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Charlie Watts Meets The Danish Radio Big Band

Charlie Watts
27.04.2017
Impulse! Records
CD: 06025 5744193
2 LPs / Gatefold / 180gr: 06025 5726460
VÖ: 21.04.2017

Im Vergleich zu Mick Jagger und Keith Richards hält sich Stones-Schlagzeuger Charlie Watts meist dezent im Hintergrund. Aber der Brite ist nicht nur für den strammen Rhythmus der Band verantwortlich, sondern ganz nebenbei auch noch ein hervorragender Jazz-Schlagzeuger.
Beweis gefällig? Hier kommt er, in Form einer groovenden Bigband-Aufnahme mit einem Charlie Watts, der sich offensichtlich am Schlagzeug solch eines großen Ensembles mindestens so wohl fühlt wie bei seiner “Hauptband”. Aufgenommen hat der Stone sein Swing-Album im hohen Norden mit der hervorragenden Danish Radio Big Band (die kürzlich auch ein exzellentes Live-Album mit Curtis Stigers aufnahm).
Das Ergebnis ist Watts’ bislang gelungenster Seitensprung ins Jazzfach. Neben bekannten Jazzstandards und einer Suite aus eigener Feder wurden auch die drei Stones-Klassiker “Satisfaction”, “You Can’t Always Get What You Want” und “Paint It Black” zum Swingen gebracht.
Das hört der Stones-Fan am Sonntag!
Als Drummer Charlie Watts vor vielen, vielen Jahren von den Kollegen einer gewissen neuen Band gebeten wurde, etwas Rhythm’n’Blues-artiges zu spielen, stand er zunächst einmal auf dem Schlauch. “Ich wusste nicht, was das war”, erinnerte er sich Jahrzehnte danach. “Ich dachte, ich sollte etwas Charlie-Parker-mäßiges spielen … nur mit angezogener Handbremse.”  Seitdem sind viele Steine den Berg hinuntergerollt und Rolling-Stones-Drummer Watts längst als einer der größten Drummer in die Annalen der Rockmusik eingegangen.
Damals, ganz am Anfang, war er allerdings noch ein etwas verbohrter, mit Scheuklappen versehener „Jazzhead". Er war mit der Musik von Jelly Roll Morton, Charlie Parker und Thelonious Monk aufgewachsen und wurde durch eine Aufnahme mit Chico Hamilton dazu inspiriert, sich selbst ein Schlagzeug zuzulegen. Natürlich kriegte er dann doch noch die Kurve. Und seit nunmehr über fünfzig Jahren ist er aus den Rolling Stones ebenso wenig wegzudenken wie Mick Jagger und Keith Richards. Seine Liebe zum Jazz hat sich Charlie Watts trotzdem immer bewahrt. Mitte der 1980er Jahre gründete er eine eigene Bigband mit prominenten Jazzmusikern wie u.a. Stan Tracy, Evan Parker und Courtney Pine, die durch die ganze Welt tourte. Dann bildete er, Anfang der 1990er Jahre, ein Quintett mit dem Bassisten und Jugendfreund David Green, Altsaxophonist Peter King, Pianist Brian Lemon und Trompeter Gerard Presencer. Letzterer, ansonsten bekannt für seine Zusammenarbeit mit  Us3, The Brand New Heavies, Matt Bianco, Zero 7, Incognito, Ray Charles, Joni Mitchell und Chick Corea, initiierte 2010 auch das jetzt als Album erscheinende Charlie Watts-Projekt mit der Danish Radio Big Band. Auf der Rückbank eines Tour-Busses notierte Gerard Presencer letztes Jahr irgendwo in Dänemark, wie dieses ungewöhnliche Projekt zustande kam:
Es ist eine wenig bekannte Tatsache, dass Charlie Watts in den frühen 1960er Jahren ein paar Monate lang in Dänemark lebte. Das war zu der Zeit, als die Stones noch in den Kinderschuhen steckten und keine etablierte Institution waren. Deshalb ging Charlie damals, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, noch einer “normalen” Arbeit nach. Und die führte ihn für ein paar Monate nach Dänemark. Dort hing er in der Jazz- und Bluesszene ab, jammte mit verschiedenen Bands und hielt so seine Leidenschaft für die Musik am Leben, während er tagsüber seine Brötchen anderweitig verdiente. Obwohl ich mit Charlie schon seit vielen Jahren zusammenspiele, wusste ich kaum etwas über seine Zeit in Dänemark. Wenn wir in irgendeiner Band miteinander spielten, unterhielten wir uns ausschließlich über obskure Jazzaufnahmen oder großartige vergessene Jazzmusiker.

