Bugge Wesseltoft | News | Jazzland Community - Live

Jazzland Community – Live

23.05.2007
1996 hob Bugge Wesseltoft Jazzland Recordings aus der Taufe, um auf diesem Label Aufnahmen seines Projekts New Conception Of Jazz zu veröffentlichen, an denen er zuvor drei Jahre gearbeitet hatte. Was er damals nicht ahnen konnte, war, daß das gleichnamige erste Album des Projekts im europäischen Jazzuntergrund zu einem Verkaufsschlager avancieren und die Initialzündung für die Entdeckung des sogenannten norwegischen Nu-Jazz geben würde. Und auch daß Jazzland Recordings schon bald zu einem der bedeutendsten unabhängigen Jazzlabels Europas aufsteigen sollte, hätte er sich seinerzeit in seinen kühnsten Träumen kaum vorstellen können.
Tatsache ist, daß er bei dem Label mittlerweile einige der aufregendsten Künstler der zeitgenössischen norwegischen Jazz- und Electronicaszene unter Vertrag hat.Als das Jahr 2006 und somit das 10jährige Bestehen des Labels vor der Tür stand, wollte Bugge Wesseltoft verständlicherweise etwas Besonderes unternehmen, um das Jubliäum angemessen zu begehen. Aber was? Wie es für Bugge typisch ist, war er nicht sonderlich daran interessiert, die Vergangenheit zu feiern.

Auch wenn das Label in den ersten zehn Jahren Erstaunliches erreicht hatte. Stattdessen wollte er lieber die Gegenwart feiern. So kam er also auf die Idee, einige der wichtigsten Jazzland-Künstler auf eine gemeinsame Tournee mitzunehmen. Dem Projekt gab er den Namen Jazzland Community. Ihm schwebte vor, dem Publikum einen Vorgeschmack von dem zu bieten, was das Label im Hier und Jetzt produziert. Um es etwas genauer zu sagen: Bugge wollte dem norwegischen Publikum zeigen, in welche Richtung sich sein Label entwickelte. Denn während die Jazzland-Künstler dank der Kooperation mit dem Multi Universal Music in der ganzen Welt immer mehr Anhänger gewannen, waren sie in ihrer Heimat bei weitem nicht so oft aufgetreten, wie sie es gerne getan hätten.
 
“Ich wollte eigentlich nur ein paar Konzerte in Norwegen geben”, erinnert sich Bugge." Am Ende waren daraus dann 20 bis 25 Konzerte geworden, was natürlich großartig war. Die Tour verlief wirklich gut, wir fühlten uns wohl und jeder bekam eine Chance, sein eigenes Ding zu machen. Und auch die Sachen, die wir am Ende jedes Konzerts spielten [wenn alle zu einer Jamsession auf die Bühne kamen], klangen wirklich gut." Der Erfolg der Konzerte war so überwältigend und das Feedback so positiv, daß beschlossen wurde, das Jazzland-Community-Projekt nach dieser Tournee fortzuführen. Schnell kam man überein, öfter zusammen auf Tournee zu gehen.
 
