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Maren Bitting über Anna Netrebko

26.09.2003
Anna Netrebko- die “Jahrhundertstimme”- seit einiger Zeit ist der Name der jungen russischen Sopranistin in aller Munde. Eine große Karriere wird ihr prophezeit, so mancher Kritiker greift zum Vergleich mit Maria Callas. Alle schwärmen von ihrer Stimme und ihrer Bühnenpräsenz, nur wenige schaffen es, auf eine Anspielung auf ihr attraktives Äußeres zu verzichten. Sie haben auch schon von ihr gehört oder vielleicht sogar ihre CD gekauft?
Wir als Plattenfirma sind perplex: wochenlange Pop-Charts Platzierungen (das gelingt sonst fast nur etablierten Künstlern wie Anne-Sophie Mutter oder Cecilia Bartoli) und jetzt immer noch auf Platz 1 der Spiegel Klassik-Charts. Und das mit dem Debütalbum einer bis vor anderthalb Jahren in Deutschland noch fast gänzlich unbekannten Künstlerin – das hat es in der Klassikbranche seit Jahrzehnten nicht gegeben. Natürlich würden wir uns gern auf die Schulter klopfen für unsere einzigartige Marketing -und Promotion Kampagne. Aber so leicht ist es nicht. Anna Netrebkos Erfolgsgeheimnis ist sie selbst. Aber was macht ihren Erfolg aus?
 
Natürlich ihre einzigartige Stimme, ihr für die Bühne so wichtiges Schauspieltalent, ihr gutes Aussehen. Aber da ist mehr: Sie trifft einfach den Nerv der Zeit. Sie ist eine moderne junge Frau, die zwischen St. Petersburg und San Francisco hin- und her pendelt, mit einem italienischen Freund, aber einer trotz aller internationalen Erfolge unverbrüchlichen Treue zur russischen Heimstatt Mariinsky Theater. Sie setzt sich ab von anderen “braven”, unnahbaren Operndiven, sie ist ungekünstelt, spontan, provokativ, stellt Konventionen in Frage. Sie sagt, was sie denkt, nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie liebt den Konsum- und sie macht keinen Hehl daraus. Und sie sagt und lebt vor: “Das Leben ist schön – Kunst ist einfach.” Und das ist das simple Geheimnis, warum sie es spielend schafft, eine breite Zielgruppe anzusprechen, die von Industrie und Klassikfachhandel so vielgesuchten sogenannten “Sleeper” aufzuwecken und für die klassische Musik zu begeistern. Sie spricht die Menschen einfach, stark und emotional an, alles geht über das Gefühl. Sie will Kunst im Allgemeinen und ihre Kunst im Besonderen nicht intellektualisieren oder nur einem elitären Zirkel von Menschen zugänglich machen. Kunst soll Spaß machen. Und dass es ihr Spaß macht, merkt man in jeder Geste, in jedem Gespräch, bei jedem Auftritt.
 
Und Spaß macht es auch, eine solche Künstlerin mit ihrem Debütalbum zu vermarkten. Die Erwartungen waren hoch. Deutschland war weltweit der erste Markt, der ihr Album veröffentlichte, passend zu ihren Konzerten bei den Münchner Opernfestspielen im Juli 2003. Aber es passiert selten, dass alles so perfekt passt. Schon vor anderthalb Jahren, als Anna Netrebkos Salzburger Debüt 2002, dass ihr den internationalen Durchbruch bringen sollte, noch bevorstand, stellte die Deutsche Grammophon die junge Künstlerin vor. Das gab uns genug Zeit, schon Monate vor der Veröffentlichung zahlreiche deutsche Klassikfachhändler und Journalisten einzuladen, um ihnen Anna Netrebko persönlich vorzustellen. Und einen umfangreichen Marketingplan aufzustellen. Die Deutsche Grammophon hat ein wunderschönes Album produziert, sowohl inhaltlich als auch optisch. Und Anna Netrebko gab bereitwillig (manchmal mehr, manchmal weniger, wenn es einfach zu viel wurde) ein Interview nach dem anderen.. Ihre Münchner Konzerte wurden zu einem einzigen Triumph, noch stundenlang signierte Anna CDs für eine endlose Schlange von Fans. Wer will da noch von Klassikkrise reden? Manchmal ist es so einfach....
 
Maren Bitting, Product Manager Anna Netrebko

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