2009 zog ich einen Job bei der Danish Radio Big Band an Land. Ein oder zwei Wochen nach meiner Ankunft in Kopenhagen, erhielt ich einen Anruf von Charlie. Im Laufe dieses Telefongesprächs erzählte er mir von seiner Zeit in Dänemark. Das brachte mich später auf eine Idee: Wie wäre es wohl, ihn nach beinahe fünfzig Jahren hierher zurückzuholen und noch einmal an seine dänischen Jazztage anzuknüpfen? Also sprach ich mit seiner Managerin Sherry Daly und mit meinem Boss bei der Danish Radio Big Band (DRBB) und machte mich danach daran, dieses Live-Projekt in die Wege zu leiten. Wir einigten uns darauf, im Oktober 2010 zusammen eine Woche in Kopenhagen zu verbringen. Vier Tage waren für die Proben des Projekts angesetzt, am fünften Tag sollte dann ein Auftritt im neu eröffneten Koncerthuset in Kopenhagen stattfinden. Das Konzert wurde von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Danmarks Radio für eine Sendung aufgezeichnet. Lars, der Roadmanager der Bigband, begleitete Charlie und seinen langjährigen Bassisten Dave Green die ganze Woche bei Touren durch die Stadt. Sie besuchten Plattenläden und spazierten – ohne  irgendwelchen Begleitschutz – durch die Gegend. Dave und Charlie sind ausgemachte Teamplayer. Charlie machte mir klar, dass er nicht – so wie wir alle es erwartet hatten – auf einem erhöhten Podest spielen wollte, sondern auf derselben Ebene wie die Band, da er so besseren Kontakt zu den Musikern haben würde. Er wollte, dass sein Schlagzeug in unserer Mitte aufgebaut wurde. Ich fand später heraus, dass er darauf sogar bei Stadion-Auftritten besteht.
Es war für alle unübersehbar, mit welcher Begeisterung und mit welchem Engagement unsere Gäste das Projekt angingen. Und ihre positive Einstellung übertrug sich schnell auf die ganze Band. Diese gute Ausstrahlung habe ich bei den beiden im Laufe der Jahre oft bemerkt. Sie machen Musik aus reiner Freude und mit einem starken Gruppengefühl. Ein ähnliches Gruppengefühl ist mir auch bei Bands in Dänemark aufgefallen. Deshalb waren alle vom ersten Tag an auf gleicher Wellenlänge. Bei der Auswahl des Programms war es wichtig, sich auf den Groove zu konzentrieren. Wir entwickelten Material mit einem Feeling für Rhythm’n’Blues, Jazz im Stil der 1960er Jahre, der an die tanzbaren Blue-Note-Tracks jener Zeit erinnerte, afrikanische Rhythmen und auch ein bisschen Bossa Nova. Das waren alles Stile, die ich mit Freude schon in verschiedenen Bands mit Charlie und Dave gespielt hatte. Dave Green am Bass als Special Guest dabeizuhaben, war essenziell, weil er und Charlie als Jugendfreunde (sie wuchsen Tür an Tür in Wembley im Norden Londons auf) diese stillschweigende psychische Verbindung haben, die Bassisten und Schlagzeuger brauchen. (Wenn sie das hier lesen sollten, werden sie sich wahrscheinlich wundern, weil sie sich dessen gar nicht bewusst sind.). Mit ihrem unglaublichen Einfühlungsvermögen ermöglichten sie bei diesen Aufnahmen dem Rest der Band manchmal so ungezwungen zu sein, dass sie sich wirklich austoben und etwas riskieren konnten.
Wenn eine Band von diesem Niveau so richtig Gas gibt, ist sie unwiderstehlich! Wir hatten auch großartige Unterstützung von dem etatmäßigen Bassisten und Schlagzeuger der DRBB (Søren und Kaspar), die bei einigen Stücken liebenswürdigerweise pausierten und dann bei anderen mit von der Partie waren, insbesondere bei “Molasses”, der Schlussnummer, in der wir zwei Schlagzeuger und zwei Bassisten haben, die einen klassischen Woody-Herman-Shuffle aus den 1960ern spielen.

