Arvo Pärt | News | Gottes Stimmen

Gottes Stimmen

06.12.2002
Es ist eines der großen Geheimnisse von Komponisten, wie sie Spiritualität musikalisch umsetzen. Arvo Pärt zum Beispiel gehört zu den Neo-Mystiken der klassischen Moderne. Auch wenn er selbst allen Weihrauch von sich weist, so sprechen seine Werke doch eine deutliche Sprache. Denn sie zeugen von einer inneren Kraft und gestalterischen Tiefe, wie sie nur wenigen komponierenden Zeitgenossen sonst gelingt.
Die Funktionäre der damaligen Sowjetunion wussten nicht recht, wie sie mit Arvo Pärt (*1935, Paide/Estland) umgehen sollten. Sein “Nekrolog op.5 für Orchester” (1960) für die Opfer des Faschismus konnte man als serielle Komposition nicht in die allgemeine Parteilinie einpassen. Sein nur kurz darauf entstandenes “Meie Aed” für Kinderchor und Orchester (1962) hingegen errang den ersten Preis bei Allunions-Wettbewerb für junge Komponisten in Moskau. Als sich wiederum die politischen Führung langsam an avantgardistische Töne gewöhnt hatte, präsentierte Pärt mit “Modus” (1976) wiederum ein radikal auf harmonische Einfachheit reduziertes Vokalwerk, dessen spiritueller Gehalt den Kulturschergen suspekt war. Überhaupt passte der stille Este in kein Konzept. Anno 1963 beendete er sein Studium am Konservatorium, von 1958–67 arbeitete er als Tonmeister bei estnischen Rundfunk, danach schlug er sich als freischaffender Komponist durch. Er präsentierte religiös durchdrungene Klangmeditationen, beschäftigte sich mit mittelalterlicher Musik, und wollte so recht nirgendwo hineinpassen. Im Jahr 1981 zog er daher über Israel und Wien um nach West-Berlin, arbeitete konsequent weiter an seinem musikalischen Kosmos der Reduktion der Komplexität auf zentrale musikalische Aussagen.
Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Pärt auch von Publikum und Kritik entdeckt wurde. Mit dem programmatischen “Tabula Rasa” (1977) führte er sich als Asket in die Neue Musik ein und mit zahlreichen weiteten Kompositionen festigte er seinen Ruf als sorgfältiger Gestalter klingender Spiritualität. Für das 1984–86 entstandene “Te Deum” bekam er den musikalischen Jahrespreis Estlands (1989) und im Januar 1993 reiste er im Auftrag von ECM in die finnische Lohjan Kirkko, um das Opus mit dem Estonian Philharmonic Chamber Choir und dem Talinn Chamber Orchestra unter der Leitung von Tonu Kaljuste und drei weiteren, später entstanden Vokalwerken (“Silouans Song”, “Magnificat”, “Berliner Messe”) für ECM New Series zu archivieren. Es wurde ein besonderer Moment magischer Stärke. Denn die Atmosphäre und Akustik des ehrwürdigen Kirchenraumes verband sich mit den nachdenklich dunklen Klängen seiner Kompositionen zum bewegenden Augenblick sinnstiftender Tiefe. Die uralten liturgischen Worte des “Te Deums” entwickelten über Pärt eine Deutlichkeit und Klarheit, wie sie nur selten in der Gegenwartsmusik gelingt. “Das Te Deum ist nicht nur das beste Werk dieser Aufnahme, es ist das eindrucksvollste überhaupt, das ich von Pärt kenne. Es ist, als öffne sich der Himmel, wenn zu Beginn diese Klänge aus der Unhörbarkeit aufsteigen”, schwärmte ehrfürchtig der Rezensent der “Neuen Zeitschrift für Musik” und konnte damit doch nur einen kleinen Teil von Pärts faszinierender Musikwelt erfassen.
Die Referenz:
 
“Das Te Deum ist nicht nur das beste Werk dieser Aufnahme, es ist das eindrucksvollste überhaupt, das ich von Pärt kenne. Es ist als öffne sich der Himmel, wenn zu Beginn diese Klänge aus der Unhörbarkeit aufsteigen…” (Klaus Miehling, Neue Zeitschrift für Musik)
 

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