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Dream Team für Schumann: Martha Argerich und Mischa Maisky

14.02.2001
Selten, dass sich zwei Starmusiker im Klassikbetrieb als Bruder und Schwester bezeichnen, aber bei der gemeinsamen Löwenmähne kann das ja hinkommen. Jetzt haben die “Geschwister” Martha Argerich und Mischa Maisky Schumann eingespielt und legen damit ihr drittes gemeinsames Album vor.
Sie sind das ideale Paar. Wenn auch nicht im richtigen Leben – da sind sie “nur” die allerbesten Nachbarn. Wohl aber in der Kunst, in ihrer Kunst, der Musik. Kammermusik von erlesener Schönheit, voller Temperament und Ausdruckskraft – das ist ihr gemeinsames Markenzeichen auf dem renommierten Gelbetikett der Deutschen Grammophon. Von zartester Beseeltheit bis zu stürmischer Exaltiertheit reicht die Palette ihrer musikalischen Mittel, und wer sie aus Konzerten oder von ihren gemeinsamen Aufnahmen her kennt, der weiß: Sie geizen nicht damit.
 
Als sie zuletzt gemeinsam vor den Aufnahmemikrophonen saßen – in der Tokioter Sumida Triphony Hall im Mai 1998 an der Seite von Gidon Kremer – da musizierten sie sich in den Klaviertrio-Olymp. Die Kritiker waren begeistert: “Nun trafen sich alle drei in Tokio, um einmal Trio zu spielen, und was dabei herauskam, dokumentiert dieser Live-Mitschnitt des Konzertes vom Mai 1998: Aufregender hat man die beiden russischen Stücke wohl kaum jemals gehört. Es mag klanglich ausgefuchstere Wiedergaben sowohl des Schostakowitsch als auch des Tschaikowsky geben, aber ganz sicher keine impulsiveren, emotional geladeneren. Der Furor, mit dem die drei sich in die Musik stürzen, springt geradezu aus dem Lautsprecher. Dabei scheint der zündende Funke – wie kann es bei der charismatischen Argerich anders sein – von der Pianistin auszugehen. Die Direktheit des Zugriffs hindert dieses Trio allerdings nicht an dynamischer Differenzierung und farblichem Raffinement.”, urteilte “Stereoplay” in seiner Septemberausgabe 1999.
 
Auf die Frage, welches sein eindrucksvollstes musikalisches Erlebnis gewesen sei, erwiderte Mischa Maisky einmal, “jede Gelegenheit in den zurückliegenden 20 Jahren, mit Martha Argerich zu konzertieren oder Aufnahmen zu machen”. Diese Bewunderung des international renommierten Cellisten für die nicht minder berühmte Pianistin hat seit ihren ersten gemeinsamen Auftritten nichts an Bedeutung und Wahrhaftigkeit verloren. “Zum ersten Mal hatte ich mit Martha beim Festival in Vence in Südfrankreich zu tun. Als Mensch und als Künstlerin hat sie mich mit ihrem Charme völlig bezaubert, und ich träumte davon, mit ihr zu musizieren.” Und noch heute berichtet Maisky bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit funkelnden Augen von ihren jeweils jüngsten gemeinsamen Unternehmungen. So wie Mischa Maisky am Leben der “Marthita” regen und aktiven Anteil nimmt, so weiß auch Martha Argerich über nahezu alle Ereignisse im Leben ihres ersten und bis auf den heutigen Tag meistgeliebten Cellisten bestens – und vor allem: häufig als Erste! – Bescheid. Trotz anfänglicher Bedenken gegen eine Zusammenarbeit: Denn lange Zeit hatte sie sich dagegen gesträubt, überhaupt mit einem Cellisten zusammenzuarbeiten, weil sie meinte, “dass es einfach nicht ginge”. Aber: “Mischa und ich sind ein bisschen wie Geschwister, obwohl wir in ganz verschiedenen Welten aufgewachsen sind. Fast wie Bruder und Schwester, wenn wir zusammenspielen, wirklich sehr ähnlich…” Und: “Mischa liebt Gespräche, genau wie ich! Das ist einer der Gründe, warum ich so gern mit ihm auf Tournee gehe.”
 
