Anne-Sophie Mutter | News | Ein Fest für Brahms

Ein Fest für Brahms

Anne-Sophie Mutter & Lambert Orkis © Harald Hoffmann / DG
© Harald Hoffmann / DG
23.06.2010
Johannes Brahms war kein Geiger. Aber er hatte mit Joseph Joachim einen ausgezeichneten Berater, der als einer der größten Virtuosen des Instruments seiner Zeit galt. Und er war Perfektionist, darauf bedacht, ein Maximum an Ausdruck und Dramatik aus einer bestimmten Kombination zu destillieren. Die “Violinsonaten”, die zwischen 1878 und 1886 entstanden, waren dabei vielleicht noch deutlicher als andere seiner Werke beeinflusst von Ereignissen und Stimmungslagen, die Johannes Brahms im Zeitraum der Entstehung beschäftigten. “Für mich nimmt die G-Dur-Sonate eine ganz besondere Stellung ein”, erklärt Anne-Sophie Mutter, “weil sie vielleicht das privateste der drei Werke ist. Brahms hat dieser Sonate das Thema seines von Clara Schumann so geliebten ‘Regenlieds’ zugrunde gelegt, und dieses punktierte Thema zieht sich wie ein roter Faden durch alle drei Sätze. Clara hatte gerade ein Kind verloren, und ihr Sohn Felix hatte Tuberkulose. Es ging ihr also sehr schlecht, und Brahms schrieb diese Sonate, um sie zu trösten. Die A-Dur-Sonate, die acht Jahre später komponiert wurde, ist sehr viel sonniger. Da hatte Brahms ein Auge auf eine Sopranistin geworfen – und er war wieder einmal im Urlaub am Thuner See. Er hat furchtbar gerne im Urlaub komponiert, alle drei Sonaten entstanden so”.

Die neuen Aufnahmen der “Violinsonaten”, mit denen sich die Geigerin bereits zu Beginn ihrer Kariere einmal anhand einer Einspielung beschäftigt hatte, entstanden Ende 2009 im akustisch herausragenden Pollinger Bibliothekssaal, und zeigen zwei Koryphäen des Zusammenspiels, deren interpretatorische Kompetenz vom ersten Ton an bezaubert. “Wie haben diese Sonaten jetzt seit über zwanzig Jahren im Programm”, meint Anne-Sophie Mutter. “Meine Sichtweise von Brahms – wie von allem, was ich heute spiele – hat sich natürlich verändert. Mein Musikverständnis hat sich weiterentwickelt, wie auch überhaupt – ob man will oder nicht – das Leben seine Spuren hinterlässt, nicht nur mental, sondern auch im Herzen und in der Seele. Man wird reifer und bei den Brahms-Sonaten erlebe ich in unserer Interaktion sehr viel mehr Gespür für Details, für Klangfarben und für die dialogischen Verflechtungen”.

Da passt es auch, dass die Aufnahmen in einem hochkulturellen Rahmen wie dem Pollinger Bibliothekssaal entstanden. Zugleich musikalisch intim und spannungsgeladen wird Brahms von zwei Koryphäen präsentiert, deren harmonisches und symbiotisches Zusammenspiel den Werken in vorbildlicher Weise gerecht wird. Dazu kommt der Genuss, Mutter und Orkis bei der künstlerischen Arbeit aus nächster Nähe beobachten zu dürfen, sowohl beim konzertanten Aufführen als auch im Gespräch über die Besonderheiten der Werke. So bietet die DVD zur Musik selbst eine zusätzliche Dimension, die die Energie zwischen den beiden Instrumentalkoryphäen spürbar, sichtbar werden lässt. Denn auch das gehört zu einer herausragenden Interpretation: Die Fähigkeit, die besondere Kraft der Kompositionen für jeden Zuhörer im Saal und am Bildschirm nachvollziehbar und nachempfindbar werden zu lassen.

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