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Des Pudels Kern – Bryn Terfel und die Bösewichte

Bryn Terfel with Orchestra © Mat Hennek
14.04.2010
Abgründe tun sich auf. Finstere Kammern öffnen sich im Labyrinth der Kunst, wenn Figuren wie Scarpia oder Mefistofele, Don Giovanni oder Jago die Bühne betreten. Aber genau das fasziniert das Publikum ebenso wie die Komponisten und natürlich auch die Interpreten, die die Aufgabe haben, zwischen den Fronten des Schönen, Wahren, Guten und des Tabubruchs zu vermitteln. So hat es dem walisischen Bass-Bariton Bryn Terfel einen teuflischen Spaß gemacht, das Programm für sein Arienalbum „Bad Boys“ zusammenzustellen, ein klingendes Panoptikum musikalischer Schwerenöter und Finsterlinge von Wolfgang Amadeus Mozart bis Stephen Sondheim.

Eines der ungeschriebenen Gesetze der Oper lautet: Der strahlende Held ist der Tenor. Tatsächlich sind die brillantesten männlichen Partien über die Jahrhunderte hinweg zumeist den mittleren bis hohen Stimmlagen zugeschrieben worden, aus kulturgeschichtlichen, aber auch archaisch psychologischen Gründen. Denn die tiefen Frequenzen wurden als Ehrfurcht einflößend und oft auch bedrohlich empfunden. In ihnen manifestierte sich der Donner und das Knurren wilder Tiere, sie waren der Soundtrack von Macht, Gefahr, Zerstörung. Da wundert es wenig, dass auch die Komponisten großer Opern sich gerne dieser Verknüpfung von kultureller Gewohnheit und intuitiver Empfindung bedienten, um einer Rolle von Vornherein einen vielschichtigen, womöglich zwielichtigen Charakter zu verleihen.

Das heißt nicht, dass alle Bässe böse sind. Aber es sind doch einige, die diesem Muster gefolgt sind. Für die Sänger ist das nicht nur von Nachteil, denn genau genommen sind ihre Partien mindestens so reizvoll, wenn nicht gar spannender als die der Prinzen, Retter und Helden. „Ein Held muss immer ein Held sein, er darf keine Fehler machen“, meint dazu der Schauspieler Christopher Lee, der zeit seines Berufslebens Schurken darstellte und darüber hinaus ein großer Opernfan ist. „Ein Bösewicht darf charmant, ironisch, verschlagen, eifersüchtig oder süffisant sein. Er darf seine Bosheit verschleiern, bis sie irgendwann doch zum Vorschein kommt. Dadurch werden diese Figuren zu schillernden Charakteren, die uns trotz ihrer Bosheit faszinieren“.

Und mit Blick auf Bryn Terfel, mit dem er seit langem befreundet ist, meint Christopher Lee: „Bryn Terfel ist in komödiantischen Rollen ebenso gut wie in dramatischen. Er ist deshalb so überzeugend, weil er seine Figuren wirklich lebt“. Im Fall von „Bad Boys“, dem ersten reinen Arien-Album seit dem hoch gelobten Programm „Opera Arias“ (1996) mit dem Orchester der Met unter der Ägide von James Levine, bedeutet das für den walisischen Bass-Bariton, sehr viele verschiedene Spielarten des Sinistren zu verkörpern. Denn das Album, das er gemeinsam mit dem von Paul Daniel geleiteten Swedish Radio Symphony Orchestra und Gästen wie der Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter verwirklich hat, sollte einen möglichst weiten Bogen spannen.

„Unabhängig davon, wie dramatisch oder böse eine Partie ist, und egal, wie oft man auf der Bühne stirbt, muss man sie doch unterhaltend gestalten“, meint Terfel und erklärt damit, warum ein Mackie Messer aus der Weill’schen „Dreigroschenoper“ und ein Sportin' Life aus Gershwins „Porgy And Bess“ ebenso zum Reigen der bösen Buben gehört wie der Teufel persönlich in Gounods „Faust“ und Boitos „Mefistofele“, der fiese Intrigant Jago aus Verdis „Otello“, der falsche Freund Kaspar aus Webers „Der Freischütz“ oder auch der abgründige Polizeichef Scarpia aus Puccinis „Tosca“. In einem Fall allerdings hat Bryn Terfel sich nicht entscheiden wollen, welche Partie letztlich die spannendere ist und daher drei Figuren, die er alle bereits auf der Bühne verkörpert hat, allein in einem Ensemble verkörpert. Denn in Mozarts Finale des 2. Aktes aus „Don Giovanni“  „Don Giovanni, a cenar teco m’invitasti“ singt er sowohl die Rolle des Commendatore als auch die des Leporello und Don Giovanni höchstpersönlich. Ein „plattentechnischer“ Spaß, gewiß. Aber auch: eine Stimme verkörpert drei Facetten des Tabubruchs: das Böse selbst, die Rache und die Reflexion über die Grenzen menschlichen Handelns. Das ist ein Experiment und zugleich ein Höhepunkt eines Albums, welches die große Kunst des Hintergründigen zelebriert.

Im Herbst geht Bryn Terfel mit seinem „Bad Boys“-Programm auf Tournee und macht in folgenden Städten Station:
  • 03.11.2010 Hannover (tba.)
  • 05.11.2010 Paris, Salle Pleyel
  • 07.11.2010 München (Deutschland), Philharmonie im Gasteig
  • 09.11.2010 Wien (Österreich), Konzerthaus
  • 12.11.2010 Baden-Baden (Deutschland), Festspielhaus Baden-Baden
  • 13.11.2010 Hamburg (Deutschland), Laeiszhalle

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