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Keith Jarrett Trio – Standards Live

02.07.1985
In dieser Zeit der gesellschaftlichen Restauration und der individuellen Depression stellt sich – bezieht man diese Erscheinung nur einmal auf die Jazzszene – die Frage nach utopischen Perspektiven. Gibt es sie noch inmitten dieser Flut von Reissues und bei allem Rückgriff auf altbekanntes Songmaterial? Hat nicht auch die Tatsache, daß Keith Jarrett nun bereits sein drittes Album mit Standards veröffentlicht, einen Bezug zu diesem neuen Traditionalismus?
In einem Interview, das Keith Jarrett im vergangen Sommer Radio DRS in der Schweiz gab, wurde ihm unter anderem auch diese Frage gestellt. Und in seiner Antwort verwies er auf einen anderen Aspekt, der die heutige Szene auch kennzeichnet und mindestens ebensoviel mit diesem Neo-Konservativismus zu tun hat. Gemeint war die Sucht vieler Bandleader, nur eigene Kompositionen live und auf Schallplatten zu spielen, was meist in einen unerfreulichen Eklektizismus mündet. Das sei – meinte Jarrett – die Folge jener Forderung, die viele Konzertorganisatoren und Schallplattenproduzenten an die Musiker stellten, die Forderung eben, nur mit neuem und eigenem Material aufzuwarten. Es werde darum zu viel und vor allem zu viel Mittelmäßiges und Schwaches komponiert. Seinem Trio gehe es darum, Material aus der Vergangenheit aufzugreifen und damit eine neue Musik zu machen.
 
Und so schlugen Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette denn auf ihren beiden Europa-Tourneen 1985 weitere Seiten des “Great American Songbook” auf. Was seinerzeit im Studio zu so überzeugenden Resultaten geführt hatte, bestand auch den Test im Live-Kontext. Das beweisen die vorliegenden Aufnahmen aus dem Pariser Palais des Congrès. Sie dürfen nicht einfach als Rückgriff auf ein bewährtes Rezept verstanden werden: Das Trio geht hier mit einem anderen Approach ans Werk. Diese Musik ist extrovertierter, direkter. Und die Platte vermittelt auch vieles von dem, was in einem Konzert an Interaktion zwischen Musikern und Publikum geschehen kann.
 
Das Repertoire bei diesem ersten Live-Mitschnitt des Standards-Trios bestand je zur Hälfte aus bestens bekannten Titeln (“Stella By Starlight” von Ned Washington und Victor Young, “Falling In Love With Love” von Richard Rodgers und Lorenz Hart sowie “The Way You Look Tonight” von Jerome kern und Dorothy Fields) und seltener interpretierten Klassikern (“The Wrong Blues” von Alec Wilder und William Engvick, “Too Young To Go Steady” von Jimmy McHugh und Harold Adamson sowie “The Old Country” von Nat Adderley und Curtis Lewis).
 
“Vielleicht die heißeste, lebendigste und am wenigsten vergeistigte Platte des Pianisten”, urteilte das amerikanische Fachblatt Musician. “Jarrett wirkt ziemlich unbekümmert und scheint von dem Publikum, das offensichtlich mit jeder von ihm gespielten Note in Einklang ist, besonders inspiriert.”


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