Ihre tiefe innere Verbundenheit, die man ohne zu zögern als eine jener selten anzutreffenden Seelenverwandtschaften bezeichnen kann, ihre Vertrautheit im Umgang miteinander, sie spiegelt sich auch in den alltäglichen Begebenheiten einer gemeinsamen Konzerttournee wieder, wie sie 1998 von Anne-Catherine Dutoit in Japan geschildert wurde: “Es ist nach vier Uhr. Sie begibt sich langsam in ihr Zimmer um sich anzuziehen, kommt ein paar Minuten später wieder und findet Mischa Maisky vor, der es nie versäumt, sie zu einer Probe oder einem Konzert abzuholen. Maisky, in einem seiner Issey-Miyake-Outfits, sieht sich gerade einen Sumo-Kampf im Fernsehen an. Seit er in Japan ist, versucht er eine Ahnung vom Sumo-Ringen zu bekommen, einer Sportart, nach der ihn seine zahlreichen Japan-Reisen geradezu süchtig gemacht haben. Er erklärt der Argerich die einfachen Regeln, die sich aber mehr für das Gewand des Kampfrichters interessiert als für den Kampf an sich.” Bei soviel freundschaftlicher Nähe nimmt man unwillkürlich an, dass die beiden eine ebenso umfangreiche Diskographie verbindet. Doch seltsam genug: Bisher war man auf zwei zyklische Aufnahmen angewiesen – Johann Sebastian Bachs Cellosonaten BWV 1027–1029 aus dem Jahre 1985 sowie Beethovens Cellosonaten und Variationen über Stücke von Händel und Mozart.
 
Nun also Schumann. Sowohl Argerich als auch Maisky haben dessen Solokonzerte für Klavier bzw. Cello im Repertoire und mit ihren Aufführungen und Einspielungen Schallplattengeschichte geschrieben: Martha Argerich 1978 mit Mstislaw Rostropowitsch, Mischa Maisky 1985 mit Leonard Bernstein. Und Fans und Kritiker sind sich längst einig: In Sachen Schumann reicht den beiden so schnell keiner das Wasser. Was lag deshalb näher, als dieses musikalische dream team mit ausgewählter Kammermusik des Zwickauer Romantikers im Dezember 1999 ins Studio des Königlichen Konservatoriums in Brüssel zu schicken. Robert Schumann selbst hatte zeitlebens eine Schwäche für den Klang des Cellos. 1830 mit hochfliegenden Karriereplänen als Pianist gestartet, musste er alsbald wegen seiner Probleme mit dem Mittelfinger der rechten Hand umdenken. Deshalb schrieb er bereits zwei Jahre später an seine Mutter, dass er sich nun “wieder das Violoncello vornehmen werde, (wozu man nur die linke Hand braucht), was mir ohnehin zum Sinfoniencomponiren sehr nützlich ist”.
 
Symphonische Dimensionen hat er in Cello-Dingen dann zwar “nur” in seinem Konzert für Violoncello und Orchester op. 129 aus dem Jahre 1850 verwirklicht, das Mischa Maisky hier in seiner zweiten Einspielung vorlegt. Alles in allem jedoch zählen Schumanns leider nicht sehr zahlreiche Werke für Violoncello zu den schönsten ihrer Art in der gesamten Musikgeschichte. Insbesondere seine 1849 komponierten “Fünf Stücke im Volkston” op. 102 wurden überaus populär, was vor allem ihrem damaligen Status als “Hausmusik” zuzuschreiben ist. Allein, diese Stücke – sowohl zur Bildung wie zur Unterhaltung gedacht – haben es in sich. Und es bedarf großen Könnens, um ihnen die interpretatorische Qualität zukommen zu lassen, die ihnen gebührt. Das heißt, es bedarf der besten Musiker ihres Faches. Und die haben sich dieser kleinen Suite auf ihrem jüngsten Album angenommen und lassen keinerlei Zweifel an ihrer Überzeugung aufkommen, dass Schumann diese Miniaturen damals in prophetischer Laune eigentlich für sie beide komponiert hat. Schade eigentlich, dass es nur so wenige sind.

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