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Götz Alsmann: Zuckersüßer Wahnsinn

14.02.2001
Götz Alsmanns Jazzschlager verändert die Welt. Zugegeben: eine kleine Welt, aber doch eine schöne. Es ist die Welt der Theater und Jazzclubs, die Welt von Rundfunk und Fernsehen, die Welt angeregter Tischgespräche und aufgeregter Auditorien. Es ist die Welt derer, die sich längst haben fangen lassen von der Vortragskunst Götz Alsmanns, dem Klang seiner Band, dem Humor und der Melancholie eines schönen Konzerts dieses trefflichen Ensembles. Es ist die Welt derer, die sich versenken in die Idee hinter der ganzen Veranstaltung.
Diese Idee, nämlich jazzartige Musik in deutscher Sprache zu präsentieren, ist so alt wie… wie jazzartige Musik in deutscher Sprache. Uralt. Aber verschollen. Vergessen. Verdrängt. Vergeigt. Bis jetzt, denn nach der Selbstentmannung des Schlagers bedurfte es eines Visionärs, um die Mauern zwischen Augenzwinkern und Lippenbeben in Wort und Musik einzureißen, das populäre Lied wieder zurückzuführen zu Mambo, Bossa und Swing, wo es schließlich hingehört. Daß Alsmann die lange Zeit vakante Stelle dieses Visionärs hervorragend ausfüllt, macht einmal mehr sein neues Album “Zuckersüß” deutlich.
 
Wer hätte wohl gedacht, daß Peter Alexander in Wahrheit ein waschechter Kubaner ist? Und wer erwartet, daß ein eigentlich adretter Mann im mittleren Alter mit Krawatte plötzlich in wilde Verrenkungen verfällt, bis seine Musiker ihn von der Bühne tragen müssen? Überraschungen, vor denen bei Götz Alsmann kein Zuschauer gefeit ist. Und doch sind sie alle immer wieder gern bei ihm zu Gast, weil der Westfale sein Repertoire aus Schlagern und Revue-Nummern der jungen Jahre dieser Republik mit Bravour und vor allem Lust ein wenig bricht, um nicht Gefahr zu laufen, zum Nostalgiker erklärt zu werden. Was ja passieren könnte, angesichts eines Repertoires aus Klassikern und Schmankerln, die zuweilen schon geschrieben waren, bevor Götz 1957 in Münster das Licht der Welt erblickte.
 
Dabei singt Alsmann nicht jene Schlager, mit denen in den letzten Jahren mancher Interpret zur Kultfigur geworden ist. Bei ihm geht der Blick noch weiter zurück, wenn er sich und uns an einstige, inzwischen vergessene Komponisten wie Michael Jary, Bully Buhlan oder den jungen Hans Dieter Hüsch, “der immerhin fast einmal Deutschlands Yves Montand geworden wäre”, erinnert. Eine Schrulle, vielleicht, doch Alsmann läßt sich nicht beirren: “Diese Leute haben Texte geschrieben, die sich bestenfalls mit den besten des amerikanischen Jazz vergleichen lassen, und ich liebe nun einmal solch eine wunderbare Mischung aus Humor und Sentimentalität.”
 
Das war schon so auf seinem letzten Album “Gestatten, Götz Alsmann”, und daran hat sich beim neuen Werk “Zuckersüß” nichts geändert – ob Alsmann nun Hüschs “Vagantenlied” oder die Eigenkomposition “Dufte”, Jarys “Es liegt was in der Luft” oder gar einen Chanson von Serge Gainsbourg unter dem Titel “Das war eine schöne Party” präsentiert; ein Titel übrigens, mit dessen Originalversion “Poupée De Cire, Poupée De Son” schon France Gall 1965 beim Grand Prix die Konkurrenz auf die Plätze verwies. “Die ideologische Ausrichtung dieser Platte”, wieder so eine Alsmann-Formulierung, die erst verzögert wirkt, “ist die gleiche geblieben. Nur daß diesmal ein wenig mehr Bossa Nova als Mambo enthalten ist und wir durch mehr Zeit im Studio weiter an den Arrangements feilen konnten.” In der Tat ähnelt der Sound der ergrauten, aber keinesfalls verstaubten Lieder jenem, der Alsmann und seinen langjährigen Begleitern auch auf deutschen Theaterbühnen zwischen Flensburg und Passau stets ausverkaufte Häuser beschert.
 
