwartet.
Und dann wurde für die Freunde des Audiophil-Analogen auch noch eine luxuriöse Doppel-LP aufgelegt – für maximalen Komfort mit beigefügter CD im digitalen Hintertürchen.

Josef Winkler

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