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Keith Jarrett Retrospektive – 1. Die Anfänge

Keith Jarrett
11.04.2005
“Besonders haben mich Saxophonisten beeinflusst. Nicht Pianisten. Saxophonisten wie Sonny Rollins oder Ornette Coleman haben eine Stimme. Sie haben diese Freiheit und sie sind nicht perkussiv. Sie können einen Fluss von Noten spielen, und es ist völlig egal, auf welcher Zahl sie sind. Wenn ich Klavier spiele, will ich die Attacke nicht als perkussive Attacke hören. Ich höre auf diesen Fluss.” (Keith Jarrett, 1997) Nur wenige Musiker haben über vier Jahrzehnte so konsequent der Versuchung widerstanden, sich auf ein Genre festzulegen, wie Keith Jarrett.
Von Anfang an arbeitete der Pianist an einer individuellen Sprache, die sich von äußeren Vorgaben freimachte. Seine Improvisationen und Kompositionen, Eigenschöpfungen und Interpretationen, Solo- und Interaktionen mögen noch so komplex sein, sie klingen immer einfach, laden zum Mitsingen ein, vermitteln das Gefühl eines tief reichenden und doch in unvergleichlicher Leichtigkeit schwebenden archaischen Urgrooves, der zum Tanz nach innen auffordert. Die Abwesenheit eines Stils war von jeher sein Anspruch und Ausgangspunkt. “Mein Problem war, die jeweilige Spielart zu überwinden und doch zu behalten, sie zu gebrauchen, aber nicht von ihr bestimmt zu werden.” Jetzt wird er 60, doch seinen früh gefassten Grundsätzen ist er immer treu geblieben.

Jarrett begann bereits als Dreijähriger, Klavier zu spielen, und brach sein Studium am Berklee College nach wenigen Monaten gelangweilt ab. An der Seite von Roland Kirk, Chet Baker und Art Blakey vertiefte er sein Gefühl für die immanente Verwobenheit harmonischer und rhythmischer Kontexte. Schon als blutjunger Sideman wurde er unverwechselbar, indem er ganz aus sich heraus spielte. 1966 wurde er Mitglied der Band von Charles Lloyd, die in der Wahrnehmung der späten Sechziger die Grenzen zwischen freiem Jazz und psychedelischem Pop aufhob. Ein Jahr später gründete er sein eigenes Trio mit Charlie Haden und Paul Motian, doch gerade in Lloyds Quintett verschmolz er mit Jack DeJohnette zu einer Einheit, in der rhythmische und harmonische Bewusstseinsströme so frei fließen konnten wie scheinbar nie zuvor. Miles Davis war fassungslos, als er das Gespann Ende 1967 im New Yorker Village Gate hörte. Er holte beide in seine Band und überredete Jarrett, E-Piano und Orgel zu spielen. Auf Davis-Alben wie “Live Evil” oder “At Fillmore” trat Jarrett über DeJohnettes dichten Drum-Teppichen mit Chick Corea in einen mitreißenden Wettstreit spontaner Erfindung und Kolorierung von Klangteppichen und -figuren, die schnell ihr Eigenleben entfalteten. Miles “ließ mich oft (gemeinsam mit Jack DeJohnette und Dave Holland oder Michael Henderson) auf lange Improvisationen in die frei improvisierte Zone gehen. Er unterbrach uns nie oder versuchte nicht mit uns während dieser Abenteuer zu spielen. Vielleicht mochte Miles lieber zuhören als spielen.” Nachdem Jarrett 1971 die Miles Davis Band verließ, sollte er nie wieder einen Job als Sideman annehmen.

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