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Jamie Cullum – Twentysomething (Special Edition)

05.11.2004
Nachdem erst letzte Woche die fantastische Jamie-Cullum-DVD “Live At Blenheim Palace” veröffentlicht wurde, erscheint nun das Erfolgsalbum “Twentysomething” in einer limitierten Special Edition mit neuem Artwork und vier Bonus-Tracks, nach denen sich die Fans des britischen Sängers, Songwriters und Pianisten die Finger lecken dürften: “Everlasting Love” ist die brandaktuelle Single aus dem Film “Bridget Jones 2”; “Frontin'” ist eine Cover-Version des Neptunes-Hits, die bislang nur als Single oder auf importierten US-Alben erhältlich war; “Can’t We Be Friends” konnte man bisher nur als kostenpflichtigen Download-Track ergattern oder wenn man sich die japanische Album-Version von “Twentysomething” zulegte; und der Titel “High And Dry”, eine Adaption des Radiohead-Hits, stammt ursprünglich von dem Album “Pointless Nostalgic”, mit dem Cullum in England der große Durchbruch gelang.
DIE JAMIE-STORY

Während in Deutschland noch sogenannte “Superstars” aus Casting-Shows purzeln, gilt in England ein charismatischer, hochtalentierter 23jähriger Sänger und Pianist als Hoffnung der Musikindustrie. Jamie Cullum heißt dieses Ding der Unmöglichkeit, der britischen Öffentlichkeit auch als “Musik-Beckham” oder schlicht “der Millionär” bekannt.

Jamie Cullums Aufstieg vom Studenten und sich selbst promotenden Musiker zum Shooting-Star des Jahres und Dauergast in den Medien brauchte gerade mal eine Nacht. Sein in Eigenregie produziertes Album “Pointless Nostalgic”, bei dem kleinen englischen Independent-Jazz-Label Candid Records erschienen, bekam nicht nur grandiose Kritiken, sondern geriet auch in die Hände des bekanntesten britischen Talkshowmasters Michael Parkinson, der Cullum in seine von Millionen Briten gesehene Samstagabend-Sendung einlud. Am Tag darauf war nichts mehr wie vorher: Jamies CD schoß in die Pop-Charts und Englands Medien drehten schlicht und einfach durch. Eine neue Art von Star war geboren: Ein smarter 23jähriger mit dem Charme und Sex-Appeal eines Pop-Idols, aber auch mit musikalischen Talenten, die selbst die strenge Jazzkritiker ins Schwärmen brachten. Einer, der die Frechheit der Rockmusik mit der Eleganz des Swing verband. Universal England offerierte ihm einen bislang einzigartigen 1 Millionen-Pfund-Deal, was die Presse weiter anheizte.

Der Jubel um Jamie ist berechtigt. Sein erstes Major-Label-Album “Twentysomething”, schon vor Veröffentlichung von der britischen Presse als “Album des Jahres” angekündigt, ist der erwartete große Wurf geworden. Gleich nach der England-Veröffentlichung im November 2003 eroberte es Platz 5 der Pop-Album-Charts und tummelt sich seitdem im oberen UK-Chart-Drittel. Produziert wurde es vom legendären Stewart Levine (Simply Red, The Crusaders, George Benson), und wurde komplett live und analog in den Londoner Mayfair Studios (Radiohead, Oasis) eingespielt. Den Hörer reißt es hin und her mit Swing-Klassikern wie “Singin' In The Rain” und “What A Difference A Day Made”, zu Pop verwandelten Rock-Songs von Jimi Hendrix und Jeff Buckley sowie eingängigen Eigenkompositionen.

Jamie Cullum ist jung genug, nicht in Schubladen zu denken, und clever genug, all seine musikalischen Talente voll auszuschöpfen. Er ist charmant und ernsthaft, smart und uneitel, abgedreht statt abgehoben. Er wird auch den Rest der Welt erobern. Garantiert.


DIE JAMIE-BIO

Es war einmal … so beginnen Märchen und deshalb auch dieses, so wahr es auch sein mag.

