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Verspielter Feinsinn

Alfred Brendel
© Benjamin Ealovega
02.11.2005
Mozart beabsichtigte, seine Klavierkonzerte in handgeschriebenen Kopien zur Subskription anzubieten. Im Januar 1783 inserierte er in der Wiener Zeitung “3 Concerten, welche man sowohl bey großem Orchestre mit blasenden Instrumenten, als auch nur a quattro, nämlich mit 2 Violinen, 1 Viole und Violoncello aufführen kann”. Aus diesen zunächst als Broterwerb gedachten Werken wurden jedoch Pretiosen der Konzertkunst, die zum Großartigsten gehören, was diese Gattung hervorgebracht hat. Alfred Brendel hat sich zweier früher Meisterwerke in der aktuellen Runde seiner Neueinspielungen des Mozart-Oeuvres angenommen und mit faszinierender Empathie für die Ideen des Salzburger Genies umgesetzt.
So sehr Mozart heutzutage als Star gefeiert wird, so schwierig hatte er es zu Lebzeiten, über die Runden zu kommen. Vor allem die späten Wiener Jahre waren immer wieder von erheblichen Schwankungen der Beliebtheit und des Einkommens bestimmt, die den Komponisten dazu veranlassten, auch zum reinen Überleben zu schreiben. Das Erstaunliche ist dabei, dass er, egal, welche Motivation ihn unmittelbar zu Erfindung eines Musikstückes veranlasste, ein gleichbleibend hohes Niveau der künstlerischen Gestaltung zu halten vermochte. Einige seiner 17 in Wien entstandenen Klavierkonzerte zum Beispiel waren von ihm durchaus auch für den Hausgebrauch der Salons gedacht, wo mehr oder weniger begabte “Dilettanten”, darunter auch einige seiner Schüler, zum Zeitvertreib der Hautevolee musizierten. Umso faszinierender ist es, sich die Bedeutung dieser Stücke im Zusammenhang der damaligen Klanggewohnheiten klar zu machen. Denn in vieler Hinsicht waren sie revolutionär, ohne dass ihre besonderen Eigenschaften in der Gänze erkannt worden wären. Faktoren wie der perfektionierte dramatische Dialog zwischen Klavier und Ensemble, die solistische Virtuosität in Verbindung mit dem orchestralen Klangfarbenreichtum, die Fusion von Konzertantem und Symphonischem wurden von Mozart eher beiläufig thematisiert, beinahe als Fingerübung neben der Gestaltung eingängiger Themen und kunstvoller Verarbeitungen.

Als erstes Beispiel dieser Serie entstand wohl bereits im Sommer 1782 das “A-Dur Konzert K414”, das durch seinen verspielten Reichtum wunderbar leichtgliedriger Motive auffällt. Alfred Brendel nannte es “das liebevollste aller Mozartschen Klavierkonzerte” und er spielt es auch dementsprechend mitempfindend, ohne es mit Bedeutung zu überladen. Der Komponist charakterisierte es zusammen mit den anderen Konzerten dieser Jahre als “Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht … sie sind brillant, angenehm in den Ohren”. Das “G-Dur-Konzert K453” beendete er am 12.April 1784 und wurde von Mozart als eines der “großen Konzerte” angesehen, allerdings war es ebenso wie das “Es-Dur Konzert K449” gezielt für die Fähigkeiten einer seiner Schülerinnen, Babette von Ployer, entstanden und vermied daher allzu auffallende Geläufigkeit zugunsten einer intimen, salonhaften Stimmung.

Beiden Werken nun nahm sich Alfred Brendel im August vergangenen Jahres in der Usher Hall von Edinburgh gemeinsam mit dem Schottischen Kammerorchester unter der Leitung von Sir Charles Mackerras an. Im Vergleich zu den ebenfalls herausragenden Einspielungen, die er zusammen mit der Academy Of St. Martin In The Fields in den frühen Achtzigern verwirklicht hatte, verfeinerte er noch den Nuancenreichtum seines Anschlags, perfektionierte das Tempo und die Balance zwischen ihm und dem Orchester, so dass einmal mehr eine brillante Aufnahme entstand.
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