Cecilia Bartoli | News | Die Spur der Diva

Die Spur der Diva

29.08.2007
Cecilia Bartoli gibt sich ungern mit dem zufrieden, was bereits offensichtlich zur Verfügung steht. Denn viel zu viele Meisterwerke, viel zu viele Künstler wurden über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg zu Unrecht vergessen. Deshalb hat die römische Mezzo-Sopranistin beispielsweise Alben mit Arien von Antonio Salieri und Christoph Willibald Gluck aufgenommen. Und deshalb widmet sie sich nun Maria Malibran, der ersten wirklichen Diva der Operngeschichte. Für Cecilia Bartoli liegt diese Entscheidung nahe – doch wer war diese Maria Malibran, um die in der Musikgeschichte sich wundersame Anekdoten ranken?
Für die einen war sie eine Muse, eine Inspiration, der Gipfel der vokalen Ausdruckskraft, für die anderen der Vorläufer eines neuen, selbstbewussten Frauentyps, den die in die Romantik mündenden Aufklärung hervorbrachte. So oder so schaffte es Maria Malibran, ihre Zeitgenossen zu beeindrucken. So meinte Gioachino Rossini, einer ihrer Förderer und Bewunderer voller Begeisterung: “Ach! Das wunderbare Geschöpf! Sie übertraf alle ihre Konkurrentinnen durch ihre wirklich überwältigende musikalische Begabung und alle Frauen, die mir begegnet sind, durch ihrer geistige Überlegenheit, ihr breitgefächertes Wissen und ein rasantes Temperament, von dem man sich nicht die geringste Vorstellung machen kann”. Talent jedenfalls hatte sie in die Wiege gelegt bekommen. Am 8. März 1808 wurde Maria Felicia Garcia in Paris geboren. Ihr Vater war der andalusische Tenor Manuel del Pópolo Vincente Garcia, ihre Mutter die Sopranistin Joaquina Sitches Briones. Und damit war klar, was für ein Leben das Mädel führen würde. Seit ihrem vierten Lebensjahr zieht sie mit der Familie von Opernhaus zu Opernhaus, mit acht begleitet sie ihren Vater nach Rom, der dort den Almaviva in der Uraufführung von Rossinis “Il Barbiere di Siviglia” singt. Und bald darauf erlebt man die junge Frau selbst auf der Bühne. Ihr Debüt feiert sie 1825 in London, um kurz darauf sich allerdings mit der Familie nach Amerika einzuschiffen.
 
Die neue Welt bringt Premieren wie die des “Barbiere” in New York. In der amerikanischen Erstaufführung von Mozarts “Don Giovanni” singt sie die Zerlina. Und Amerika bringt einen neuen Namen. Im Jahr 1826 heiratet Maria Garcia den 28 Jahre älteren Kaufmann Eugène Malibran, eine Verbindung, die sich alsbald als ein Reinfall herausstellt und vor der die Künstlerin zurück nach Europa flieht. In Paris entwickelt sie sich schnell zu einem Bühnenstar und Liebling der Soiréen. Man trifft sie bei George Sand, sieht sie in Begleitung von Paganini, Moscheles, du Musset. Man liest von ihr und vor allem, man kann sie auf der Bühne erleben, in Paris, London, Mailand, Rom. Sie brilliert in Rollen Rossinis, Donizettis und Bellinis, dessen Partien in “Sonnambula” oder “Norma” ihr auf den Leib geschrieben zu sein scheinen.
 
Eine Amoure mit dem belgischen Geiger Charles de Bériot erweist sich als große Liebe, zu der sie trotz der noch nicht gelösten Ehe mit Eugène Malibran in der Öffentlichkeit steht, was ihr allerdings das Missfalls des bigotten Bürgertums einbrockt. Sie gilt als Exzentrikerin, reiten in Frauenkleidern durchs Land, ist hochgebildet und weiß genau sich in Szene zu setzen. Während ihres letzten Auftritts in Manschester beispielsweise empört sie sich derart, als sich ihrer Konkurrentin auf der Bühne, um besser zu wirken, nicht an die vorherigen Abmachungen hält, dass sie dem Dirigenten zuraunt: “Ich muss sie übertreffen, auch wenn mich das umbringt! Ich mache sie fertig!”. Stolz geht sie auf die Bühne, gibt ihr Bestes – und fällt effektvoll in Ohnmacht. Mit anderen Worten: Maria Malibran ist eine Künstlerin wie aus dem Lehrbuch des romantischen Genietypus, hysterisch und exaltiert, zugleich unvergleichlich in ihrem Können und ihrer Aura.
 
Und dementsprechend eindrucksvoll und ungewöhnlich ist auch ihr früher Tod. Kurz nach der Annulation der alten Ehe 1836, in dem Moment, als ihrem persönlichen Glück nichts mehr im Wege zu stehen scheint, wird Maria Malibran in London in einen Reitunfall verwickelt, an dessen Folgen sie wenige Monate später im Alter von nur 28 Jahren stirbt. Die erste wirkliche Diva der Operngeschichte verabschiedet sich von der Weltbühne und der Mythos beginnt, ins Sagenhafte zu wachsen. Bei ihrer Beerdigung in Manchester säumen mehr als 50 000 Verehrer den Weg des Trauerzuges, eine für damalige Verhältnisse unvorstellbar große Menschenmenge und mehr als manchem König als letztes Geleit zur Seite stehen. (Fortsetzung folgt)

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