Es war einmal ein grottenschlechter Klavierschüler. Er haßte es zu üben, verstand nichts von Musiktheorie, war sich nie ganz sicher, wozu Tonarten gut sein sollten. Er verpatzte sämtliche Pianoprüfungen und gab nach drei Jahren auf. Elf Jahre war Jamie Cullum da alt. Und überall von Musik umgeben. Sein Vater hatte schon vor der Geburt des Sprößlings eine eigene Band gegründet: The Impacts – mit Mama Cullum, Gesang, Papa Cullum, Rhythmusgitarre, einem Onkel an der Leadgitarre und Opa am Saxophon – tourten mit einem Coverprogramm von Beatles bis Bacharach durch die Pubs von Essex. “Es war keine Band, mit der man berühmt werden konnte”, sagt Jamie. “Es ging eher ums Geldverdienen.”

Ein paar Jahre nach dem Klavierdesaster, der Clan war inzwischen von Essex nach Wiltshire gezogen und Papa ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden, bekam Jamies älterer Bruder Ben, ein rebellischer Teenager mit Enthusiasmus für Heavy Metal und Grunge, eine Gitarre zum dreizehnten Geburtstag geschenkt. Ein knappes Jahr später hatte sich Ben allerhand beeindruckende Akkorde und Tonleitern draufgeschafft. Jamie, von der brüderlichen Begeisterung für Nirvana und Soundgarden ebenso angesteckt wie vom Coolness-Faktor des Gitarrenschwingers, begann sich das brüderliche Instrument so oft zu leihen, bis auch er eine E-Gitarre auf dem Geburtstagstisch fand. Jetzt übten sie zusammen Hardrock-Licks. Eine Stunde Gitarrenunterricht hatte Jamie auch, aber nachdem man ihm einen Dire-Straits-Song beigebracht hatte und für die nächste Stunde “Heartbreak Hotel” in Aussicht stellte, gab er auf. “Alles, was ich lernen wollte, war das Eddie-Van-Halen-Solo in Michael Jacksons ‘Thriller’”, erinnert er sich. Im Alleingang brachten sich Ben und Jamie nicht nur Van-Halen-Licks, sondern auch allerhand andere Kuriositäten bei, stimuliert von Funden aus der elterlichen Plattensammlung. Dort fanden sie Alben von Oscar Peterson. Und von Miles Davis. Je mehr Jazz sie entdeckten, umso regelmäßiger, selbstverständlicher und natürlicher fing Jamie wieder mit dem Klavierspielen an.

“Die Typen auf diesen alten Jazz-LPs waren nicht nur cool, sondern auch unglaubliche Musiker. Ich war total beeindruckt. Okay, ich war ein bißchen frühreif”, erinnert sich Jamie Cullum. Er fing an, über die Nächte auf der 52nd Street in den fünfziger Jahren zu lesen, von Beboppern und Swingern, die bis morgens um sechs durch die Clubs zogen. Gleichzeitig hörte er Portishead und Roni Size, und spielte Keyboard in Schul-Rockbands. Seiner Liebe zum Swing tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Schon bald begann Jamie Cullum ernsthaft in der lokalen Jazzszene mitzumischen. Nach einer Weile fand er heraus, daß einige der 60jährigen Veteranen “die coolsten, dreistesten, versautesten Party-Animals waren, die ich je kennengelernt hatte. Es war ein großartige Zeit.” Die älteren Herren schätzten ihrerseits den jugendlichen Enthusiasmus des Knaben und machten sich auch nicht sonderlich viel daraus, wenn dieser manchmal nicht ganz den richtigen Akkord traf. “Ich habe mein Zeug nicht in einem Klassenzimmer, sondern auf der Bühne gelernt. Normalerweise geht es im Jazz um technische Perfektion. Aber obwohl ich selbst gerne technisch besser wäre und auch ständig daran arbeite, war das nicht vorrangig das, worum es mir ging.”

