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Various Artists – We All Love Ella: A Celebration Of The First Lady Of Song

06.06.2007
Wenn man Jazzfans und -kritikern in der ganzen Welt die Frage stellen würde, wer die großartigste Jazzsängerin aller Zeiten ist (oder war), wird man von der überwiegenden Mehrheit ohne Zögern diese Antwort erhalten: Ella Fitzgerald. Und dies, obwohl Sarah Vaughan sicher die virtuosere Scatterin und Billie Holiday die eindringlichere Blues-Interpretin war. Aber keine von ihnen (oder den anderen in Frage kommenden Konkurrentinnnen) war je so populär wie Ella, bei der sich eine einzigartige Professionalität mit natürlichem Charme paarte. Über ein halbes Jahrhundert lang verkörperte Ella Fitzgerald so das Idealbild der Jazzsängerin schlechthin. Unterstrichen wird ihre herausragende Stellung unter anderem durch die 14 Grammys, die man ihr im Laufe der Jahrzehnte überreichte, und eine Bilanz von über 40 Millionen verkauften Alben. Alle liebten Ella – die Fans, die Kritiker, die Musiker, mit denen sie spielte, und nicht zuletzt all ihre Gesangskolleginnen. Unter dem Titel “We All Love Ella: A Celebration Of The First Lady Of Song” zollt nun ein gutes Dutzend dieser Kolleginnen der größten Jazzsängerin aller Zeiten Tribut.
Als “First Lady Of Song” ist die 1996 gestorbene Sängerin in die Jazzgeschichte eingegangen. Diesen Titel verdankte sie vor allem den grandiosen Songbook-Alben, die sie zwischen 1956 und 1964 für Norman Granz und sein Label Verve aufnahm. Dieses Jahr hätte Ella ihren 90. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlaß lud ihr altes Label Verve eine Reihe der besten zeitgenössischen Vokalistinnen und einen Sänger dazu ein, für das von Phil Ramone produzierte Album “We All Love Ella” ein paar Evergreens aus dem schier unerschöpflichen Song-Fundus von Ella neu zu interpretieren. Mit Begeisterung sagten heutige Jazzgrößen, aber auch Stars mit eigentlich anderen musikalischen Präferenzen, aber einer gewissen Affinität zum Jazz zu, ihrem Idol ein ganz besonderes Geburtstagsständchen zu bringen. So nahmen Diana Krall und Hank Jones gemeinsam “Dream A Little Dream” auf, Lizz Wright “Reaching For The Moon”, Natalie Cole und Chaka Khan in einem Duett der Superlative “Mr. Paganini” und im Alleingang dann noch “A Tisket, A Tasket” respektive “Lullaby of Birdland”, Michael Bublé “Too Close For Comfort”, k.d. lang “Angel Eyes”, Queen Latifah “The Lady Is A Tramp”, Dianne Reeves “Oh, Lady Be Good”, Gladys Knight “Someone To Watch Over Me”, Etta James “Do Nothin' Till You Hear From Me”, Linda Ronstadt “Miss Otis Regrets” und Ledisi “Blues In The Night”. Zum Abschluß gibt es noch zwei ganz besondere Bonbons: Zum einen eine bislang unveröffentlichte Duett-Version des Stevie-Wonder-Hits “You Are The Sunshine Of My Life”, die Ella 1977 beim New Orleans Jazz & Heritage Festival spontan mit Stevie Wonder gesungen hat; zum anderen das Debüt eines erst dreizehnjährigen kanadischen Wunderkinds: die aus Montréal stammende Sängerin Nikki Yanofsky, die voraussichtlich im September ihr erstes Album herausbringen wird, verblüfft mit einer rasanten Interpretation von “Airmail Special”.

