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Freiheitskämpfer

Gerald Clayton
21.03.2011
Seit vier Jahren erobert das Trio des Pianisten Gerald Clayton von New York aus den Rest der Jazz-Welt. Zwischen Hardbop-Traditionen und Eigenkompositionen haben die drei Mitt-Zwanziger ihren eigenen Sound gefunden. Eindrucksvoll nachzuhören auf ihrem zweiten Album „Bond: The Paris Session“.

Text: Götz Bühler | Foto: Ben Wolf

„Freiheit ist ein Kaugummibegriff geworden. An jedem Schlagbaum versteht man etwas anderes darunter“, meinte Oskar Kokoschka. Ist der Schrankenwärter beispielsweise Jazz-Polizist, lässt er ein Klavier-Trio nur dann durchgehen, wenn es in seinem Sound-Pass die Stempel „Post-Jarrett“ oder besser noch „Post-Mehldau“ aufzeigen kann. Jenseits davon ist kaum etwas erlaubt, besonders dann nicht, wenn es gefällt. Der 26-jährige Pianist Gerald Clayton, der Oscar Peterson, Monty Alexander, Benny Green und seinen einstigen Lehrer Kenny Barron als Einflüsse nennt, lässt sich davon nicht beirren – und sucht lieber seinen eigenen Weg. „Künstlerische Freiheit bedeutet eben gerade nicht das zu tun, was Kritiker wollen, sondern das, was man in sich selbst spürt und fühlt“, sagt dieser „Anführer einer neuen Generation von Jazzmusikern“, wie ihn Kritiker loben. „Dabei geht es um Ehrlichkeit und Klarheit. Wenn wir drei im Trio zusammen Musik machen, basiert das auf dem enormen Vertrauen, das wir in einander haben. Unsere freundschaftliche und musikalische Verbindung gibt uns die Freiheit, unsere Egos aufzugeben, zu improvisieren und genau die Musik zu spielen, die wir wollen.“ Obwohl Gerald Clayton nur knapp ein Viertel so alt ist wie Jazz selbst, erdet sich seine deutlich moderne Musik in den Traditionen seiner Vorfahren. Immerhin ist der im holländischen Utrecht geborene Pianist in Kalifornien aufgewachsen, im unmittelbaren Einflussbereich seines Vaters, des Bassisten und Bigband-Leaders John Clayton, und seines Onkels, des Saxophonisten Jeff Clayton. Die Vita des Zweitplatzierten bei der „Thelonious Monk Jazz Piano Competition 2006“ (hinter Tigran Hamasyan und vor Aaron Parks) beinhaltet nicht nur etliche Auftritte mit „The Clayton Brothers“, sondern auch mit dem Clayton-Hamilton-Jazz Orchestra und im Roy Hargrove Quintet.

„Bond: The Paris Sessions“, die zweite Studioaufnahme des Gerald Clayton Trios, beginnt selbstbewusst mit Frank Loessers „If I Were A Bell“, einem von nur drei Standards auf diesem Album – und ausgerechnet einem deutlich „un-französischen“: schließlich zitiert Gerald Clayton in seinem Intro den Glockenschlag des Londoner „Big Ben“, wie es schon 1956 Red Garland als Pianist des Miles Davis Quintetts vormachte. „Über die Nationalität des Intros habe ich noch nicht einmal nachgedacht“, gibt Gerald Clayton lachend zu. „Wenn wir Standards spielen, dann weil wir sie lieben und weil sie ganz klar zu dem gehören, woher wir musikalisch kommen. Und auch wenn ich „I Love Paris“ mag, wäre es vielleicht etwas zu platt gewesen, diese „Paris Sessions“ damit einzuleiten.“ Auch wenn die französische Hauptstadt im Titel auftaucht, war der eigentliche Grund, warum dieses Album ausgerechnet im „Studio de Meudon“ am westlichen Rande von Paris entstanden ist, ein italienisches Piano. „Ich hatte früher einmal bei einer Aufnahme an diesem bestens gepflegten Fazioli Flügel gespielt“, erzählt Gerald Clayton. „Als es darum ging, unser neues Trio-Album aufzunehmen, haben wir kurzentschlossen eine kleine Frankreich-Tour gebucht und dann einen Tag lang im Mai dort aufgenommen. Dabei kam uns sicherlich zugute, dass wir das Material bestens kannten – und dass wir alle drei unsere Geburtstage feiern konnten. Vielleicht hat unsere Verbindung, dieser „Bond“, auch ein wenig damit zu tun, dass wir alle drei Stier im Sternzeichen sind. Unser gemeinsamer Antrieb ist es, mit künstlerischem Ausdruck zum Rhythmus und der Harmonie des Lebens zu tanzen.“ Den Spannungsbogen des Albums bilden einige der neuen Stücke des Leaders, die allesamt mit den verschiedenen Verbindungen um und mit den drei Musikern zu tun haben. Aber auch wenn Gerald Clayton in seinen Liner Notes erklärt, dass es sich beispielsweise bei „Bond: The Release“ um „die Bedeutung dieser alten, sich immer vertiefenden Verbindungen: der Liebe der Familie“ handelt, wählt er seine Titel eher „offen“, wie er sagt, mit reichlich Raum für Interpretation. Deshalb freut er sich, wenn man beispielsweise bei „Major Hope“ vermutet, dass es um ihn als Hoffnungsträger für Jazz bei seinem Major Label ginge. „Tatsächlich habe ich den Song kurz vor den letzten Wahlen in den USA geschrieben. Ich hatte ein Bild von Barack Obama auf meinem Flügel stehen und irgendwie fühlte sich dieses Stück so an, als würde es zu ihm passen.“ Wie schon auf seinem für einen Grammy nominierten Debüt „two-shade“, setzt Gerald Clayton auch auf dem neuen Album an einer Stelle effektvoll (und fast hymnisch) die Harmoniegesänge der drei Bandmitglieder ein. „Die menschliche Stimme gibt diesem Stück eine wunderbare Struktur und eine Emotion, die unsere Instrumente allein nicht schaffen könnten. Trotzdem ist und bleibt das Klavier meine wichtigste Stimme.“ Bevor das Gerald Clayton Trio (also Gerald plus Joe Sanders am Bass und Justin Brown am Schlagzeug) im Mai 2011 einige Konzerte in Deutschland und Österreich spielt, ist der Junior hier schon im April als Pianist der „Clayton Brothers“ zu erleben. Und das ist erst der Anfang. „Natürlich haben sich die Zeiten geändert“, sagt Gerald Clayton. „In New York und auf der ganzen Welt spürt man, dass die Jazz-Szene enger wird und gleichzeitig der Druck wächst. Aber ich bin fest überzeugt, dass es immer einen Platz für talentierte und kreative Musiker geben wird.“

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