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Gonzales – Soft Power

02.04.2008
“… and now for something completely different”. Mit dieser zum Klassiker gewordenen Sketch-Überleitung der schrägen Komikertruppe Monty Python könnte man auch jedes neue Album des weder minder schrägen noch minder komischen Multitalents Gonzales ankündigen. Denn kaum hat der kreative Kanadier ein musikalisches Feld erfolgreich beackert, schon zieht es ihn weiter auf neues brachliegendes stilistisches Terrain. Nachdem er zuletzt auf der CD “Solo Piano” als feinfingriger Solopianist mit jazzig-romantischer Attitüde agierte sowie auf der DVD “From Major To Minor” den unorthodoxen Pianolehrer mimte, knöpft er sich nun auf seinem Album “Soft Power” Softrock mit deutlichem Siebziger-Jahre-Einschlag vor. Bei vier Konzerten in Hamburg (Kampnagel K6 am 16. April), Berlin (Volksbühne am 17. April), München (Kleine Elserhalle am 18. April) und Köln (Stadtgarten am 20. April) wird Gonzales sein neues Material auch erstmals live in Deutschland vorstellen.
Natürlich hängt es auch davon ab, wen man befragt. Doch die Frage “Wer genau ist eigentlich dieser Gonzales?” wird so oder so eine ganze Reihe von unterschiedlichen Antworten hervorrufen. Manchmal ein gewähltes “Je ne sais pas”, dann aber gibt es auch Aussagen wie “Witz-Rapper aus dem Berliner Untergrund”, “für einen Grammy nominierter Workaholic, Multiinstrumentalist und Produzent” oder auch “melancholischer Klavier-Virtuose”. Und ab sofort auch: “Softly powerful crooner”.

Bis hierher ging alles ungemein schnell: Den Anfang markierte das inzwischen zum Klassiker avancierte Electro-Hipster-Album “Gonzales Uber Alles” aus dem Jahr 2000. Ü-Punkte waren ubrigens tatsachlich nicht vorgesehen. Seither hat jedes seiner Alben ihn auf neues stilistisches Terrain verschlagen; jedes Mal ein neuer Style, ein neues Image, eine neue Strategie, um den Medien zu zeigen, wo der Hammer hängt. Und doch gab es eine Konstante in all dem Wandel: die Genialität, mit der Gonzales seine Songs bzw. Alben strickt. Dazu die extrem ausgeprägte Fähigkeit, einem Publikum – sei es nun vor einer Bühne oder vor einem Plattenspieler – mit seiner Show kollektiv die Kinnlade auszuhebeln. Was nicht zuletzt auch von einem gewaltigen Ego zeugt …

Gonzales kehrte Kanada im Jahr 1998 den Rücken. Vor 10 Jahren also. Er hatte die harsche Realität der (damals tatsächlich noch existierenden) Musikindustrie in einem buchstäblichen Crash-Kurs lernen müssen: sein Plattenvertrag mit Warner platzte schon binnen kürzester Zeit. Das Label wollte ihn droppen, aber er nahm sich einen guten Anwalt, und schließlich bezahlten sie ihn sogar dafür, als er das Label verließ. Eigentlich nicht schlecht. Aber natürlich noch längst nicht genug.



Also ging’s nach Berlin. In den darauf folgenden “Hipster-Jahren” wurde Gonzo (wie er u.a. liebevoll von Kollegen wie Feist, Jamie Lidell oder Mocky genannt wird) gefragt, so illustre Künstler wie Daft Punk oder Björk durch seinen Remix-Fleischwolf zu drehen – woraufhin er sich jedoch kurzerhand dazu entschloß, die Stücke von Grund auf neu einzuspielen. In einer inzwischen legendären Pressekonferenz ernannte er sich ganz beiläufig zum “President of the Berlin Underground”, und die Anwesenden dachten, sie hätten einen seiner Scherze live miterlebt. Er wurde zu David Bowies Meltdown Festival nach London eingeladen. Doch auch das alles war noch längst nicht genug.

Daher die nächste Station: Paris. Jener Ort also, an dem er in überaus entspannten (Schlafanzug-)Sessions mit seiner einstigen Tourgefährtin Feist deren grandioses Debütalbum “Let It Die” aufnehmen sollte (ein Album übrigens, das schließlich eine halbe Million Einheiten verkaufte). Außerdem tat er sich mit dem französischen Produzenten Renaud Letang zusammen, was dazu führte, daß er sich nun auch für Jane Birkin, Charles Aznavour und den französischen “Superstar” Christophe Willem um Instrumentierungen und die Produktion kümmerte. Zugleich sagte er entschieden “Non!” zu einer Vielzahl französischer Nachwuchs-Singer/Songwriter, weil sie schlichtweg nicht gut genug waren, wobei er die Anfragen von Teki Latex und Phillipe Katerine dann doch nicht ausschlagen konnte. Ja, Gonzo hat sogar auf einem Song von Iggy Pop Schlagzeug gespielt: bei “Motor Inn” anno 2004.

Im selben Jahr erschien mit “Solo Piano” (Universal Jazz) auch das bis dato bestverkaufte Album von Gonzales. Dank diesem Album sagt der Name “Gonzo” plötzlich auch wirklichen Menschen etwas – solchen Wesen nämlich, die bisweilen tatsächlich in Läden gehen, um richtige Musik zu kaufen. Die Klavier-Kompositionen fungierten kurze Zeit später in einem Dokumentarfilm über Hitlers Leibwächter sowie in Filmen von François Ozon, Patrice Leconte und Pierre Jolivet als Soundtrack. Auf der Doppel-DVD “From Major To Minor” aus dem Jahr 2006, konnte man Gonzo schließlich dabei erleben, wie er seinem Publikum surrealen Musikunterricht gibt – und zwar in Pantoffeln!

Heute ist Gonzales bei Menschen und Hipstern gleichermaßen angesagt. Was also bleibt diesem dysfunktionalen Größenwahnsinnigen noch? Welchen Move kann er nach seiner Entwicklung vom Outsider zum Insider noch bringen? Die Antwort lautet “Soft Power”. So der Titel seines neuen Albums für Mercury Records. Zehn Songs, sanfter und zugleich druckvoller, nach vorne gerichteter Softrock mit deutlichem Siebziger-Jahre-Einschlag, gemischt mit eindringlichen Balladen, wie nur Gonzo sie einspielen kann. Die Special Edition des Albums kommt zudem mit drei exclusiven Bonustracks daher. Doch eine Frage bleibt: Wird es damit dann endlich genug sein? Die Antwort wird ganz sicher das nächste Album von Gonzalez geben.

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