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Traumpaar in Aktion – Anna Netrebko und Rolando Villazon

13.08.2008
Natürlich musste Manon sterben. Das Fin de Siècle kannte kaum andere Auswege für die Femme fatale, die es sich herausnahm, Privilegien der Männerwelt wie die sexuelle Selbstbestimmung für sich zu beanspruchen. Da machte auch Jules Massenets Opernfigur keine Ausnahme, zumal sie auf einen Roman zurückgriff, der noch ein gutes Jahrhundert mehr auf dem Buckel hatte. Sieht man von dem für unsere heutige Sicht bigotten Moralismus der Jahrhundertwende an, so hat der französische Komponist aber ein musikalisches und dramatisches Feuerwerk geschaffen, das weit über seine Epoche hinaus zu begeistern versteht. Besonders wenn in den Hauptrollen das Traumpaar der gegenwärtigen Oper Anna Netrebko und Rolando Villazon zu bewundern ist.
Wirklich leicht hat es keiner. Manon beispielsweise soll ins Kloster gesteckt werden, auf Weisung der Familie, die mit der aufblühenden Schönheit im eigenen Haus nicht wirklich umgehen kann. Auf dem Weg in die Enthaltsamkeit kommt sie allerdings gleich mit mehreren verführerischen Alternativen in Kontakt. Sie trifft auf den Lebemann Guillot, der als Parade-Typ der spätbürgerlichen Männerwelt Wohlstand bei lauer Gefühlslage verspricht. Wenig später aber begegnet sie dem Studenten des Grieux, der zwar über weniger Geld, dafür aber über leicht und leidenschaftlich entflammbare Liebe verfügt. Mit ihm brennt sie durch, versucht ein auf der persönlichen Passion gegründetes Leben, das von den Verlockungen des Luxus gestört wird. Als schließlich die Familie wieder ins Spiel kommt und der Liaison aus Liebe durch die Entführung des Grieuxs vorläufig ein Ende macht, scheint Manon sich dem Leben à la Guillot zuzuwenden, vermögend und ein wenig lasterhaft, während der frühere Geliebte sich dem Priesterseminar widemt. Das nun wiederum ist aber auch keine Lösung und so finden die beiden wieder zueinander, nur um gleich darauf aufgrund von Manons Habgier getrennt zu werden, die des Grieux zum Glückspiel und beide Protagonisten letztlich zur Verhaftung treibt. Bei so viel Begehren darf dann das melodramatische Ende nicht fehlen. Manon, inzwischen in Gesellschaft der Huren zum Abtransport nach Le Havre bestimmt, stirbt in den Armen ihres Geliebten, dem es nicht gelingt, die Gefallene von ihrem Schicksal zu erretten.

Jules Massenets Oper entstand 1884 nach der Vorlage eines beliebten Romanes des Abbé Prévost aus dem 18.Jahrhundert im damals üblichen Bühnenstil des die Realität andeutenden Verismo. Sie ist aber bis heute ein rundum faszinierendes Werk, dessen betörende Musik und klare Figurencharakteristik auch die großen Häuser zu neuen Inszenierungen herausfordert. Im Frühling 2007 zum Beispiel machte Vincent Patersons hoch gelobte Umsetzung für die Los Angeles Opera in Berlin an der Staatsoper Unter den Linden Station, in den Hauptrollen Anna Netrebko als Manon und Rolando Villazón als des Grieux und am Pult des Orchesters Daniel Barenboim. Es wurde rundum ein Triumph. Die Zeitungen überschlugen sich mit lobenden Kritiken, das Publikum quittierte die Premiere mit zwanzig Minuten stehenden Ovationen. Das lag zum einen an den eindrucksvollen Bildern, die Manon in ein Milieu der 1950er Jahre versetzt hatten und sie überzeugend mit der Ikonographie großer Leinwanddiven von Audrey Hepburn bis Marilyn Monroe verknüpften. Es war aber vor allem auch ein Verdienst der Darsteller selbst, von Anna Netrebko, die eine “elektrisierende, charismatische Figur” bot (Opera) und Rolando Villazón, in dem die Berliner Morgenpost gar einen “singenden Wundermann” sah. Kombiniert mit Barenboims souveräner und spontaner Orchesterführung und einem rundum brillanten Ensemble, zum dem auch Christof Fischesser als Comte und Rémy Corazza als Guillot gehörten, konnte somit eine Aufführung entstehen, die nun auch in ihrer Fassung auf zwei DVDs den Glanz und die Kraft entfalten kann, der das Berliner Publikum schlicht von den Sitzen riss.

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