Die am 25. April 1917 (einige Quellen geben heute noch fälschlicherweise als Geburtsjahr 1918 an!) in Newport News/Virginia geborene und in armen Verhältnissen aufgewachsene Ella Fitzgerald schaffte ihren Sprung ins professionelle Lager am 21. November 1934 bei einem Amateurtalentwettbewerb im legendären Apollo Theater in Harlem. Der Altsaxophonist Benny Carter, der den Auftritt der 17jährige gesehen hatte, empfahl sie dem Bandleader und Schlagzeuger Chick Webb, der gerade nach einer neuen Sängerin suchte. Webb war von der Erscheinung Ellas zunächst gar nicht begeistert, gab ihr dann aber trotzdem eine Chance. Und die verstand Ella zu nutzen. Schon wenig später trat der “ungeschliffene Diamant” (wie sie Webbs Trompeter Mario Bauzá damals nannte) mit Webbs Orchester im Savoy Ballroom auf und machte mit der Band auch die ersten Aufnahmen. Mit “A-Tisket, A-Tasket” landete sie 1938 ihren ersten Riesenerfolg.

Die Nummer avancierte zur Hymne der Swingära und brachte Ella den Titel “The First Lady Of Swing” ein, der später dann in “The First Lady Of Song” abgewandelt wurde. Als Chick Webb im Juni 1939 starb, übernahm Ella, die längst zum eigentlichen Zugpferd des Orchesters aufgestiegen war, offiziell die Leitung. Als das Orchester 1941 nach einer weniger erfolgreichen Phase aufgelöst wurde, begann Ella ihre Solokarriere und unterschrieb einen langfristigen Vertrag bei dem Label Decca. Für Decca nahm sie in den folgenden Jahren mit Partnern wie dem singenden Altsaxophonisten Louis Jordan oder beliebten Doo-Wop-Gesangsensembles wie den Delta Rhythm Boys und den Ink Spots zahlreiche Hits auf. Ab 1946 präsentierte sie der Konzert-Impresario und Produzent Norman Granz regelmäßig bei Konzerten seiner sensationellen Veranstaltungsreihe “Jazz At The Philharmonic”. Schon bald entstand zwischen der jungen Künstlerin und ihrem neuen Mentor eine tiefe Freundschaft.

Platten konnte Norman Granz zunächst jedoch noch nicht mit Ella produzieren, und die Mitschnitte ihrer Auftritte im Rahmen der JATP-Serie mußte er in seinem Archiv zurückhalten, da die Sängerin an das Konkurrenzlabel Decca gebunden war. Dies änderte sich erst Anfang 1956, als Granz Ella durch einen cleveren Tauschhandel vorzeitig aus ihrem noch laufenden Vertrag herausholen konnte. Mit der Verpflichtung Ella Fitzgeralds ging die Gründung eines neuen Labels einher: unter einem einheitlichen Signet faßte Granz nun seine Labels Clef, Norgran und Down Home zu Verve Records zusammen.

Die erste wirkliche Produktion für Verve war zugleich ein Bestseller und veritabler Klassiker der zeitgenössischen amerikanischen Musik: “Ella Fitzgerald Sings The Cole Porter Song Book”. Sieben andere Songbook-Einspielungen von Ella Fitzgerald sollten folgen. Zwei davon – das Duke Ellington- und das Irving Berlin-Songbook – brachten ihr 1958 als erster weiblicher Jazz- und Popvokalistin Grammy-Ehren ein. Bis 1962 sollte Granz noch vier weitere Alben der Sängerin produzieren, die mit insgesamt sechs Grammys ausgezeichnet wurden: “Ella Swings Lightly” (1959), “Ella In Berlin” (1960), “Ella Sings The George And Ira Gershwin Song Book” (1960) und schließlich “Ella Swings Brightly With Nelson Riddle” (1962). Zu den Highlights des Ella-Katalogs zählen auch weitere Einspielungen, die sie mit Duke Ellington, Count Basie, Louis Armstrong und Oscar Peterson machte.