Cullum schrieb sich an der Universität für Film und Englische Literatur ein. Die Musik zu seinen Kurzfilmen schrieb und jammte er selbst. Nebenbei spielte er bei den verschiedensten Gigs, auf Hochzeiten und sogar auf einem Kreuzfahrtschiff. Irgendwo mußte das Geld ja herkommen. Irgendwann, eines Nachmittags, nahm er dann sein erstes Album auf und ließ es auf eigene Kosten pressen. “Heard It All Before” war der vielsagende Titel. Für zehn Pfund das Stück verkaufte er 700 Exemplare davon bei seinen Auftritten und steckte den Verdienst plus die Überbleibsel seines “Studiendarlehens” in die Produktion seines nächsten Albums: “Pointless Nostalgic”. Der Titelsong kam von seinem Bruder Ben und beschäftigt sich mit dem angeblichen Widerspruch des singenden Jazzpianisten und dessen Indie-Rocker-Wuschel-Frisur. Auf dem Album fand sich neben einer swingenden Version von Radioheads “High And Dry” auch eine Eigenkomposition mit dem verheißungsvollen Titel “I Wanna Be A Pop Star”. Genau, es ist eine Abrechnung mit der weltweiten TV-Suche nach dem am besten zu vermarktenden Klon-Clown, in England unter dem Titel “Pop Idol” ausgestrahlt. “Pointless Nostalgic” erschien auf dem kleinen britischen Jazzlabel Candid Records und erntete Jubelkritiken in der Musikpresse. Die ersten sprachen jetzt davon, daß dieser junge Sänger und Pianist das Zeug habe, die Pop- und Jazzwelt zugleich im Handstreich zu erobern.

Und dann kam “Parkinson”, Englands “Wetten daß?”, die Samstagabend-Sendung, die das ganze Land schaut. Showmaster Michael Parkinson liebt Swing und Jazz, und so ließ er es sich nicht nehmen, Jamie in seine Sendung einzuladen. Mit seinem Trio sang und spielte Jamie den Musical-Klassiker “You And The Night And The Music” so locker und lässig, als hätte es vor ihm weder Sinatra noch Robbie Williams gegeben. Mit T-Shirt und Strubbelfrisur, und mit dem charmantesten, frechsten Lächeln, das seit langem über den Sender gegangen war. Die Folgen kennen wir jetzt: Fans, Charts, Jubel-Presse und Yellow-Press. Teenie-Mädchen und Jazzfans in seltener Einigkeit: Alle liebten auf einmal Jamie, sogar der Prince of Wales, der ihn im Mai als musikalischen Überraschungsgast zum Geburtstag der englischen Königin in den St. James Palace bat. Der Klatschpresse zufolge soll sich Jamie beim anschließenden Händeschütteln mit der königlichen Familie ausgiebig über Techno-Einflüsse im modernen Rock mit Prince William unterhalten haben. Auch Paul Weller half. Der “Modfather” lud Jamie als Gast zu einem Auftritt im Hyde Park. “Ich werde mich immer auch in andere musikalische Dinge einmischen”, meint Jamie. “Das hält frisch.”

So frisch, daß Cullum im Oktober 2003 als erster europäischer Headliner überhaupt ein dreiwöchiges Engagement im ehrwürdigen Oak Room des New Yorker Algonquin Hotels spielte, in dem unter anderem auch Diana Krall ihre Karriere begann. So wie sie trat auch Jamie mit dem erklärten Ziel an, von dort aus den amerikanischen Musikmarkt aufzuräumen. Der Twen(tysomething) liebt es, sein Publikum sanft zu schocken. Er weiß, wie man Anzug und Turnschuhe kombiniert, und wann es in seiner umwerfend lebendigen Live-Show Zeit ist, ein wildes Drum-Solo auf dem Rücken seines Flügels zu hämmern. “Ich bin früher immer wieder bei Jazzkonzerten gewesen, bei denen mich die Musik begeistert, aber die Show zu Tode gelangweilt hat. Ich dachte nur: Was machen die da? Supermusiker, aber ohne den geringsten Anspruch, dem Publikum etwas zu vermitteln. Kein Spaß weit und breit. Dann ging ich zu den Rockern von The Wedding Presents, bei denen das Showtalent weit über die Musikalität ging. Seitdem versuche ich, beide Welten zu verbinden, den musikalischen Anspruch und das Entertainment.”

