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Geigerin mit Netz: Anne-Sophie Mutters neues Album “Back to the Future”

14.02.2001
Wie packt man die Moderne beim Schopf und zieht strahlende Zukunft aus ihr? Anne-Sophie Mutter antwortet mit einem Blick zurück: “Back to the Future”.
Mit ihrem jüngsten, hochambitionierten Konzert- und CD-Projekt hat Anne-Sophie Mutter, Deutschlands gefeierteste, couragierteste Geigerin, jetzt zu Beginn des neuen Jahrtausends das Signal für eine Retrospektive der großen Violin-Literatur des 20. Jahrhunderts gesetzt. Eine bahnbrechende Bilanz, die Gegenwart wie Zukunft gleichermaßen aktiviert.
 
Pionierin zu sein, der Mitwelt mit Ideen und Taten vorauszustürmen, war der heute 36-Jährigen schon immer eine Genugtuung. Ihr grandioses Konzert- und CD-Defile sämtlicher Violinsonaten Beethovens war der aufsehenerregende Akt, mit dem sie im erschlafften Musikbetrieb der Neunzigerjahre mit künstlerischer Autorität ohnegleichen Wegmarken für die Zukunft setzte. Und nun im Jahr 2000 ein neuer Coup, radikaler noch als der weltweite Triumph der Beethoven-Edition. Mit “Back to the Future”, wie Anne-Sophie Mutter ihren Konzert-Zyklus und den begleitenden Vierer-Set ihrer CD-Einspielungen nennt, wirft diese Ausnahme-Geigerin das Netz so kühn wie bisher nie über die bedeutendsten Geigenwerke des 20. Jahrhunderts. Ein Fischzug von stimulierendem Wagemut, der symptomatisches Licht auf die Schlüsselwerke der Moderne wirft. Von der spätromantisch beseelten Aufbruchsstimmung eines Sibelius über den effektvollen Neoklassizismus Strawinskys sowie Bartóks und Bergs subtile Erkundungen im kompositorischen Neuland wiedergewonnener Folklore und neuentdeckter Zwölftönerei bis hin zu Lutoslawski, Penderecki und Rihm spannt sich der furiose Prospekt dieser Werk-Rückschau mit Zukunftsperspektive.
 
Anne-Sophie Mutter: “Für mich war es wichtig, die jüngste musikalische Vergangenheit quasi in die Zukunft zu katapultieren, um aufzuzeigen: Damit haben wir nicht nur bis heute gelebt, das wird auch Hauptbestandteil unserer Beschäftigung in den nächsten 40, 50 Jahren sein.” In ihr Credo schloss sie frohgemut auch Ravels Konzertrhapsodie “Tzigane” ein, die “die Feuerseele eines Komponisten” offenbart, der selbst nie Geige spielte. Und neben Bergs unendlich bewegender und vielschichtiger Totenklage auf die jung verstorbene Manon Gropius steht stolz Respighi, der “mit seiner brahms’schen, rhapsodischen Art, eine Sonate zu schreiben, einen Rückblick in eine romantische, parfümierte Landschaft” zeigt. Bei allem Willem zum objektivierbar Maßstäblichen also ein befreiendes Bekenntnis zur Subjektivität und ein Bekenntnis zudem zur genuinen Natur und Brillanz ihres Instruments. “Für mich ist Musik mehr als eine Aneinanderreihung von Geräuschen. All die Geräusche, die man mit einer Geige sonst noch produzieren kann, all das, was völlig artfremd ist, reizt mich als Geigerin nicht”, hat sie erst kürzlich in einem Interview gesagt. “Das mag spannend in sich sein, hat für mich aber zu wenig Emotionalität, zu wenig Geschichte.”
 
Nicht ohne Grund ließ sich ein Wolfgang Rihm für die ihr gewidmete “Gesungene Zeit” von der Wärme und Sanglichkeit ihres Tons inspirieren. Und auch die Herren Lutoslawski und Penderecki erwiesen mit “Partita”, “Chain II” und dem zweiten Violinkonzert der geigerischen “Sangeskunst” und Emotionalität der Widmungsträgerin eindringliche Reverenz. Die CD-Aufnahmen nicht nur dieser Werke brachten ihr denn auch höchste internationale Auszeichnungen ein.
 
Penderecki schrieb Anne-Sophie Mutter für “Back to the Future” sogar ein brandneues Werk auf den Leib, die Sonate für Violine und Klavier, deren Uraufführung zum Start der Konzert-Tour in London am 28. April zu einem ersten Highlight wird. Je drei Orchesterkonzerte und zwei Recitals mit Kurt Masur und dem London Symphony Orchestra sowie Lambert Orkis und dem jungen Cellisten Daniel Müller-Schott als Partnern werden nach London dann in Frankfurt (10.−14. Mai) und Stuttgart (16.−22. Mai) für Aufsehen sorgen.
 
Für Crumbs “Four Nocturnes” wird Anne-Sophie Mutter dabei auch kräftig aufs Holz klopfen, während der Pianist wie ein Bergsteiger übers Instrument klettert und die Saiten zupft. Gewitzte Aktionen für diese Zeitreise in eine Moderne, die noch lange nicht zuende ist.

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