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Bio 2012

Mark Knopfler (2024)
02.08.2012
„Ein privateer, also ein Freibeuter, das bin ich, wenn man’s mal genau nimmt“, sagt Mark Knopfler und bezieht sich mit dieser überraschenden Aussage auf das Titelstück seines achten Soloalbums, mit dem der legendäre Sänger und Gitarrist in der Tat jene abenteuerliche Ära evoziert, in der Seeräuber auf Beutezug gingen und bis an die Zähne bewaffnete Piraten mit Kaperbriefen über die Weltmeere zogen. Der moderne Lifestyle des Rock & Roll sei das Pendant zu diesem autorisierten Freibeuterleben, so Knopfler: „Für mich ist es das Größte, mit einer Gruppe von Leuten aufzubrechen und um den Globus zu ziehen. Ich mag es einfach, dass ich die Richtung vorgeben und zusammen mit der Band und der Crew durch eine sich ständig verändernde Umgebung fahren kann, um an immer neuen Orten aufzutreten. Vollkommen auf dich selbst gestellt ziehst du also durch die Lande und bahnst dir deinen Weg um die Welt. Staatliche Zuschüsse gibt’s nicht, wenn du diese Art von Musik machst, also bist du auf dich allein gestellt: Du bist ein Freibeuter, ein privateer. Und genau so mag ich’s auch.“
Es handelt sich bei Privateering um das erste Doppelalbum in der inzwischen 35-jährigen Karriere von Mark Knopfler. „Ja, je älter ich werde, desto größer wird dieser Drang, neue Songs zu schreiben“, so der Sänger. „Wer weiß, ob das nun daran liegt, dass ich befürchte, mir könnte die Zeit davonlaufen; ich weiß es nicht. Das alles erfüllt mich jedenfalls mehr denn je – das Schreiben der Songs, die Studioarbeit, die Auftritte, ich genieße jeden einzelnen Aspekt davon. Und ich hab so viele Songideen herumfliegen, dass man fast schon aufpassen muss, wo man hintritt.“
Die insgesamt 20 neuen Songs, die er auf Privateering versammelt hat, jeder für sich ein kleines Folk-, Blues-, Country- oder Rockmeisterwerk, zeugen von der ungehemmten Kreativität eines Musikers, dessen Werk erst in diesem Jahr bei den Ivor Novello Awards mit einem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet wurde. Mark Knopfler ist ein Mann, der schon vor etlichen Millionen Menschen aufgetreten ist, der mit Größen wie Bob Dylan, Randy Newman, Emmylou Harris oder Van Morrison zusammengearbeitet hat. Zu Filmklassikern wie Local Hero, Die Braut des Prinzen, Letzte Ausfahrt Brooklyn oder auch Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt durfte er die passenden Soundtracks beisteuern. Und natürlich ist er im Verlauf der Jahre immer wieder als einer der besten Gitarristen der Welt angeführt und gefeiert worden. Er selbst jedoch betrachtet sich in erster Linie als Songschreiber. Dabei ist sein neuestes Album das vielleicht größte Werk, das er in dieser Rolle bis dato aufgenommen hat.
„Mein Musikverständnis war schon immer von einem transatlantischen Ansatz geprägt. Man könnte auch sagen: Der Himmel, der liegt für mich irgendwo zwischen dem Mississippi-Delta und der Tyne-Region. Was ich also schon mit dem ersten Album der Dire Straits, mit Stücken wie ‘Sultans of Swing’ im Sinn hatte, war, meine eigene, persönliche Landkarte über die US-amerikanische Musik zu legen, die mich geprägt hatte, ja gewissermaßen für mich selbst die englischen, irischen und schottischen Orientierungspunkte auf der Straße von Chuck Berry festzulegen. Heute, glaube ich, versuche ich beides: diese Einflüsse einerseits zu synthetisieren und sie anderseits zu trennen. Meine Band besteht aus dermaßen begnadeten Musikern, sie sind dermaßen versiert und vielseitig, dass ich jederzeit in jede x-beliebige musikalische Richtung aufbrechen kann – und sie können mir folgen: Einen Moment lang klingt es wie auf einer Farm im hügeligen Norden von England, und schon im nächsten Moment springen wir mitten rein in die New Yorker Downtown oder bewegen uns runter ins Delta und setzen auf astreinen Blues-Sound.“
Und so bewegt sich Knopfler auf Privateering denn auch von verträumten Americana-Anleihen im Song „Redbud Tree“, durchzogen von jenen silbrig glänzenden Stratocaster-Licks, die seit Jahrzehnten sein Markenzeichen sind, über Seemannsmelodien („Haul Away“) bis hin zum prahlerischen Slide-Gitarren-Blues von „Gator Blood“ oder dem sehnsüchtig-keltischen Folk-Sound von „Kingdom Of Gold“. Privateering ist ein Album, auf dem man ganz unterschiedlichen Charakteren begegnet, dem grimmigen Schafhirten aus dem Norden („Yon Two Crows“) genauso wie dem überheblichen Spieler von „Hot Or What“, während sich die Atmosphäre mit der Szenerie immer wieder wandelt – mal sind es die Liebhaber des verregneten „Seattle“, hier uneins, dann wieder geheimnisvolle Gedankengänge zum Thema Vergänglichkeit, wie im Fall des „Dream Of The Drowned Submariner“. Mit wie viel Fingerspitzengefühl diese Songs, sowohl musikalisch als auch textlich, gestrickt sind, ist kaum zu glauben, denn Knopfler gelingt es mit der Unterstützung seiner Band immer wieder, sein jeweiliges Anliegen in die geeignete Form zu bringen. Allerdings ist Privateering kein Konzeptalbum; auch Liedzyklus wäre nicht der rechte Begriff dafür. Die Sache ist nämlich sehr viel einfacher: Hier macht einer der größten und unverkennbarsten Musiker schlichtweg das, was er am besten kann. 
