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Biografie: Supply And Demand

Amos Lee 2013
20.09.2006
AMOS LEE
Supply And Demand

Befragt man ihn nach seinen Einflüssen, dann nennt Amos Lee gern Musiker aus einer weit zurückliegenden Zeit. “Was Musik betrifft, gehören die Jahre 1970 bis 1975 zu meiner Lieblingsperiode”, erläutert der Mann aus Philadelphia seine Vorlieben und zählt zur Verdeutlichung ein paar Klassiker der Moderne auf, die es ihm besonders angetan haben: “'Still Bill' von Bill Withers, ‚Harvest' von Neil Young, John Prines erstes Album und James Taylors ‚One Man Dog'. Ich hoffe, dass ich einen ähnlichen Spirit erzeuge, wie ich ihn auf diesen Scheiben höre.”

Auf dem zweiten Soloalbum “Supply And Demand” (zu Deutsch: Angebot und Nachfrage) gelingt das ausgezeichnet. Amos Lee spielt hier eine zauberhaft natürliche, warmherzige Musik im Stildreieck Soul/Blues/Folk, die fest in der Tradition verwurzelt ist und immer wieder Echos vergangener Epochen vernehmen lässt. Aus den Vorgaben seiner Idole und eigenen Ideen erschafft der Songschreiber, Sänger und Gitarrist einen angenehm organischen Sound mit unverwechselbarem Fingerabdruck.

Seit seinem Debüt “Amos Lee” (2005), das die Medien allerorten begeistert willkommen hießen, hat der Künstler aus dem Bundesstaat Pennsylvania einen großen Schritt nach vorn gemacht. Der Reifeprozess, den er in der Zwischenzeit vollzogen hat, ist nicht zu überhören. Lees Songwriting glänzt mit blitzgescheiten Einfällen, das Studiohandwerk beherrscht er mittlerweile souverän, und sein Gesang hat gar noch an Ausdrucksstärke hinzugewonnen.

Diese Weiterentwicklung war nur möglich, weil sich Amos Lee vom Erwartungsdruck, der auf jeden Musiker bei seinem zweiten Album zukommt, nicht verunsichern ließ: “Die Leute fragen einen ständig danach, was man als Nächstes vorhat, aber einen Songschreiber kann es belasten, wenn er zu weit voraus blickt. Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich entweder mit dem Live-Spielen von Songs, die ich schon geschrieben habe, oder mit Gedanken an Songs, die halb fertig sind, oder mit dem Anfangen neuer Songs. Die Erwartungen der Leute sind mir schon bewusst, aber meine Arbeit besteht nun mal darin, mich um Songs zu kümmern und darauf konzentriere ich mich.”

Dieses Arbeitsethos gab bei der Albumproduktion in Los Angeles und Philadelphia klar die Richtschnur an. Produzent Barrie Maguire, der schon Lees früheste Studioaufnahmen 2002 beaufsichtigte, achtete darauf, dass stets der Song als solcher im Mittelpunkt stand. Mit Drummer Fred Berman, Bassist Jaron Olevsky und Gitarrist Nate Skiles aus seiner Tourband sowie den Sessionspezialisten Pete Thomas (Schlagzeug), Greg Leisz (Pedal Steel) und Chris Joyner (Keyboards) hatte Lee zudem Topprofis um sich geschart, die seine akribische Vorgehensweise teilen: “Die Band und ich verbrachten zwischen zwölf und zwanzig Stunden am Tag damit, entweder an einzelnen Teilen zu arbeiten, uns Arrangements zu überlegen oder einfach nur über Musik zu reden, die mit unseren Vorstellungen irgendwie verwandt ist. Ich schätze mich glücklich, dass ich mit Musikern zusammenarbeiten darf, die sich ihrem Handwerk ganz hingeben.”

Für “Supply And Demand” verfasste Amos Lee elf wunderbare Songs, die ihn als ungemein begabten Autor ausweisen. Der Großteil des neuen Materials entstand entweder hinter der Bühne, beim Soundcheck oder in Hotelzimmern, während der US-Amerikaner und seine Begleitband in den letzten drei Jahren on the road waren und sich mit Legenden wie Bob Dylan, Paul Simon, Merle Haggard oder John Prine die Bühne teilten. “Wenn solche Größen mit einem am Tisch sitzen, dann traut man sich manchmal nicht einmal, nach der Gabel zu greifen, aber wir sind trotzdem jeden Abend aufgetreten und standen so gut wir nur konnten hinter unseren Songs. Und meistens hatten wir dabei eine richtig gute Zeit.”

