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Der Tanz um das goldene Horn – Louis Armstrong und Dizzy Gillespie

27.07.2001
Die Quantensprünge, die den Jazz zu dem gemacht haben, was er heute ist, lassen sich maximal an einer Hand abzählen. Und die beteiligten Personen an maximal zwei. Doch nur ein Teil dieser Jazz-Pioniere hat es geschafft, auch außerhalb der Clubs, in der breiten Öffentlichkeit Unsterblichkeit zu erlangen. Charlie Parker, Duke Ellington und Miles Davis gehören dazu; wie zwei legendäre Trompeter, die das Jazz-Maß gänzlich neu absteckten: Louis Armstrong und Dilly Gillespie.
Der eine schob das Horn mit einem damals geradezu revolutionären Powerplay aus dem Orchester direkt an die Bühnenrampe und zeigte, was in einem Solo alles an Swing und kühner Virtuosität stecken kann. Der andere, John Birks Gillespie, löste mit seinem fulminanten Gebläse, seinen harmonischen und rhythmischen Entladungen eine regelrechten Palastaufstand aus – besser bekannt unter dem Begriff “Bebop”. “Sie haben die Musik verändert” könnte da schnell zur Floskel gerinnen, um Armstrong und Gillespie in ihren Leistungen zu verbrüdern. Aber das Wort stammt immerhin aus dem Mund keines Geringeren als Miles Davis. Was aber auch soviel bedeutet wie: sie haben das Lebens- und vor allem das Identitätgefühl der Black Community entscheidend geprägt.
Besonders Armstrong schaffte es, mit gleich zwei Instrumenten dafür die nötigen Impulse zu liefern. Oder wie Wynton Marsalis ihm 1985 huldigte: “Er legte ein unsterbliches Zeugnis über das Befinden der Amerikaner seiner Zeit ab”. Neben der Trompete durchbrach er mit seiner charismatischen Reibeisenstimme das traditionelle Jazz-Feeling, indem er noch vor Ella Fitzgerald den Scat-Gesang ins Spiel brachte. Und in dem er improvisierte, bis kein Takt-Stein mehr auf dem anderen stand. Für seine Zeitgenossen kamen solche Umwälzungen einem Schockerlebnis gleich.
Als Armstrong 1931 während einer England-Tournee einigen Kollegen sein Instrument zeigte, war die Enttäuschung groß: weder im Horn noch im Mundstück konnten sie etwas Außergewöhnliches entdecken, das die Magie Armstrongs hätte beweisen können. Mit welcher konditioneller Puste er zugleich gesegnet war, zeigt die unglaubliche Schaffenskraft seit seinen Anfängen bei Joe Oliver alias King Oliver, der ihn in seine Band holte. Aber erst nach einem Fletcher Henderson-Gig 1930 flog Armstrong die Karriereleiter mit Riesenschritten regelrecht nach oben, löste er fortan mit seinen Aufnahmen und Filmen auf dem ganzen Globus eine wahre Louis-Manie aus – incl. in den damaligen Ostblock-Staaten, in denen er 1965 gastierte.
Dass er es zugleich zum ersten Pop-Star der Jazz-Szene überhaupt brachte, verdankt er zwei Hits, die zu den Meilensteinen der Schallplatten-Geschichte gehören: “Hello Dolly”, mit dem er 1964 in den Charts sogar die Beatles überflügelte, sowie sein balsamischer Gemütsschmeichler “It’s A Wonderful World”. Am am 6. Juli 1971 verstarb Louis “Satchmo” Armstrong mit 70 Jahren. Ein doppelter Grund also, diesem junggebliebenen Idol, Menschen und Künstler ein Tribute zu widmen. Anläßlich seinens 100. Geburtstages bzw. 30. Todestages erscheinen beim Verve-Label in der Reihe “Verve Master Edition” die Alben “Satchmo in Style”, "Louis and the Angles und “Louis and the Good Book”.
Bei Gillespie steht zwar noch kein Gedenktag an. Angesichts der unmittelbaren Verbindung zu Armstrong sind seine Aufnahmen ebenso zwingend wie zeitlos. Denn der Mann mit den Froschbacken war ständig für auf- und anregende Initialzündungen gut, wobei ihm in den Roaring Forties mit Charlie Parker zweifelsohne der beste Sparrings-Partner zur Seite stand. Aber was wäre der ganze Cuban-Hype oder die europäische Jazz-Szene ohne diesen Gute-Laune-Musiker, dessen Sinn für Humor und Clownerie genauso entwaffnend war wie der Armstrongs.
Und was wäre das seit Jahren wieder grassierende Neo-Bebop-Fieber von Branford Marsalis bis zu den Young Lions um Roy Hargrove & Co. ohne Dizzys dynamischen Punch, ohne seine emotionale Intensität und den latenten Swing. Alles das lässt sich noch einmal in Erinnerung rufen auf den Verve-Alben “Have Trumpet, Will Excite” und “Diz & Getz”, die einem mit den Armstrong-Klassikern eines wieder verblüffend um die glücklichen Ohren hauen: dass beide den Jazz zu dem gemacht haben, was er heute ist.

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