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Brazilian Girls – Lazy Lover (EP)

08.10.2004
Brazilian Girls ist ein neues Quartett aus New York, das seinen Bandnamen gleich in dreifacher Hinsicht ad absurdum führt. Denn zunächst einmal ist nur eines dieser “brasilianischen Mädchen” überhaupt weiblich. Außerdem stammt kein einziges der vier Bandmitglieder aus Brasilien. Und schließlich wird hier zwar munter in fünf Sprachen gesungen, aber ausgerechnet in der portugiesischen Sprache Brasiliens gibt es keinen einzigen Song.
Hinter Brazilian Girls stecken die italienisch-deutsche Sängerin Sabina Sciubba, der argentinische Keyboarder Didi Gutman sowie mit Bassist Jesse Murphy und Schlagzeuger Aaron Johnston zwei nordamerikanische Musiker. Bevor diese vier als Brazilian Girls zu einander fanden, arbeiteten sie u.a an der Seite von Roy Ayers, Norah Jones, Bebel Gilberto, John Scofield, Matthew Garrison, Lil' Louie Vega, Masters At Work und Wax Poetic.
 
Für die polyglotte Ausrichtung der Band ist vor allem Sängerin Sabina Sciubba verantwortlich. In Rom geboren, in München und Nizza aufgewachsen und nun in Brooklyn lebend, singt sie nach Belieben in Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch oder Deutsch. Ihre Stimme kennt mancher vielleicht schon von den beiden Soloalben des Bassisten Matthew Garrison (“Matthew Garrison”/2001 und “Shapeshifter”/2004) oder von Wax Poetics “Nublu Sessions” (2003). 2002 veröffentlichte sie gemeinsam mit dem italienischen Gitarristen Antonio Forcione, der von manchen als der “Jimi Hendrix der Akustikgitarre” bezeichnet wird, das jazzig-folkige Duo-Album “Meet Me In London”, das glänzende Kritiken erhielt. Verblüffend ist neben der Sprachgewandheit auch, wie Sabina Sciubba ihre stimmliche Persönlichkeit zu ändern versteht und mal mädchenhaft kokett, dann wieder kühl, reif und abgeklärt oder auch vampmäßig sexy herüberkommt.
 
Der aus Buenos Aires stammende Didi Gutman ist derzeit Keyboarder, Produzent, Arrangeur und musikalischer Leiter der Band von Bebel Gilberto, hat aber auch schon mit Roy Ayers, Lil' Louie Vega, den Masters At Work (auf dem kürzlich erschienenen Album “Masters At Work Present Latin Verve Sounds”) sowie vielen lateinamerikanischen Popstars wie El General, Thalia, Paulina Rubio und Alejandra Guzman zusammengearbeitet. Als einer der besten Musiker und Produzenten der jüngeren argentinischen Generation gehört Gutman auch dem Kollektiv an, das auf dem letztes Jahr herausgekommenen Album “Bajafondo Tango Club” in einzigartiger Weise die traditionellen Klänge des Tango mit House, Trance, Trip-Hop, Dub und Drum’n'Bass vermischte. Außerdem hat Didi Gutman in New York eine eigene Band namens Me And The Other Guy, die regelmäßig in Downtown-Szenelokalen auftritt und gerade ihr erstes Album “In The Madness” fertiggestellt hat.
 
Bassist Jesse Murphy ist in Jazzkreisen vor allem durch die “überjam”-Sessions mit John Scofield bekannt. In seiner Diskographie kann er darüber hinaus auch auf gemeinsame Aufnahmen mit den Saxophonisten John Zorn, Karl Denson und Seamus Blake verweisen. Schlagzeuger Aaron Johnston wiederum spielte schon des öfteren mit New Age-Musikern wie Mike Marshall und Darol Anger, aber auch mit dem Bluesgrass-Star Tony Furtado, Steel-Drummer Andy Narell, Omar Sosa, Pete Escovedo und Harry Belafonte. Mit seinem eigenen Trio hat er bislang drei Free Jazz-Alben aufgenommen. Als fünfter Mann wirkt im Hintergrund der Brazilian Girls als Toningenieur und Koproduzent noch Hector Castillo, der seit vier Jahren intensiv mit dem amerikanischen Minimal-Künstler Philip Glass kooperiert.
 
Die vier Bandmitglieder von Brazilian Girl lernten sich 2003 bei einer Jamsession im Nublu kennen, einem Club in Downtown New York. Seitdem treten sie dort wöchentlich auf, wenn sie in der Stadt sind. Und bei den Nublu-Sessions entstanden im Prinzip auch all die Songs ihres ersten Albums.
 
Angesichts der sehr unterschiedlichen musikalischen Lebensläufe und Backgrounds der Bandmitglieder ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Brazilian Girls Eklektizismus großschreiben und sich stilistisch in keine Schublade einordnen lassen. Überraschend ist, daß das Ergebnis trotz der wilden Stil(mittel)mischung unglaublich homogen klingt und ungeachtet der mitunter recht avantgardistischen Untertöne (bis hin zur Atonalität) zweifellos Popmusik ist. Und zwar eine Popmusik, die ebenso intelligent wie eingängig ist.
 
Bevor Anfang kommenden Jahres das Debütalbum der Brazilian Girls erscheint, gibt es erst einmal die EP “Lazy Lover”, auf der sich neben den drei Album-Tracks “Lazy Lover”, “Sirènes de la fête” und “Pussy” auch noch ein “Lazy Lover”-Remix von Matthew Herbert befindet.

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