Es ist vielleicht nachvollziehbar, dass ich das Programm für das Konzert mit ein paar sehr familiären Melodien spickte (Sie werden sehen, was ich meine). Ich war immer der Ansicht, dass diese Grooves erdig und kraftvoll sind und es nicht nötig haben, in einem Bigband-Rahmen noch zusätzlich aufgepeppt zu werden. Ich setzte die Bigband in diesen Stücken einfach wie eine riesige Bläsersektion ein, um sicher zu gehen, dass wir diesen Klassikern nicht zu viel von ihrer ursprünglichen Power nehmen. Während der Proben kam einer der Tenorsaxophonisten zu mir und fragte mich auf sehr undänische Art, ob er in einem bestimmten Stück ein Solo spielen könnte, weil er den organischen Groove von Charlie einfach so sehr mochte. Ich überlasse es dem Hörer, dieses Stück zu erraten! Eine besondere Erwähnung verdient auch der Tenorsaxophon-Solist Uffe Markesson, der sich im zweiten Teil der von Charlie und seinem Schlagzeuger-Kollegen Jim Keltner geschriebenen “Elvin Suite” die Lunge aus dem Hals bläst. Als wir uns ein  oder zwei Tage nach dem Konzert bei Danmarks Radio die Aufnahmen anhörten und merkten, wie gut die Begeisterung und Energie eingefangen worden waren, dämmerte uns, dass wir daraus mit der richtigen Abmischung ein kraftvolles Live-Album machen könnten. Die Radioleute mussten nicht lange überredet werden, um mir die Aufnahmen zur Bearbeitung zu übergeben. Hilfe hatte ich dabei von Søren Frost, dem regulären Schlagzeuger und Arrangeur der Rhythmusgruppe der Bigband, und dem brillanten Toningenieur Lars C. Bruun. Jetzt, nach mehreren Jahren Arbeit, können wir endlich diese Musikkollektion von unserem Auftritt unter dem Titel “Charlie Watts Meets The Danish Radio Big Band” vorlegen.

Vor vielen Jahren erzählte mir Red Rodney, der ikonische Jazztrompeter, der einst mit Charlie Parker und später mit Charlie Watts bei seinem “From One Charlie To Another”-Projekt (das natürlich eine Hommage an Charlie Parker war) gespielt hatte, dass Charlie Watts’ Beitrag zum Jazz bedeutend ist, weil er ein Botschafter dieser Musik ist und durch ihn viele neue Leute zum Jazz gefunden haben. Ich maß dieser Bemerkung damals keine besondere Bedeutung bei (ich war sehr viel mehr an Reds Mundstück interessiert). Aber als ich letzten Sommer im Büro von Universal Music ein Treffen mit Jean-Philippe Allard, dem Chef von Impulse! Records, hatte, wurde ich wieder an Reds Worte erinnert. Denn Allard sagte mir ebenfalls, dass er Charlie für einen Botschafter des Jazz hielte. Da wusste ich, dass wir beim richtigen Label gelandet waren.
Gerard Presencer, 2016

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Genia Jessen
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