Keith Jarrett Trio 1983 - 2013 | News | Die große Serie zum Jubiläum: Folge Nr. 07 - 'Bye Bye Blackbird'

Keith Jarrett Trio 1983 – 2013

Die große Serie zum Jubiläum: Folge Nr. 07 – ‘Bye Bye Blackbird’

Cover Bye Bye Blackbird
© ECM Records
06.06.2013
Vor genau 30 Jahren, im Jahr 1983, hat das Keith Jarrett Trio sein erstes Album für das Label ECM veröffentlicht. Unvergesslich ist die Vielzahl an Veröffentlichungen, die weltweit Millionen von Musikfans begeistert haben. Grund genug für uns, eine kleine Retrospektive auf die Alben des Trio zu schreiben. Neben dem, was uns mit dem Trio verbindet interessiert uns aber besonders Ihre Meinung. Deshalb haben wir eine Leseraktion gestartet bei der Sie auch etwas gewinnen können. Einfach unten auf den Link klicken.

Zwei Wochen nach dem Tod von Miles Davis spielte das “Standards”-Trio spontan das ihm gewidmete Album “Bye Bye Blackbird” ein.

Gary Peacock spielte von 1964 bis 1967 als Partner von Tony Williams in der Rhythmusgruppe des Miles Davis Quintet. Jack DeJohnette stieß 1969 für die bahnbrechenden “Bitches Brew”-Aufnahmen zum “Dunklen Magier” unter den Jazztrompetern und war danach noch an einer Reihe weiterer wichtiger Alben beteiligt: “Black Beauty”, “Miles Davis At Fillmore”, “Live/Evil” und “Big Fun”. An den Aufnahmen für “Miles Davis At Fillmore” und “Live/Evil” wirkte auch Keith Jarrett mit. In seiner Autobiographie erinnerte sich Miles Davis: “In der Band mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette bestimmten die beiden den Sound und die Rhythmen. Sie veränderten die Musik, und daraus entwickelte sich von selbst etwas Neues. Kein anderer könnte solche Musik machen, weil ihm Keith und Jack dazu fehlen.... Aber das war meine Begabung, verstehst du, die Fähigkeit, bestimmte Jungs zu finden und damit ‘ne chemische Reaktion in Gang zu setzen, die sich von selbst weiterträgt; sie spielen zu lassen, was sie können, und darüber hinaus.”

Es war vielleicht das apokalyptische Tosen der Fillmore-Band, das Jarrett – der sich schon seit langem ausschließlich akustischer Musik widmet – im Hinterkopf hatte, als er in den Linernotes zu “Bye Bye Blackbird” schrieb: “Es war vollkommen egal, wieviel ‘Krach’ ihn umgab, Miles selbst stand immer für Stille, die von ihm gespielten Töne besaßen stets eine ganz eigene Reinheit. (…) Miles bewies die Impotenz der ‘Techniker’ und die Macht des reinen Verlangens.”

Als sie erfuhren, dass Miles gestorben war, verabredeten sich Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette sofort im New Yorker Studio Power Station, um dort in Erinnerung an ihren ehemaligen Arbeitgeber einige Songs einzuspielen. Das geschah im Oktober 1991, zwei Wochen nach Miles’ Tod. Da ihnen jedoch schon da klar war, dass der Markt binnen kurzem mit Miles-Tributen – sowohl ehrlichen als auch opportunistischen – überschwemmt werden würde, einigten sich Jarrett und ECM darauf, die Aufnahmen so lange zurückzuhalten, bis sich der Staub, den Miles’ Tod aufgewirbelt hatte, ein wenig gelegt haben würde. Die emotionale Qualität der Musik würde ja erhalten bleiben.

Miles Davis hatte einst gesagt: “Ich muss mich immer wieder verändern, es ist wie ein Fluch.” Deshalb bewegte es sich in einem solchen Tempo durch die diversen musikalischen Stile, dass kaum jemand mithalten konnte. Welchem Miles sollte man Respekt zollen? Dem Miles von “Birth Of The Cool” oder dem von “Amandla”? Die Mitglieder des Standards-Trios entschieden sich für den Miles, dessen Konzepte sie in ihren “Lehrjahren” am stärksten beeindruckt hatten: Den Miles der späten 50er und frühen 60er Jahre, dessen Repertoirewahl sich gar nicht so sehr von der des heutigen “Standards”-Trios unterschied. Auch Miles huldigte den großen amerikanischen Songwritern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und maß die Stärke eines Stückes daran, wieviel Improvisation mit seiner Melodie vereinbar war.

Auf “Bye Bye Blackbird” spielen Jarrett, Peacock und DeJohnette Stücke, die mit Miles assoziiert werden. Das Titelstück nahm der Trompeter erstmals 1956 für das Album “‘Round About Midnight” auf, “Straight, No Chaser” 1958 für “Miles At Newport”, “I Thought About You” 1961 für “Someday My Prince Will Come”, “Summer Night” 1963 für “Quiet Nights” und “You Won’t Forget Me” 1990 für das wunderbare Shirley-Horn-Album selben Namens. All diese Nummern und die Improvisation “For Miles” vermitteln etwas von dem Geist jener Ära, und Jarrett genießt es unüberhörbar Wynton Kelly und Red Garland in seinem eigenen Spiel zu zitieren. Selbst der Klang dieses neuen Albums wurde, auf Jarretts nachdrücklichen Wunsch, auf die Ästhetik der frühen 60er Jahre geeicht: Anders als die übrigen ECM-Einspielungen Jarretts, die weitaus “geräumiger” sind, klingt diese Aufnahme, als wäre sie in einem kleinen beengten Jazzclub mitgeschnitten worden. Die Musiker bemühen sich, den von Miles gesetzten Standards und seiner Fähigkeit, zur nicht weiter reduzierbaren Essenz der Musik vorzustoßen, gerecht zu werden: “Miles war ein Medium, ein Transformator, ein Prüfstein, ein magnetisches Feld: der authentische Minimalist (der, obwohl er so wenige Noten spielte, so viel in diesen wenigen Noten mitteilte).”