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Abbado, Grimaud und die Russen

Claudio Abbado und Hélène Grimaud © Deutsche Grammophon
© Deutsche Grammophon
07.10.2009
Russland, so will es der Mythos, ist ein Land der Melancholie, des Überschwangs ebenso wie des Pathos. Russische Komponisten haben gerne mit diesen Assoziationen gespielt, Tschaikowsky deutlich aus dem Geiste der Romantik, Rachmaninow mit einer Prise Ironie vor dem Hintergrund des Fin-de-Siècles, Stravinsky klar auf der Suche nach Auswegen aus der Klischeefalle. Wenn nun jemand einen russischen Abend am Beispiel dieser drei Komponisten zusammenstellt, dann hat er die Chance für einen großen und beeindruckend sich steigernden Spannungsbogen. Claudio Abbado hat diese Gelegenheit ergriffen und gemeinsam mit dem Lucerne Festival Orchestra und der Pianistin Hélène Grimaud als Solistin einen großen Konzertabend geschaffen, der nun auch mit einem DVD-Mitschnitt nachzuvollziehen ist.

Das Konzert im Rahmen des Lucerne Festival 2008 war für alle Beteiligten faszinierend. Denn es fand in vieler Hinsicht unter idealen Bedingungen statt. Da waren zunächst der Dirigent und sein Orchester. Claudio Abbado hatte das Lucerne Festival Orchestra 2003 ins Leben gerufen, in Erinnerung an eine Idee von Arturo Toscanini, der anno 1938 schon einmal ein vergleichbares Spitzenensemble gegründet hatte. Es ist ein Kammerorchester, das aus ausgesuchten Solisten besteht, auf der Basis des ebenfalls von Abbado geleiteten Mahler Chamber Orchestra, und es zeichnet sich durch eine Qualität aus, die der Konzertmeister Kolja Blacher folgendermaßen umschreibt: „Das Besondere an unserem Orchester? Wir müssen nicht miteinander spielen, wir wollen!“ Das wirkt sich nicht nur auf die musikalische Gesamterscheinung aus, sondern inspiriert auch Solisten, die mit dem Ensemble arbeiten. In diesem Fall war es die französischen Starpianistin Hélène Grimaud, die das Orchester „mit einer wunderbaren Hingabe zur Musik, das Dichte und zugleich Anmut besitzt“, erlebte und zugleich von Claudio Abbado hingerissen war: „Man muss nicht ein Gefühl, eine Emotion zerreden. Claudio Abbado drückt alles Nötige aus, besonders durch die Dinge, die sich in seinem Blick seinem Gesicht abspielen. Er besitzt ein große Transparenz, die Art und Weise, wie er dirigiert, seine Absichten sind absolut klar und deutlich.“

So waren die Proben ein Genuss und das Konzert erst recht. Hélène Grimaud kam der mittlere Part der „Russian Night“ zu, in dem sie das zweite Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow interpretierte, das sie selbst bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten im Repertoire hat. Gerahmt wurde das prachtvolle Werk von den beiden anderen Giganten des russischen Musiklebens, die in diesem Fall mit orchestralen Kompositionen zum Zug kamen. Den Anfang machte Peter Tschaikowskys sinfonische Fantasie „Der Sturm“ nach der Bühnenvorlage von Shakespeare, die von seinen Zeitgenossen in den 1870er Jahren als tiefer Ausdruck der emotionalen Seele verstanden wurden. Am Schluss wiederum klammerte Igor Strawinskys Ballettsuite „Der Feuervogel“ den abwechslungsreichen Abend, die 1910 als Vorlage für die „Ballets Russes“ entstanden war und unter Abbados Leitung nichts von der revolutionären Energie der Originalepoche verloren hat. So war das Publikum aus dem Häuschen und da das Schweizer Fernsehen zusammen mit Arte, Euro Arts Music International und dem Lucerne Festival beschlossen hatte, „A Russian Night“ aufzuzeichnen, ist dieses Konzerterlebnis nun auch in bester Ton- und Bildqualität auf DVD zu genießen.

Wenn Sie mehr über Claudio Abbado und Hélène Grimaud erfahren möchten, dann besuchen Sie deren Künstlerporträtseiten auf KlassikAkzente.

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