Wobei ihm, da bleibt der 42jährige Realist, “natürlich auch meine TV-Präsenz hilft.” Seit Jahren schon ist Alsmann dort mit Shows wie “Zimmer frei”, “Casino Royale” oder der “Götz Alsmann Show” vertreten. “Viele Leute kommen also erstmal, um das bekannte Gesicht zu sehen, das macht die Säle voll. Aber wenn die Zuschauer am Ende nach Zugaben rufen, dann haben wir uns das erspielt.” Ein Schauspiel, ohne das kein Abend mit Alsmann auskommen muß.
 
Ein Umstand, den der gebürtige und nie stadtflüchtig gewordene Münsteraner nicht zuletzt auch seiner Band zu verdanken hat. Mit ihr verbindet ihn eine lange Geschichte: Bassist Michael Müller ist schon seit 23 Jahren sein musikalischer Partner, Percussionist Markus Passlick und Ludwig Goetz an der Posaune seit zwölf, Schlagzeuger Rudi Marhold seit sieben. “Manche mögen vielleicht denken, es drohe die Gefahr, daß man gern auf alte Klangmuster zurückgreift, die wir alle kennen und können.” Mitnichten! Die langjährige Zusammenarbeit macht viele Worte überflüssig; es genügt ein Augenzwinkern, welche Tonart? Los geht’s! – Den Rest macht die Musik. “Die kostbare Zeit nutzen wir lieber für kreative Ausflüge.” Außerdem verhindern Gäste wie Trompeter Till Brönner und Saxophonist Georg Mayer auch auf “Zuckersüß” (wie schon bei dessen Vorgänger) den gefährlichen Sturz in die Routine. Den übrigens verbietet auch das Publikum ihrem Götz; neben den Pensionären mit ihren Enkeln im Saal “stehen eben auch diese Studenten und Gymnasiasten, die dem vermeintlich schrägen Musikgeschmack frönen, um sich abzugrenzen. Und dann, ich erinnere mich an einen Abend in Oldenburg, fliegen BHs auf die Bühne wie sonst bei Tom Jones.”
 
Mit den Wiedergeburtshelfern des Schlagers aber, mit einem Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn, möchte Götz Alsmann lieber doch nicht in einen Topf geworfen werden. “Zum einen”, sagt er, “sind die in die selbstgestellte Falle getappt und haben nicht rechtzeitig bemerkt, wie schnell ein Kult verglühen kann.” Und zum anderen trete er nicht an, um Parodien auf die Bühne zu bringen. “Ich singe zwar mit einem Augenzwinkern diese alten Lieder, aber die sind schon so gemeint, wie sie klingen, und sie klingen so, wie sie gemeint sind.”
 
Und so werden die Songs von “Zuckersüß”, werden Verse, die einst Horst Winter, Peter Alexander oder Heinz Erhardt schrieben und sangen, und denen Alsmann mit “Dufte” eine kongeniale Eigenkomposition an die Schokoladenseite stellt, aus Einfamilienhäusern, Altersheimen und auch Jugendzimmern erschallen. “Die Ziegenbartträger im Polyesterhemd”, grinst Götz Alsmann, “kommen ja nicht aus Versehen in meine Konzerte. Die haben halt bemerkt, daß Techno ein schlechter Begleiter eines netten Abends beim Glas Wein ist.” Der manchmal halt auch zum tumultösen Rock’n'Roll werden kann. An Götz jedenfalls soll’s nicht liegen. Der weiß schließlich genau, was Entertainment bedeutet und wie schön Humor das Leben machen kann.

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