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Gut geflüstert, Löwe!

Charlie Haden
© by Steven Perilloux
06.12.2010
Mit einem neuen Album und einem singenden All-Star-Team feiert das Charlie Haden Quartet West sein 25-jähriges Jubiläum.

Text: Jörg Eipasch | Foto: Steven Perilloux

Vom Albumcover blickt eine geheimnisvolle Schönheit, die auch einem Film noir der 40er Jahre entstiegen sein könnte. Sie steht stellvertretend für sechs Sängerinnen, die Charlie Haden zur Jubiläumsfeier seines Quartet West einlud, einer grandiosen Melange aus Vocals und Instrumentals, mal melancholisch, mal swingend, immer so klassisch-stilvoll wie die Coverdame.

Der Albumeinstieg geht an Melody Gardot, die sich erst vor kurzem mit ihrem zweiten Album an die Spitze der neuen Jazz-Pop-Diven katapultiert hat. Sie haucht die alte Ballade „If I’m Lucky“ mit großer Verletzlichkeit und gestalterischer Schönheit. Genauso perfekt wie die Gardot schmiegen sich auch drei schon länger zu den Großen des Business zählende Sängerinnen, Diana Krall, Norah Jones und Cassandra Wilson, in die verzauberte Klangwelt des Quartet West. So verinnerlicht und minimalistisch hat man diese Damen selten gehört. Überraschen mag im Album-Lineup die klassische Sopran-Diva Renée Fleming, die aus ihrer Jazzaffinität allerdings nie einen Hehl gemacht hat. Vor fünf Jahren nahm sie mit Pianist Brad Mehldau das Duo-Album „Love Sublime“ auf. Und sublim ist hier auch ihre Interpretation von Victor Youngs und Ned Washingtons „A Love Like This“. Hadens Ehefau Ruth Cameron komplettiert die singenden Sechs des Albums, die, jede auf ihre Art, Finesse und Flair einbringen.

„Charlie Hadens Tanz der Freiheit klingt heute wie ein Flüstern und nicht wie ein Schrei“, spielte einmal ein amerikani­scher Jazzkritiker auf Hadens Free-Jazz-Vergangenheit an. Besser könnte man den im Laufe von Jahrzehnten vollzogenen Paradigmenwandel des Bassisten wohl kaum beschreiben. Die atonale Attitüde der rebellischen 1960er Jahre ist einer subtilen Widerborstigkeit gewichen, die mit melancholischer Melodien­seligkeit eingefärbt ist. Doch bei aller Klangschönheit, mit der das Quartet West seit 1986 fasziniert, wahrte sich Haden stets auch seine Innovationslust. Mal mischte er die Musik mit Tonspu­ren historischer Jazzaufnahmen oder Filmzitaten, mal versetzte er bekannteres Repertoire mit überraschenden Entdeckungen oder gar vergleichsweise sperrigen Kompositionen seines alten Free-Jazz-Gefährten Ornette Coleman.

Das Material der „Sophisticated Ladies“ besteht größtenteils aus Jazzballaden, von denen die bekannteste natürlich die Titelkomposition von Duke Ellington ist. Verwoben werden die Gesangsnummern mit ausgesuchten Instrumentalstücken wie dem stimmungsvollen Thema der nahezu vergessenen TV-Krimi­serie „Markham“ von 1959. „Angel Face“, aus der Feder von Hank Jones, ist eine Hommage an den am 16. Mai verstorbenen Pianisten, mit dem Haden 1996 das Duo-Album „Steal Away“ aufgenommen hatte. Expressivere Klangfarben brin- gen zwei Up-Tempo-Bebop-Nummern ins Spiel: „Today I Am A Man“ von Pianist Steve Kuhn und „Wahoo“ von Trompeter Benny Harris.

Elf Jahre lang hat das Quartet West seine Fans auf dieses sechste Album warten lassen, live war es jedoch die ganze Zeit präsent. Zur Besetzung zählen neben Haden nach wie vor die Gründungsmitglieder Alan Broadbent – der Pianist schrieb auch wieder die Streicherarrangements – und Tenorsaxophonist Ernie Watts. Nach Billy Higgins und Larance Marable schwingt seit 2006 der junge Rodney Green den Jazzbesen und die Trommelstöcke. Und Charlie Haden führt sein Quartet West immer noch mit dem legendär vollen, warmen Ton und den klaren, singenden Sololinien seines Kontrabasses.

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