Im Dezember 1960 verkaufte Granz, der seine letzten amerikanischen JATP-Konzerte (mit Ausnahme einer zehn Jahre später stattfindenden Reunion-Tour) 1957 organisiert hatte, Verve an MGM. Granz selbst hatte sich zuvor schon in der Schweiz niedergelassen und zog sich nun beinahe völlig aus dem Plattengeschäft zurück. Nur für neue Plattenproduktionen mit Ella Fitzgerald reiste er noch regelmäßig in die USA. In Europa blieb er als Konzert-Impresario jedoch bis in die sechziger Jahre hinein mit seinem JATP-Konzept aktiv.

1972 gab Granz sein Semi-Pensionärsdasein wieder auf, um ein einzelnes Konzert, ganz im Stil von JATP, in Santa Monica zu produzieren. Mit den Aufnahmen dieser Show, die er unter dem Titel “Jazz At The Santa Monica Civic ’72” auf Platte herausbrachte, wagte sich Norman Granz an ein zweites großes Plattenlabel-Abenteuer: Pablo. Während der siebziger und achtziger Jahre konnte sich dieses Label als neue Heimstatt für Ella Fitzgerald, Oscar Peterson, Count Basie, Zoot Sims, Joe Pass und andere hochkarätige Jazzstars etablieren. Ella heimste in ihrer Pablo-Zeit sechs weitere Trophäen ein und brachte es schließlich insgesamt auf 14 Grammy Awards – die sie alle für von Granz produzierte Alben erhielt.

Ab Mitte der 80er Jahre mußte die Sängerin wegen verschiedener gesundheitlicher Probleme immer kürzer treten, 1994 gab sie schließlich ihren völligen Rückzug aus dem Musikgeschäft bekannt. Zwei Jahre später, am 15. Juni 1996 starb sie dann im Alter von 79 Jahren in Beverly Hills/Kalifornien.

Schon in den 90er Jahren nahmen einige Künstler/innen Alben auf, die Ella gewidmet waren: Der Pianist Tommy Flanagan, der Ella oft begleitet hatte, machte noch zu ihren Lebzeiten 1994 mit “Lady, Be Good… For Ella” den Anfang. Ihm folgte in Ellas Todesjahr die Jazzsängerin Ann Hampton Callaway mit “With Love To Ella” und 1997 Dee Dee Bridgewater mit dem großartigen, Grammy-prämierten Album “Dear Ella”. 1998 erschien von der Folksängerin Odetta “To Ella” und 2002 “For Ella” von Patti Austin. Für “We All Love Ella: A Celebration Of The First Lady Of Song” versammelte Produzentlegende Phil Ramone (u.a. Frank Sinatra, Aretha Franklin, Tony Bennett und John Lennon) nun eine Reihe von Stars im Studio, um Klassiker aus dem Repertoire neu zu interpretieren.

Natalie Cole wurde die Ehre zuteil, Ellas legendären Erfolgssong “A-Tisket, A-Tasket” für das Album neu aufzunehmen. Die Tochter des legendären Nat “King” Cole verrät, daß genau dieses Stück die erste Jazznummer war, die sie singen gelernt hat. Und sie übte damals wie eine Besessene, um exakt wie Ella zu klingen. “Ich sang wie eine 30- oder 40jährige Frau”, sagt sie lachend mit einem Augenzwinkern, “und das mit sieben Jahren.” In ihrem fulminant swingenden Remake des Songs ahmt Natalie Cole nun auf wunderbare Weise die mädchenhaft kokette Art nach, die Ella manchmal an den Tag legte. Ihrem Opener folgt die Funk-Sängerin Chaka Khan mit “Lullaby Of Birdland”.

