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Jugend und Leidenschaft

12.11.2008
Inzwischen wird Lang Lang häufig mit einem Popstar verglichen. Das mag aus abendländischer Perspektive ungewöhnlich klingen, gehört in seiner chinesischen Heimat aber wesentlich zum Bild eines modernen Künstlers: “Im Westen ist die Klassik eine altmodische Kunstform, abgelöst von Rock, Hiphop und anderen populären Stilen, von denen sich junge Leute eher angesprochen fühlen”, meint der Pianist in seinen autobiographischen Reflexionen, die in diesen Tagen unter dem Titel “Musik ist meine Sprache” in Buchform erscheinen. “In China hingegen, einem Land, das sich während der Kulturrevolution in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dem Westen gegenüber verschloss, ist klassische Musik modern. Wann immer ich in China ein Konzert gebe, sind neunzig Prozent der Zuhörer jünger als zwanzig Jahre”. Das hat mit Neugier und Sehnsucht, Träumen und Aufschwung zu tun. Es liegt aber auch am Repertoire, das Lang Lang präsentiert. Denn er wählt Kompostionen aus, die ihn selbst tief bewegen und mit denen er in der Lage ist, neben dem internationalen Konzertpublikum auch seine Altersgenossen mitzureißen. Kompositionen wie beispielsweise die beiden Klavierkonzert von Frédéric Chopin.
Frédéric Chopin war selbst gerade 20 Jahre alt, als er 1830 seine beiden Klavierkonzerte schrieb. Er galt als Wunderkind, hatte mit acht sein erstes Konzert gespielt und am Konservatorium von Warschau als Schüler von Matyas Jirovec die höheren Weihen der Interpretationskunst vermittelt bekommen. Umfangreiche Konzerttournee hatte er bereits absolviert und das Bildungsbürgertum von Dresden bis Wien mit seiner Mischung aus Jugend und Leidenschaft begeistert. Er war ein Virtuose und entwickelte sich in rasantem Tempo zum Komponisten mit markantem Individualstil. Chopin wagte sich zunächst an schüchterne Klavierminiaturen, dann an immer mächtigere Klanggebilde, die schließlich in den beiden frühen Konzerten gipfelten. Allerdings blieb er im Kern ein Solist ohne die sinfonische Hingabe an die komplexe Gestaltung streichorchestraler Passagen, die manchen seiner romantischen Kollegen umtrieb.
 
So lässt sich erklären, dass seine Klavierkonzerte letztendlich eine Art Fortführung der Einzeldarbietung mit den Mitteln des großen Ensembles blieben. Das wiederum stellt jedoch hohe Ansprüche an die Aufführung. Denn der Solist steht von der Partitur her im Mittelpunkt, darf aber das Orchester nicht dominieren, um die Balance der Mittel zu wahren: “Hier bestimmt das Klavier, es hat immer die Führungsrolle”, bestätigt Lang Lang die Intentionen des Komponisten in einem Interview mit dem Musikjournalisten Michael Church zu seiner brandneuen Einspielung der Klavierkonzerte und fügt erklärend hinzu: “Trotzdem bleibt es eine Teamarbeit, die für das Orchester schwieriger ist, als man vielleicht denkt. Bei den Tänzen im jeweils dritten Satz ist es nicht einfach, das Klavier zu begleiten, den Rhythmus und die Leichtigkeit zu wahren, den Puls”.
 
Für einen Meister wie Zubin Mehta jedoch, der seit langem schon mit Lang Lang in persönlicher Freundschaft verbunden ist, stellt das kein Hindernis, bestenfalls eines Herausforderung dar, die es anzunehmen gilt. Tatsächlich harmonieren seine Führung der Wiener Philharmoniker und die musikalische Eloquenz des Pianisten in vorbildlicher Präzision. Die im Juni 2008 im Großen Saal des Wiener Musikvereins entstandenen Aufnahmen präsentieren ein Ineinander der Kompetenzen, das Chopins klangliche Ideenwelt in seiner ganzen Schönheit erblühen lässt. Und das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass diese Konzerte von Lang Lang mit eigenen Bildern gefüllt werden, etwa mit dem eines jungen Mannes, Chopins vielleicht, der auf die Gegenliebe seiner Angebeteten hofft: “Im Konzert f-moll scheint er sich nach jemandem zu sehnen, er klingt noch schüchtern. Das Konzert e-moll ist viel brillanter, so als habe er das Mädchen schon gefunden. Dieser Unterschied wird auch in dem Tanz deutlich, der jeweils den dritten Satz prägt: Während die Mazurka im Konzert f-moll graziös ist, wirkt der Krakowiak im später komponierten Konzert e-moll ungezügelt und wild. Hier ist eine Weiterentwicklung zu erkennen”. So entstehen Bilder in den Köpfen der Hörer, Ideen, die sich mit den eigenen Emotionen verknüpfen. Vielleicht ist das die nötige Prise Pop, die die Klassik braucht, um in jungen Menschen die Flamme der Leidenschaft für sie zu entfachen.

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