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El Greco und die Kirchenmusik von Toledo – Das neue Album des Ensemble Plus Ultra

Ensemble Plus Ultra
© Cameron Slater
05.06.2014
Michael Noone betreibt im Archiv der Kathedrale von Toledo seit 2002 Studien. Dort entdeckte der australische Musikwissenschaftler schon mehrfach unbekannte Werke bedeutender spanischer Renaissance-Komponisten wie Cristóbal de Morales und Francisco Guerrero. Um sie einem zeitgenössischen Publikum in Konzerten und Aufnahmen zugänglich zu machen, gründete er das Ensemble Plus Ultra.
Das renommierte Ensemble veröffentlichte bereits eine Reihe von Alben, die einzelnen Komponisten aus dem Goldenen Zeitalters Spaniens gewidmet waren, darunter die mit dem Gramophone Award 2012 für Alte Musik ausgezeichnete 10CD-Box “Tomás Luis de Victoria: Sacred Works” und “Morales en Toledo”.
Mit “From Spain to Eternity (El Greco’s Toledo)” (Archiv Produktion) stellt das Ensemble Ultra Plus nun erstmals mehrere spanische Komponisten der Renaissance in einen gemeinsamen Kontext.

Kirchenmaler und Kirchenmusik

Toledo steht im Mittelpunkt der spanischen Jubiläumsfeiern zum 400. Todestag von El Greco, dem weltberühmten Renaissance-Maler (1541–1614). In der Stadt im kastilianischen Herzen Spaniens verbrachte der gebürtige Grieche den Großteil seines Lebens, 37 Jahre. El Greco schuf in Toledo seine wichtigsten Werke, darunter “Das Begräbnis des Grafen von Orgaz”, “Laokoon” und “Die Öffnung des fünften Siegels”.
Mit dem Album “From Spain to Eternity (El Greco’s Toledo)” erweckt das Ensemble Plus Ultra die mehrstimmige Musikkultur an der Kathedrale von Toledo um die Jahrhundertwende 1600 zum Leben, von der El Greco, der 1577 als Kirchenmaler in die Stadt kam, tagtäglich umgeben war und zweifellos inspiriert wurde.
Toledo, bis 1561 spanische Königsresidenz, war als kulturelles und religiöses Zentrum der katholischen Gegenreformation in Spanien Anziehungspunkt für zahlreiche bedeutende Künstler. Die prachtvolle Catedral de Santa María de la Asunción de Toledo, ein Höhepunkt spätgotischer Baukunst, war Sitz des Primas von Spanien. An dieser Kathedrale wirkten drei der vier auf diesem Album vorgestellten Komponisten als maestro di capilla.

Blütezeit spanischer Kirchenmusik

Mit dem schwindenden Einfluss der frankoflämischen Schule erlebte das Spanien des Goldenen Zeitalters eine Blüte der mehrstimmigen geistlichen Vokalmusik. Die herausragende Figur war Cristobal de Morales (1500–1553), der sich ähnlich wie der Maler El Greco ganz auf die Schöpfung sakraler Werke konzentrierte. Er wirkte von 1545–1547 als Kapellmeister in Toledo.
Morales’ Musik, auf diesem Album repräsentiert durch die Motetten “Quanti mercenarii” und “Clamabat autem mulier Chananea” und die Lamentatio “Expandit Sion manus suas”, fand noch posthum weite Verbreitung. Sie war für die spanische Renaissancemusik stilprägend, mit funktionsharmonischen Fortschreitungen (Grundtonbewegungen in Quarten und Quinten), einem freien Gebrauch von Querständen, wie man sie auch in der englischen Musik der Zeit etwa bei Tallis hört, und dem kunstvollen Gebrauch imitatorischer Satztechniken.
Alonso Lobo (1555–1617), ab 1593 Kapellmeister an der Kathedrale von Toledo, bezog sich bei nicht weniger als fünf der sechs Messen seiner Sammlung von 1602 auf Motetten seines hochgeschätzten Kollegen Francisco Guerrero (1528–1599), einem Schüler von Morales. Lobos Missa “Prudentes virgines” basiert auf einer fünfstimmigen Motette Guerreros über das Gleichnis von zehn Jungfrauen (Matthäus 25, 1–13). Das Ensemble Ultra Plus stellt beide Werke auf seinem neuen Album vor.
Alonso de Tejeda (1540–1628) trat 1605 die Nachfolge Alonso Lobos als maestro di capilla der Kathedrale von Toledo an. Das Ensemble Plus Ultra hat zwei seiner Motetten ausgewählt, die Trauer zum Thema haben: “Miserere mei” ist eine Vertonung der ersten zwei Verse des vierten Bußpsalms, während es sich bei “Rex autem David” um eine von nur zwei spanischen Vertonungen der Klage König Davids um seinen Sohn Absalom handelt.

Erhebender Klangzauber

Das sechsköpfige Ensemble Plus Ultra bringt den erhebenden Klangzauber dieser Werke mit ganz und gar organischem und perfekt verschmolzenem Gesang zu voller Entfaltung. Es gelingt ihm eine musikalische Nachbildung der Stimmungslandschaft im Spanien der katholischen Gegenreformation – mal düster umwölkt, dann wieder strahlend klar und farbenprächtig, dabei stets erfüllt von transzendentaler Sehnsucht wie ein Gemälde El Grecos.
Der informative Essay von Ensemblegründer und -leiter Michael Noone und das elegante Artwork mit einem Detail aus “Blick auf Toledo”, einem der wenigen Landschaftsgemälde von El Greco, machen “From Spain to Eternity (El Greco’s Toledo)” zu einer höchst empfehlenswerten Anschaffung. Nicht nur für Liebhaber Alter Musik, sondern für all jene, die ein Interesse an der blühenden spanischen Kunst der Renaissance haben.

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