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Muskelspiel

27.06.2003
Nikolai Rubinstein behauptete frech, das Konzert sei unspielbar. Tschaikowsky jedoch entgegnete – trotz aller Hochschätzung für den führenden russischen Pianisten seiner Zeit-, er werde keine Note ändern. Er schickte eine Kopie an den Klaviervirtuosen Hans von Bülow, der das Werk 1875 in Boston uraufführte. Es war also spielbar, noch dazu ein Erfolg und blieb seitdem eine Herausforderung für jeden Pianisten.
Lang Lang war zwei Jahre alt, als er im Radio zum ersten Mal das “Klavierkonzert Nr.1 b-moll, op. 23” von Peter Iljitsch Tschaikowsky hörte. Es muss ein besonderer Moment für das Kleinkind gewesen sein, denn der inzwischen zum Star der jungen Solistenelite aufgestiegene Pianist erinnert sich noch heute an die emotionale Kraft, die von dieser Musik ausging. In jedem Fall war das Konzert ein Ansporn, sich ausgiebig mit dem Oeuvre des russischen Romantikers zu beschäftigen.
 
Mit neun Jahren begann Lang Lang, das Konzert zu üben. Bereits während seiner Zeit am Pekinger Zentralkonservatorium brachte er es gemeinsam mit dem Chinesischen Jugend-Sinfonieorchester auf die Bühne. Seitdem begleitet es ihn als treuer musikalischer Freund auf dem Weg nach oben. Anno 1999 etwa sprang Lang Lang bei Ravinia-Festival für den erkrankten André Watts ein und spielte den ersten Satz gemeinsam mit dem Chicago Symphony Orchestra. Dieser Zufall war der Beginn seiner internationalen Karriere, die nach dem großen Erfolg des Abends durch begeisterte Rezensionen einsetzte. Im Februar 2003 schließlich trat er mit dem gleichen Ensemble unter der Leitung von Daniel Barenboim im Chicagoer Symphony Center vor die Mikrofone und erfüllte sich den Kindheitstraum, das Konzert mit einem der besten Klangkörper der Szene für die Nachwelt festzuhalten.
 
Lang Lang hat in jedem Fall eine gute Wahl getroffen. Denn auch das Orchester hat bereits seine Geschichte mit dem Klavierkonzert hinter sich. Tschaikowskys Pathosgewitter gehörte zum Programm der Ensemblepremiere im Jahr 1891 und wurde seitdem mit verschiedensten Koryphäen der Pianistengeschichte von Artur Rubinstein bis Wladimir Horowitz immer wieder aufgeführt. Diese ungewöhnlich profunde Erfahrung mit dem Werk merkt man der Neuaufnahme an. Denn sowohl Barenboim und das Orchester wie auch der zwanzigjährige Solist präsentieren es mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, als gäbe es kaum etwas Einfacheres, als aus dem gefühlsdichten Konzertsaalklassiker ein aufregenden Hörerlebnis zu entwickeln.
 
Und daher passt auch das zweite Stück des Aufnahmeabends gutin das Programm. Denn Felix Mendelssohns “Klavierkonzert Nr.1 g-moll, op.25” ist filigraner und zurückhaltender konzipiert als Tschaikowskys Pendant. Der Kontrast des beinahe ein halbes Jahrhundert früher entstandenen und noch deutlich von Beethoven geprägten Werk zum russisch-virtuosen Muskelspiel macht gerade den Reiz der musikalischen Abfolge aus. Außerdem hat auch Mendelssohns Konzert einen besonderen Platz in Lang Langs Künstlerbiographie. Als Siebenjähriger spielte er es im Rahmen seines Orchesterdebüts, anno 2001 brachte er es wieder auch die chinesischen Bühnen, nachdem er fünf Jahre Ausbildung in Philadelphia bei Gary Graffman hinter sich gebracht hatte. Schon deshalb lagen ihm die Aufnahmen mit dem Chicago Symphony Orchestra besonders am Herzen. Denn sie sind die offizielle Feuertaufe auf internationaler Ebene mit zwei der von ihm am meisten geschätzten Konzertwerke der musikalischen Romantik.

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