Das Material für die CD “Jazzland Community: Live” wurde auf einer späteren Europa-Tournee im selben Jahr mitgeschnitten. Der Großteil der auf dieser CD befindlichen Aufnahmen entstand dabei in der Hamburger Fabrik. “Die Tour verlief wirklich gut, überall hatten wir ein tolles Publikum, das sich wirklich auf unsere Musik einließ. Deshalb entschieden wir, ein Live-Album zu machen”, erzählt Bugge. “Das Album gibt ziemlich genau wieder, wie die Konzerte abliefen. Den Anfang machte ich immer mit einer Solo-Performance – seit ich mein Projekt New Conception Of Jazz aufgelöst habe, spiele ich immer häufiger solo. Ich arbeite derzeit auch an einem Soloalbum. Aber zurück zu dem Live-Album: Ich fange einfach an zu spielen und versuche so viel wie möglich zu improvisieren, alles aus dem Stegreif zu machen. Danach ist Eivind Aarset an der Reihe und spielt Musik von seinen drei Alben. Er klingt wirklich großartig, finde ich, aber das tut er ja immer.” Nach einer faszinierenden Version von “Electromagnetic” (einem Stück aus Aarsets letztem Album “Connected”) gesellt sich zu der Band (mit Aarset an der Gitarre, Marius Reksjø am Baß und Wetle Holte am Schlagzeug) der Tenorsaxophonist Håkon Kornstad auf die Bühne. Gemeinsam haucht das Quartett dem Aarset-Original “Connectic” (ebenfalls von “Connected”) neues vibrierendes Leben ein. Im Anschluß daran bietet Håkon Kornstad eine brillante Solo-Interpretation von “Runup”. “Von ihm wird noch dieses Jahr ein neues Soloalbum erscheinen”, kündigt Bugge an. “Er ist schlicht ein fantastischer Saxophonist. Nach ihm hat Sidsel Endresen ihren Soloauftritt. Ich bin wirklich glücklich, daß sie sich dem Projekt angeschlossen hat. Die Solodarbietungen von ihr und Håkon haben eigentlich jede Nacht den wildesten Applaus geerntet, weil beide einfach atemberaubende und charismatische Künstler sind. Sidsel Endresen ist mit ‘Slow Song’ zu hören, einem Stück ihres Soloprogramms. Danach begleiten wir sie bei ‘Western Wind’, einem etwas älteren Titel von dem Album ‘Undertow’. Gegen Ende des Albums rücken wir schließlich die Rhythmusgruppe etwas mehr ins Rampenlicht. Wir improvisieren ein bißchen und rocken allesamt los! Das macht einfach Spaß und ist total cool! Wir haben uns bei den Auftritten einfach prima gefühlt und darum werden wir auch weitermachen und andere Städte besuchen, um dort die Musik des Jazzland-Labels zu präsentieren.”
 
“Jazzland Community: Live” ist ein wirklich hervorragend konzipiertes Jubiläumsalbum, da es Künstler präsentiert, die sowohl die Vergangenheit des Labels entscheidend geprägt haben als auch die Gegenwart und Zukunft mitbestimmen. In den zehn Jahren, die dieses Label nun existiert, hat sich die norwegische Jazzszene als eines der Zentren der Innovation und des Erfindungsreichtums etabliert. So sehr, daß Richard Williams, Jazzkritiker der angesehenen britischen Tageszeitung The Guardian, 2005 der Meinung war, Oslo habe als “neue Hauptstadt des Jazz” sogar New Orleans, Chicago und New York den Rang abgelaufen. Das Jazzland-Label hatte in Sachen Kreativität immer schon die Nase vorn und reagierte schneller als andere Labels auf die rapiden Veränderungen in der Musikszene. Der Flirt des Jazz mit elektronischer Musik wurde wohl nirgends konsequenter, aufregender, harmonischer und abwechslungsreicher zelebriert, als auf einigen der Alben, die auf Bugge Wesseltofts Label erschienen.

“Anfangs wollte ich, daß Jazzland ein Label für eine Mixtur aus akustischer und elektronischer Musik mit Beats sei, doch das änderte sich irgendwann. Ich denke aber, daß dies eine natürliche Entwicklung ist, und ich bin darüber wirklich froh”, sinniert Bugge. “Die norwegische Szene hat sich verändert, und mit ihr haben auch wir uns verändert. Das ist die Stärke der norwegischen Jazzszene – neue Generationen mit neuen Ideen bringen sie voran.” Es scheint, als ob die norwegischen Künstler nicht darauf aus sind andere zu kopieren, sondern lieber einen eigenen Weg finden wollen. “In Norwegen haben wir eine Menge großartiger Musik und wir können natürlich nicht die ganze Bandbreite abdecken. Aber ich hatte das Glück, Leute, die ich für wirklich talentiert halte, an Bord holen und gemeinsam mit ihnen ihre Talente entwickeln zu können. Geholfen hat uns allerdings auch die generelle Erstarkung des europäischen Jazz und die mediale Fokussierung auf ihn, die in den letzten rund zehn Jahren stattfand. Ich stelle das überall fest: eine Menge europäischer Festivals präsentieren mittlerweile europäische Künstler als Top-Acts. Das erfüllt mich mit einem gewissen Stolz. Ich glaube, daß jeder spürt, daß wir heute stolzer auf unsere eigene Musik sind. Der europäische Jazz stand lange im Schatten der amerikanischen Helden. Aber jetzt ist er aus diesem Schatten herausgetreten, und ich denke, daß Jazzland bei dieser Entwicklung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.”

Weitere Informationen zum Jazzland Summercamp 2007 in Berlin, zum Label, den Künstlern und Bugge Wesseltoft, finden Sie auf der Jazzland Website bei JazzEcho.

Weitere Musik von Bugge Wesseltoft