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Visionäre – Daniel Barenboim setzt Pierre Boulez ein Denkmal

Daniel Barenboim, Pierre Boulez
© Uwe Arens / DG
01.03.2017
Es wird Zeit, Pierre Boulez zu entdecken. Die Musik des französischen Komponisten lockt wie eine exotische Insel.

Neue Horizonte: Pierre Boulez (1925–2016)

Wer auf diese Insel gelangt, der wird mit seltenen Farben, Pflanzenarten und Landschaften belohnt, die ihm völlig neue Horizonte öffnen. Hier ist nichts verbraucht. Nichts Gewöhnliches gedeiht auf diesem einsamen Stück Erde. Das Einzige, was der Abenteuerreisende zu erkennen vermag, sind Felsenlandschaften, deren Schroffheit jedoch durch eine schier unendliche Farbpracht in den Tälern aufgewogen wird. So abweisend, so direkt seine Musik bisweilen klingt, sie birgt poetische Klangwelten von berückender Schönheit.
Diese Überzeugung teilt auch Daniel Barenboim. Der argentinisch-israelische Dirigent lernte Pierre Boulez in den sechziger Jahren kennen. Barenboim war damals Anfang 20 und ließ sich von der visionären Kraft des französischen Komponisten mitreißen. Für Daniel Barenboim war und ist Pierre Boulez “ein Mann für die Zukunft”. Wer sich auf die Klangkunst des französischen Komponisten einlässt, der atmet den Geist einer neuen Zeit.

Musik der Zukunft: Daniel Barenboim hält die Spannung

Doch wie findet man sich in dem weitverzweigten Œuvre des französischen Meisterkomponisten zurecht? Hier leistet das neue Album von Daniel Barenboim unschätzbare Dienste. “Daniel Barenboim – Hommage à Boulez” versammelt etliche Schlüsselwerke des französischen Avantgardisten. Das Album umfasst zwei Tonträger. Es setzt ein mit dem flirrend vorbeiziehenden “Dérive 2”, das Daniel Barenboim zu den größten Werken von Pierre Boulez zählt.
Barenboim hat diese Komposition für elf Instrumente mit Mitgliedern des West-Eastern Divan Orchestras bei den BBC Proms 2012 aufgenommen. Die lebendige Atmosphäre des Live-Acts ist deutlich spürbar. Eine ungeheure Spannung liegt in der Luft, und Barenboim reizt sie bis zum letzten Ton aus. Nicht minder furios geht es in “Dialoque de l’ombre double” zu. Ebenfalls aufgenommen bei den BBC Proms, erlebt man hier einen rauschhaften Wirbel, der doch nie aus der Form gerät und Momente einer berührenden Zartheit offenbart.

Bewährtes und Neues: Eröffnung des Pierre Boulez Saals

Garant für die gelungene Interpretation dieses Werkes ist das ebenso virtuose wie leidenschaftliche Spiel des Frankfurter Meisterklarinettisten Jussef Eisa, der sich unter der live-elektronischen Begleitung des IRCAM den kreiselnden Bewegungen des französischen Komponisten geschickt anschmiegt. Das gelingt auch Guy Eshed mit seinem flinken und immer wieder innehaltenden Flötenspiel in “Mémoriale”, einer Komposition, die einmal mehr die zartfühlende Seite des revolutionären Grenzgängers Pierre Boulez zum Vorschein bringt.
Mit “Le Marteau sans maître” findet sich auch ein Boulez-Klassiker auf dem Album. Hier dirigiert der Komponist selbst das West-Eastern Divan Orchestra und führt es sanft in die bizarren Assoziationsfelder der surrealen Poesie von René Char. Werke wie “Anthèmes 2” für Violine und Live-Elektronik und “Messagesquisse für Violoncello solo und 6 Violoncelli vermitteln in prägnanten Miniaturen die elektrisierend neue, fein gesponnene Kompositionskunst von Pierre Boulez.
Etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod des großen französischen Komponisten setzt Barenboim mit seinem neuen Album genau das richtige Zeichen. Hören wir Boulez! Setzen wir uns mit diesem genialen Neuerer auseinander! Neben Barenboims Aufnahmen wird der Pierre Boulez Saal in Berlin, der sowohl altbewährte als auch neue Musik beheimaten soll, dafür künftig reichlich Gelegenheit bieten. Konzipiert als öffentliches Fenster der Barenboim-Said Akademie, wird der Kammermusiksaal am 4. und 5. März mit Aufführungen des Boulez Ensembles unter der Leitung von Daniel Barenboim feierlich eröffnet.  

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