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Faust – Biografie

10.03.2017
Punch und Jab, aus Wümme in die Welt. Gemeinsam mit Kraftwerk, Can, Neu! und Harmonia gehört die Band Faust zu den Weltmeistern des Krautrocks. In den 1970er Jahren setzten sie mit ihrer musikalischen Experimentierfreudigkeit Maßstäbe und machten die deutsche Rockszene international berühmt.
Hamburg, 1969: in einem alten Luftschutzbunker trifft sich ein loses Musikerkollektiv um den Keyboarder Hans Joachim Irmler, den Gitarristen Jean Herve Peron und den Schlagzeuger Werner “Zappi” Diermaier. Zunächst wird mit 12 Musikern, darunter drei Schlagzeugern herumexperimentiert. Es bleibt ein halbes Dutzend Kunststudenten, “Lehrer oder Gammler” (Irmler) übrig. Der Musikjournalist Uwe Nettelbeck verhilft zu einem Plattenvertrag bei Polydor. Unglaublich: Faust bekommen einen satten Vorschuss und Carte blanche vom Label.
“Wir waren damals total besessen von unserer Idee und das war eben ansteckend”, erklärte Irmler Jahre später im Interview. "Wir wussten, dass sie mal zwei Monate lang die Beatles hatten, bevor sie den Vertrag mit denen aufkündigten. Also gingen wir mit unserem Mentor Uwe, der sehr eloquent war, zu denen hin und sagten: “Wenn ihr uns nicht nehmt, passiert euch genau dasselbe wie damals bei den Beatles. Außerdem bräuchten wir dringend ein eigenes Studio, um unsere Vision zu realisieren. Und das haben die mitgemacht. Ohne je ein Demo gehört zu haben.”
Die Band zieht es aus der Stadt. In einer alten Dorfschule im niedersächsischen Wümme wird 1971 ein Studio eingerichtet. “Wir wollten raus aus Hamburg und aus diesen Eifersüchteleien in Musikerkreisen. Raus aufs Land. Nur wir sechs von der Band. Also machten wir es und hatten auch ein Vierteljahr lang keinen Kontakt nach außen. Da flogen ganz schön die Fetzen, aber das war gut”, sagte Irmler dem Magazin Laut.de.

Noch im selben Jahr erscheint das nach der Band benannte Debütalbum. Hier schlagen Faust durch die Schallwand von John Cage und The Velvet Underground. Die Furore, die sie international machten, bringt den Begriff Krautrock überhaupt erst ins Musik-Vokabular. In seinem Buch “Krautrocksampler” beschreibt Julian Cope sie als “mythischste Band des Genres”. Der Einfluss von Faust könne “gar nicht überbewertet werden”, sekundiert Archie Patterson im AllMusic-Guide. “Ihr Debütalbum war ein wahrhaft revolutionärer Schritt in der Entwicklung der Rockmusik. Die Vorstellungskraft macht schwindlig, ihr Konzept ist einzigartig und bringt dann auch noch Spaß beim Hören.” Ein explosives, surreales Amalgam aus Elektronika, Rock, Industrial und per Tonbandschnipsel zusammengestellter Klangcollage präsentierten Faust in einer visionären Verpackung: auf farblosem Vinyl, in einer klaren Plastikhülle, mit der
Röntgenaufnahme einer geballten Faust. Vor einigen Jahren ist eine dem Original 100% treue Replik der LP erschienen.
Ein Jahr später legt die Band mit “Faust So Far” nach, ein weiteres extravagant
verpacktes Album beim neuen Label Virgin, mehr Futter für den beginnenden Kult um die Band (auf keinen Fall in Deutschland, vornehmlich in England und den USA). Auf ihrem Zweitling bewegt sich die Band in Richtung eines songformatigeren, wenn nicht gar kommerzielleren Sounds. Wo zuvor Chaos herrschte, tritt Ruhe ein, aus dem Dadaismus des Debüts wachsen Mystizismus und Atmosphäre. Ihre lyrische Ader entdecken Faust auf dem akustischen “Picnic On A Frozen River”. Der Titelsong ist ein hypnotischer experimenteller Country-Funk. “Was die Bandbreite und den Wert der Ideen angeht, das womöglich balancierteste ihrer ersten vier Alben”, befindet der AllMusic-Guide, der diesen beiden Faust-Alben viereinhalb von fünf Sternen verleiht.
Relativ schnell erlischt ihr Stern am Krautrock-Himmel: Nach “The Faust Tapes”, einer Kollektion von Wohnzimmeraufnahmen, und den Alben “The Dream Syndicate” und “Faust IV” kündigt Virgin 1973 den Vertrag. Als ihr Produzent und Band-Mentor Uwe Nettelbeck sich abwendet, löst die Band sich schließlich auf.
Zu Beginn der 90er Jahre geben Faust wieder einige Konzerte und werden nun von Indierock-Größen wie Sonic Youth hofiert. Im aufkommenden Postrock-Genre gelten sie als Ideengeber von Bands wie Tortoise und Stereolab. 2004 initiieren Faust das Klangbad-Festival im oberschwäbischen Scheer, wo neben Newcomer-Acts auch Szene-Größen wie die Sofa Surfers, Bernadette la Hengst und Naked Lunch spielen.

Dadaistische Träumer. Genre-Bieger. Avantgardisten, Pioniere. Kompromisslos verbanden Faust die Extreme und lösten damit einen Urknall in der Rockgeschichte aus: Wumms!

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