“Supply And Demand” garantiert über die gesamte Albumlänge eine äußerst befriedigende Hörerfahrung, da unterschiedlichste Stile und Stimmungen ausgewogen verteilt wurden. Die Balance zwischen introspektiv-stillen Momenten und forsch zupackenden Nummern geht nie verloren. Darüber hinaus kann man sich durchgehend an gehaltvollen Songversen erfreuen. Amos Lee hat Lyrics mit Langzeitwirkung getextet. Seine Reime haben etwas mitzuteilen und ergreifen ein ums andere Mal mit anrührenden Inhalten. So gibt etwa “Southern Girl” den Schmerz des Abschiednehmens in empfindsam gesetzten Worten wieder. Die Ballade “Night Train” schildert so anschaulich wie ein Breitwandfilm die Impressionen einer nächtlichen Zugfahrt im Mittleren Westen. Das inbrünstig vorgetragene “Careless” erzählt fesselnd von zwei Freunden, aus denen rivalisierende Romeos werden. Und “Skipping Stone”, für das Gastmusiker Chris Joyner seine Hammond B3 wie eine Kirchenorgel registriert hat, stimmt steinerweichend die Bluesklage eines verlassenen Liebhabers an.

Zwei Titel präsentieren Amos Lee als aufmerksamen Beobachter seiner Umwelt, der mit leisem Weltschmerz über das Leben philosophiert: In “Freedom” macht er sich kluge Gedanken über die Bedingungen echter Freiheit. Und im Titelstück, das an die Coffeehouse-Folkszene der 60er erinnert, sinniert er genauso clever über die oft undurchschaubaren Winkelzüge des Schicksals.

Einige Stücke entstanden in besonderen Situationen und haben die Magie des Augenblicks eingefangen. Im Falle von “Sweet Pea” zum Beispiel trug die Entstehungsgeschichte viel zum Gelingen bei. Eigentlich wollte Lee den gemütlich swingenden Zwei-Minuten-Lovesong im Vintage-Stil eines Varieté-Showtunes schon aus seinem Repertoire streichen, weil er damit nicht zufrieden war. “Diesen Song fanden wir anfangs nicht besonders toll, bis dann eines Abends Barries Freund John Hughes mit seiner Ukulele hereinschneite”, erinnert er sich. “John musste mir noch mal die Akkorde beibringen, die ich schon wieder vergessen hatte, und dann gingen wir ins Studio und feilten an dem Stück. Nachdem wir fertig waren, zogen wir in eine Bar um die Ecke.. Ich kam anschließend etwas lockerer als zuvor wieder in den Aufnahmeraum und spielte Schlagzeug, eigentlich mehr als Witz. Doch als ich am nächsten Tag im Studio auftauchte, sagte mir Barrie, dass das Ganze echt toll klingt … Da war ich erstmal geschockt.”

Wenn man Lees herrliches zweites Album hört, das sein überdurchschnittliches Talent in jeder Note offenbart, will man gar nicht glauben, dass er erst so spät zur Musik fand. Erst nach seiner High-School-Zeit, als er an der Universität von South Carolina sein Studium mit Englisch im Hauptfach begann, schenkte ihm sein Stiefvater eine Gitarre. Der damals 18-jährige war sofort Feuer und Flamme. Innerhalb weniger Monate brachte er sich autodidaktisch das Spiel an den sechs Saiten bei und schon bald versuchte er sich auch an eigenen Songs. Nach dem Studium kehrte er nach Philly, in die fünfgrößte Stadt der USA, zurück und unterrichtete zunächst an einer Grundschule. Den Lehrerjob gab er jedoch bald auf, weil ihm eine Karriere als Musiker vorschwebte. Er trat in kleinen Bars und Folkclubs auf und veröffentlichte zwei EPs im Selbstverlag, mit denen er schnell zum Lokalmatador avancierte und – noch wesentlich wichtiger – Blue Note auf sich aufmerksam machte. Das renommierte Label veröffentlichte 2005 sein Debütalbum, das mit Musikern aus seinem Freundeskreis und dem Umfeld von Norah Jones eingespielt wurde. Mit Norah Jones ging Lee auch auf Europa- und Amerikatournee, darüber hinaus machte er den supporting act für berühmte Kollegen wie B.B. King und Mose Allison.

Heute nun steht Amos Lee selbst an der Schwelle zur weltweiten Popularität. War das Debütwerk ein erster Fingerzeig, so beweist der Nachwuchsmusiker nun mit seinem zweiten Album, dass er das Zeug zum globalen Starruhm hat. Mit “Supply And Demand” macht er dem Hörer ein unwiderstehliches Angebot, da wird die Nachfrage (sprich: der internationale Durchbruch) bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lassen.
September 2006

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