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Der Neo-Crooner

Jose James und Jef Neve © Nathan Gallagher
Nathan Gallagher
03.06.2010
Vom Senkrechtstarter des Neo-Soul zum Jazz-Crooner klassischer Schule. Für José James ist dies nur ein kleiner Schritt gewesen. Noch vor drei Jahren war der aus Brooklyn stammende Sänger lediglich Insidern bekannt, jetzt ist sein Name plötzlich in aller Munde. In diesem relativ kurzen Zeitraum brachte der heute 27-Jährige auf Gilles Petersons Brownswood-Label zwei starke eigene Alben heraus und brillierte als Gastvokalist unter anderem auf Produktionen von Jazzanova und Nicola Conte. Schon da ließ er erahnen, dass er weit mehr ist als nur die neue aufregende männliche Stimme der Neo-Soul-Szene. Denn in José James steckt, wie er schon an der Seite von alten Jazzrecken wie dem Pianisten Junior Mance und dem Schlagzeuger Chico Hamilton bewies, auch ein echter Jazzsänger von Format. “Ich dachte, solche Sänger existieren nicht mehr”, meinte sein Entdecker Gilles Peterson und gestand dann: “Ich habe mich geirrt. José James erinnert uns daran, wieso wir Musik so sehr lieben.” Und sollte tatsächlich noch jemand Zweifel an James’ jazzigen Qualitäten noch haben, dann werden diese nun mit dem neuen Album “For All We Know” sicherlich endgültig ausgeräumt.
Mit “For All We Know” ist für José James ein Traum wahr geworden: Das Album erscheint bei dem nach sechs Jahren Pause reaktivierten Label Impulse! Records, für das 2004 zuletzt Alice Coltrane ins Studio gegangen war. “Dass mich Impulse! Records unter Vertrag genommen hat, ist sicherlich der absolute Höhepunkt in meiner bisherigen musikalischen Laufbahn”, freut sich James. “Impulse! Records ist das Haus, das Trane errichtete, das Label, bei dem viele der besten Arbeiten der Musikgeschichte erschienen sind und Vokalisten vom Kaliber eines Johnny Hartman ihre Heimat hatten.”
Zusammen mit dem legendären John Coltrane Quartet hatte der Crooner Hartman 1963 für Impulse! den Klassiker “John Coltrane And Johnny Hartman” aufgenommen, sein unbestritten  bestes Album. Und an Johnny Hartman erinnert einen auf “For All We Know” gelegentlich auch  die geschmeidige Baritonstimme von José James. Doch der New Yorker schöpft noch aus anderen Inspirationsquellen: als seine großen Vorbilder nennt er selbst gerne John Coltrane, Marvin Gaye und Billie Holiday. Beeinflusst haben ihn aber zudem hörbar Leon Thomas, Terry Callier und Gil Scott-Heron. Und wenn man seine großartigen Darbietungen auf “For All We Know” hört, spürt man auch gleich, dass er all diese Ikonen der afro-amerikanischen Musik eingehend studiert hat, das dabei Verinnerlichte aber in einen zeitgenössischen Kontext zu setzen versteht.

Originalität bewies José James nicht zuletzt bei der Wahl seines musikalischen Partners. Statt mit einer kompletten Band ins Studio zu gehen, verließ sich mutig und selbstbewusst allein auf die Fähigkeiten des belgischen Pianisten Jef Neve. Neve zählt neben Tord Gustavsen, Marcin Wasilewski und Stefano Bollani zu den besten jungen Pianisten der europäischen Jazzszene und erweist sich mit seinen raffinierten Arrangements als kongenialer Partner des Sängers. Das perfekt harmonierende Duo bietet unter die Haut gehende und spannende Interpretationen von bekannten Standards wie “Body And Soul”, “Embraceable You”, “Lush Life” und “Autumn In New York”. Jeder dieser Klassiker ist ein Juwel der Jazzliteratur und wird von José James und Jef Neve mit Bravour als ein solcher behandelt. Bis auf ein Stück wurden alle Nummern in einer einzigen, sechsstündigen Session aufgenommen – und meist gleich beim ersten Take. Auch dies ist ein Beweis für José James Qualitäten als Jazzer. Eine vorschnelle Umetikettierung sollte man dennoch vermeiden: Denn mittlerweile ist der Sänger schon wieder im Studio, um dort mit Cracks wie Raphael Saadiq, Amp Fiddler, Esperanza Spalding, Fink, Pino Palladino und Leon Ware seinen nächsten Geniestreich vorzubereiten.

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