Im Duett geben diese beiden Gesangsstars später noch “Mr. Paganini” zum Besten. Eine Riesenüberraschung ist die elegant swingende Darbietung von “This Lady Is A Tramp”, die ungeahnte stimmliche Qualitäten der Rapperin Queen Latifah offenbart. Dianne Reeves, die neben Dee Dee Bridgwater als Erbin Ella Fitzgeralds gilt, liefert in “Oh, Lady Be Good!” den Beweis dafür, daß sie zweifellos eine der besten Scat-Sängerinnen der Gegenwart ist. Die hochtalentierte junge Lizz Wright macht das zutiefst melancholische “Reaching For The Moon” zu einem der absoluten Highlights des ganzen Albums. Für Diana Krall war Ella Fitzgerald nicht nur “die größte Improvisiationskünstlerin und Scat-Sängerin des Jazz”, sondern auch “eine volkommen natürliche und erstaunliche Frau”. Im Duett mit dem Pianisten Hank Jones nahm die kanadische Sängerin eine ungemein intime Interpretation von “Dream A Little Dream” auf.

Die aus New Orleans stammende Ledisi würzt ihre Version des “Blues In The Night” mit Elementen des Rhythm’n'Blues und Funk und unternimmt darüberhinaus einen gelungenen Ausflug ins Fach des Scat-Gesangs. Die Country-Pop- und Folk-Rock-Sängerin Linda Ronstadt hat im Laufe ihrer Karriere immer wieder stilistische Seitensprünge gewagt und auch schon reine Jazzalben aufgenommen. Sie ist hier mit “Miss Otis Regrets” zu hören. Mit “Before Me” legte die Soul- und Rhythm’n'Blues-Sängerin Gladys Knight erst vor kurzem ihr erstes (von Phil Ramone produziertes) Jazzalbum vor. Als Hommage an Ella (eines ihrer ganz großen Vorbilder) interpretierte sie nun den Klassiker “Someone To Watch Over Me”.

Mit ihrer ungemein dunklen, rauchigen Stimme macht die großartigee Etta James “Do Nothin' Till You Hear From Me” zu einem weiteren Höhepunkt des Programms. Die alternative Country-Rock-Sängerin k.d. lang war bereits 20 Jahre alt, als sie ihre erste Ella-Scheibe kaufte und diese dann unzählige Male abspielte, um sie intensiv zu studieren. Danach nahm sie Ella als Künstlerin an und für sich unter die Lupe. Das Ergebnis ihrer Auseinandersetzung mit Ella präsentiert sie jetzt in der ebenso glutvollen wie bluesigen Interpretation der Ballade “Angel Eyes”. Als neben Stevie Wonder einziger Sänger unter all diesen Sängerinnen folgt der weit über die Jazzwelt hinaus populäre Michael Bublé mit “Too Close For Comfort”. Abgerundet wird dieses Album dann, wie schon erwähnt, durch die beiden Bonus-Tracks von Ella Fitzgerald und Stevie Wonder sowie Nikki Yanofsky.

Der Geist der verstorbenen Sängerin ist in jedem einzelnen Song von “We All Love Ella: A Celebration Of The First Lady Of Song” präsent. Und mit ein bißchen Phantasie kann man sich vorstellen, daß Ella während der Aufnahmen auf Wolke sieben im Jazzhimmel heftig mitswingte. Weitere Informationen zu Ella Fitzgerald erhalten Sie auf der Künstlerseite bei JazzEcho.

Interpreten/Songs:
01. Natalie Cole – A-Tisket, A-Tasket / 02. Chaka Khan – Lullaby Of Birdland / 03. Queen Latifah – The Lady Is A Tramp / 04. Diana Krall & Hank Jones – Dream A Little Dream Of Me / 05. Natalie Cole & Chaka Khan – Mr. Paganini / 06. Dianne Reeves – Oh, Lady Be Good! / 07. Lizz Wright – Reaching For The Moon / 08. Ledisi – Blues In The Night / 09. Linda Ronstadt – Miss Otis Regrets / 10. Gladys Knight -Someone To Watch Over Me / 11. Etta James – Do Nothin' Till You Hear From Me / 12. k.d. lang – Angel Eyes / 13. Michael Bublé – Too Close For Comfort / 14. Ella Fitzgerald & Stevie Wonder – You Are The Sunshine Of My Life [live] / 15. Nikki Yanofsky – Airmail Special
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