„Ich hab mich letzten Endes dafür entschieden, ein Doppelalbum zu veröffentlichen, weil die Masse an neuem Material einfach danach verlangte. Ich wollte weder irgendeine Unterteilung vornehmen, also Blues-Songs von Folk- oder Country-Stücken trennen, und mir war auch nicht danach, ein paar meiner Favoriten in der Schublade verschwinden zu lassen. Das Album sollte als Ganzes vor allem widerspiegeln, was für fantastische Sessions wir hatten: Wenn man mit derart grandiosen Musikern spielt, ist das wie wenn eine Gruppe von talentierten Schauspielern zusammenkommt und gemeinsam ein Script liest – sie können es zum Leben bringen, wie man es vorher gar nicht für möglich gehalten hätte. Das hier ist genau die Band, auf die ich mein ganzes Leben lang hingearbeitet habe.“
Zu den Musikern, die Mark Knopfler seit Mitte der Neunziger um sich versammelt hat, zählen unter anderem Guy Fletcher (Keyboard), Richard Bennett (Gitarre), Jim Cox (Klavier), Glenn Worf (Bass), Mike McGoldrick (Flöte) und John McCusker (Geige), neuerdings komplettiert durch den einzigartigen Ian Thomas hinter dem Schlagzeug. Zudem bat Knopfler auch Albumgäste wie Paul Franklin (Pedal-Steel-Gitarre), Phil Cunningham (Akkordeon) und Tim O’Brien (Mandoline) zu sich ins Studio. Das Mikrofon teilte er sich schließlich mit Ruth Moody von der Roots-Rockband The Wailin’ Jennys: „Dass Ruth an meinem Album mitgewirkt hat, bedeutet mir besonders viel“, so Knopfler. „Sie gehört zu den allerbesten Sängerinnen und Songwriterinnen, die es gibt, und ich muss mir ihre Sachen einfach immer wieder anhören.“ Schließlich durfte bei den Blues-Tracks die Mundharmonika von Kim Wilson, seit bald vier Jahrzehnten Teil der legendären Bluesrock-Band The Fabulous Thunderbirds, nicht fehlen: „Für mich war die Mundharmonika schon immer eines der wichtigsten Elemente des Blues. Ich weiß noch, wie sehr es mich als Kind beeindruckt hat, Muddy Waters zu sehen: Wie die Mundharmonika die ganze Zeit den Ton angab, während die Band dazu abging. Wenn du mich fragst, ist Kim Wilson der größte Mundharmonikaspieler unserer Zeit; schon seit Jahren hatte ich ihn ganz oben auf der Liste, und deshalb war es natürlich grandios, auch ihn im Studio begrüßen zu dürfen. Wir haben uns auf Anhieb bestens verstanden, und die Session mit ihm war großartig.“
Aufgenommen in Knopflers eigenen British Grove Studios, ist Privateering ein smartes, subtiles, gefühlvolles und herausragendes Werk eines legendären Musikers mit einer unschlagbaren Band im Rücken. Es erzählt harte, ehrliche Geschichten, wie sie das Leben schreibt in Zeiten wie diesen; Geschichten von Individuen, die an ihrem Schicksal zu knabbern haben. Und präsentiert wird das Ganze mit der Art von Selbstbewusstsein, wie sie nur ein neuzeitlicher Freibeuter an den Tag legen kann. Schon das Albumcover, auf dem ein ramponierter Tourbus und ein zotteliger Köter zu sehen sind, spricht Bände: „Ich weiß noch, dass man früher sofort bei einer Band mitmachen durfte, wenn man so einen Bus hatte. Allein deshalb haben diese Fahrzeuge schon immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen. Außerdem fand ich es wichtig, mit so einem Bild zu arbeiten, um dem Titel etwas von diesem klassischen Hochseepiraten- und Säbelrassler-Beigeschmack zu nehmen. Wenn du mich fragst, ist ein Mann in seinem Tourbus genauso als Freibeuter einzustufen wie einer, der auf einer Fregatte oder auf einem Kanonenboot haust. Er ist unterwegs, bahnt sich seinen eigenen Weg, und das alles immer nur der eigenen Nase nach. Das ist es, was ich damit meine. Und das ist doch letztlich auch, worauf wir alle aus sind.“

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