Charles Lloyd | News | Which Way Is East?

Which Way Is East?

19.03.2004
“Which Way Is East?” ist nicht nur ein bewegendes Testament der lebenslangen Freundschaft zwischen Charles Lloyd und Billy Higgins, sondern vielleicht auch noch die verblüffendste und ungewöhnlichste Einspielung in Charles Lloyds an originellen Aufnahmen nun wirklich nicht gerade armen Diskographie.
Die Aufnahmen dieses Doppelalbums wurden im Januar 2001 bei Charles Lloyd zuhause mitgeschnitten, nur vier Monate vor dem Tod seines Freundes und langjährigen musikalischen Partners Billy Higgins. Weil dabei eine schon etwas in die Jahre gekommene analoge Tontechnik verwendet wurde, klingen die Aufnahmen sehr warm und haben einen etwas informellen Charakter. Die mitgeschnittenen Sessions dokumentieren einen inspirierten, weitestgehend improvisierten Austausch der beiden Musiker, einen spannenden Dialog zwischen gleichwertigen Partnern, die musikalisch und privaat ungeheuer viel gemein hatten. Befreit von jeglichen Zwängen und Konzepten, konnten sie im kreativen Kokon der Privatsphäre experimentierfreudig Ideen ausloten, wie sie es vor Publikum oder in einem professionellen Tonstudio wohl nie getan hätten.
 
Die mit Tenorsaxophon und Schlagzeug eingespielten Duette dieser beiden CDs erinnern zwangsläufig an die historischen Aufnahmen von John Coltrane und Rashied Ali. Aber Charles Lloyd und Billy Higgins beschränkten sich keineswegs darauf, ihre Dialoge nur mit ihren eigentlichen Instrumenten einzuspielen.
 
Lloyd griff hier nach langer Zeit mal wieder zum Altsaxophon, was er seit den frühen 60er Jahren, als er noch in der Band des Schlagzeugers Chico Hamilton spielte, kaum einmal öffentlich getan hat. Darüber hinaus kann man den Saxophonisten auf dieser CD auch noch als Pianisten, Perkussionisten und Sänger sowie auf diversen Flöten, mit einer tibetanischen Oboe und dem ungarischen Holzblasinstrument Tarogato hören.
 
Billy Higgins wiederum vertauschte sein Schlagzeug bisweilen gegen Gitarre, diverse Handtrommeln und Perkussionsinstrumente sowie eine dreisaitige nordafrikanische Baßlaute namens Guimbri aus. Auch als sprachgewandter Sänger profilierte sich der weltgewandte Schlagzeuger, der im Laufe seiner Karriere mit Größen wie John Coltrane, Thelonious Monk, Sonny Rollins, Cecil Taylor, Art Pepper, Lee Morgan, Zoot Sims, Dexter Gordon, Jackie McLean, Wayne Shorter, Joe Henderson, Hank Jones, Randy Weston und Dollar Brand zusammengespielt hat.
 
So vielfältig wie das Instrumentarium, so vielgestaltig ist auch die Musik selbst: Mal meint man fernöstliche Tempelklänge zu erkennen, dann afrikanische Chants oder einen handfesten, erdrutschigen Blues. Die Tatsache, daß man hier zwei Meistermusikern sozusagen während des Schaffensprozesses über die Schulter lauscht, ist nur die eine Seite. Viel ergreifender ist das unbeschreibliche Gefühl Klang gewordener Freundschaft. “We’re singing songs of the spirit”, hatte Billy Higgins während der Aufnahmesessions von sich gegeben. Besser hätte man es nicht sagen können.
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