Dazu gehört auch die Wahl des richtigen Songmaterials. Natürlich spielt und singt Jamie Jazzstandards. Aber keinen unglaubwürdigen “Oldie-Kram”. “Ich versuche ganz bewußt, nicht der ‘junge Typ mit den alten Songs’ zu sein. Dann schon lieber der ‘junge Typ mit den alten Songs, die ganz frischem rüberkommen’.” Obwohl er Sinatras “Stardust” für einen der großartigsten Songs aller Zeiten hält, würde er ihn selbst nicht singen. “And now the purple dusk of twilight times steals across the meadows of my heart” paßt einfach nicht zum Selbstverständnis eines 23jährigen. Dann schon eher “I Get A Kick Out Of You”, mit seinen immer aktuellen Anspielungen auf Champagner und Kokain: “Dieser Song hätte auch gerade eben geschrieben sein können. Man muß sich seine Songs sehr sorgfältig aussuchen. Natürlich weiß ich die Schönheit der alten Klassiker zu würdigen, aber um sie vernünftig singen und spielen zu können, müssen mir die Worte persönlich etwas bedeuten.”

“I Get A Kick Out Of You” ist einer von vierzehn Songs auf Jamie Cullums Universal-Debüt. Wie schon erwähnt wurde es im Sommer 2003 in acht Wochen von Stewart Levine in London produziert. Live und analog, ohne Overdubs und technischen Schnickschnack, dafür mit guten Musikern und grandiosen Arrangements. Weil all das dem Talent des jungen Sängers und seinem authentischen Anspruch am ehesten gerecht wird. Ein weiterer Klassiker auf diesem Album ist “I Could Have Danced All Night” aus dem Musical “My Fair Lady”, ein regelmäßiges Highlight seiner Live-Shows, nicht zuletzt, weil Jamie darauf besteht im Verlauf der Nummer vom Klavier aufzustehen und “wie ein Idiot durch den Saal zu tanzen”. Bei dieser Aufnahme bekommt der Song “ein bißchen Afrobeat-Flavour und Thriller-Vibes”. Außerdem wären da noch “Singin' In The Rain”, gesungen wie von einem jungen Meister, und “But For Now”, gesungen wie von einem legendären Balladensänger.

Natürlich präsentiert “Twentysomething” auch wieder die Songwriting-Talente der Gebrüder Jamie und Ben Cullum. Das Titelstück ist ein moderner, lebenslustiger, selbstironischer und amüsanter Song darüber, “wie man in seinen Zwanzigern durchdreht, nachdem man all dieses Zeug gelernt hat und immer noch nicht weiß, wie man sein Leben leben soll”. “These Are The Days” ist eine “Van-Morrison-artige Sommerhymne für die Verlassenen”. Das elegante “All At Sea” stammt aus einer Zeit, als Cullum noch “Tea For Two” und Stevie-Wonder-Hits auf Kreuzfahrtschiffen spielte (an sich schon eine Geschichte wert, aber die würde hier zu weit führen). “Es geht darum, ohne Handy-Empfang auf einem Deckchair eines Schiffes voll reicher Rentner in einem norwegischen Fjord zu sitzen. Das bringt einen zum Nachdenken.”

“Twentysomething” ist ein großes, großartiges Album, mit Material von Musical-Klassikern der 50er über Pop und Rock bis zu hochmodernem, souligem Jazz. “Selten klang echte, handgemachte Musik so jung und frisch”, hieß es im Guardian. Das hat, laut Jamie Cullum, viel damit zu tun, daß er eben erst in seinen Zwanzigern ist. Der Sprung zwischen den Musikstilen fällt eben leicht, wenn man sie alle versteht und es einem deshalb egal ist, wer wo irgendwann welche Grenzen gesetzt hat. “Ich lerne und entdecke immer mehr”, meint Jamie Cullum. “Es gibt immer noch ein paar Beatles-Alben, die ich nicht kenne. Und etliche Jazzgeschichten, die ich noch nicht gründlich erforscht habe. Und ich liebe Popmusik!” Jamie Cullum ist ein unglaublich erfolgreicher, talentierter, erfrischender Superstar. Und das Beste: Er fängt gerade erst an.
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