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Reim – Unverwundbar Biografie (german)

Matthias Reim - Webgrafik 2014
08.09.2005
REIM

“Unverwundbar”

Reim ist der Lieblingsmacho der deutschen Schlagerfans – egal, ob männlich oder weiblich. Sie lieben seine Lieder. Sie lieben vielleicht auch sein Leben. Drei Ehen. Vier Kinder. Und vom heruntergewirtschafteten Luftikus hat sich Reim wie Phönix aus der Asche emporgeschwungen zum stolzen Adler, der seine neu gewonnene Freiheit genießt. Unverwundbar? “Kein Mensch ist unverwundbar. Ich spiele aber gern mit solchen Macho-Ideen, weil ich mich gerne dahinter verstecke – als Mann, als Lebender und als Liebender.” Tatsächlich ist der enorm beliebte Künstler, dessen zweiter Karrierefrühling sich längst zu einem prachtvollen Sommer ausgewachsen hat, einer der empfindsamsten deutschen Sänger. Kein anderer geht das Ach und Wehe der Liebe und des Lebens mit einer ähnlichen Direktheit an wie er. Reim ist niemand, der sich hinter komplizierten Metaphern versteckt, Reim ist ein Mann, der alles beim Wort nimmt. Das macht auch den emotionalen Schulterschluss mit dem Publikum zum Kinderspiel. Wie gut die Beziehung zum Publikum funktioniert, auf welche überwältigende Resonanz Reim bei seinen Fans trifft, demonstriert die im Herbst erscheinende DVD “Matthias Reim – Live in Chemnitz”.

Mit “Unverwundbar”, seinem vierten regulären Studioalbum für Electrola, erreicht Reim unterdessen eine Klasse, die den Kreis seiner Fans schlagartig vergrößern wird. Für das Geheimnis seines zunehmenden Erfolgs und die Stärke des Albums hat Reim eine einfache Erklärung: “Im Moment passt alles wunderbar zusammen. Ich bin angekommen. Ich habe meinen Weg, meine Musik, meine Sprache gefunden. Ich bin auch privat angekommen.” Ein glücklicher Mensch also, der ruhigen Gewissens sagen kann: “Ich bin heute absolut ausgeglichen.” Aus diesem Gefühl des inneren Wohlbefindens und mit der Unterstützung eines brillanten Teams von Autoren, Musikern und Produzenten ist Reim das stärkste Album seines Lebens gelungen: Und so bekennt der vor Vitalität strotzende Sänger, bei dem man nicht weiß, ob nun seine Stimme oder seine Texte markanter sind: “Ich erachte ‘Unverwundbar’ als meine Doktorarbeit.” Da lohnt der gezielte Blick auf die einzelnen Kapitel.

Das zwölf neue Songs umfassende Album startet fulminant: Der Titelsong “Ich bin nicht verliebt (Unverwundbar)”, dem bereits ein guter Start in den deutschen Singlecharts gelungen ist, wartet mit einer faustdicken Überraschung auf, denn die Mundharmonika, die dem Song ein herrlich herbes Aroma verleiht, ist ein geschickter Rückgriff auf die eigene Jugend, in der Matthias Reim in kleinen Schuppen mit Gitarre und Harmonika die ersten Gehversuche als Bühnenkünstler machte. Jetzt spielt er noch einmal das Lied vom Leben. Und wie. Mit dieser Johnny Cash zur Ehre gereichenden Melodie hat Reim einen Klassiker in spe aus der Taufe gehoben, den man noch in Jahren auf deutschen Highways hören wird. Was für ein Prolog. Den Mythos der Unverwundbarkeit mag schon Siegfried als Unmöglichkeit bewiesen haben, in den Kanon deutscher Evergreens aufgenommen hat Reim diese Tugend nun mit seinem knarzig rockenden Road-Song über die Verführbarkeit des Mannes. Kein Wunder, dass Reim mittlerweile genau so viel Post von Männern bekommt wie von Frauen.

Mangel an weiteren künstlerischen Höhepunkten herrscht auf “Unverwundbar” wahrlich nicht. Dabei sind es diesmal vor allem Balladen, die dem Album besondere Intensität und Reife verleihen und die vor allem empfindsame Seelen tief berühren dürften. Etwa durch das wunderbare Gefühl der Nostalgie, das geweckt wird, wenn Reim den DDR-Klassiker “Als ich fortging” als vom Orchester umspielte Abschiedshymne auf die große Liebe wiederauflegt. Als Bonus hat Reim den Evergreen aus dem Jahr 1987 auch noch im Duett mit Dirk Michaelis aufgenommen, dem Originalsänger von Karussell. Nicht minder eindringlich ist die Pianoballade “Liebst du mich noch?”, andächtig wie ein stilles Gebet von einem Menschen, den erste Zweifel an der Wahrhaftigkeit einer Liebesbeziehung beschleichen. Unvergleichbar dramatischer noch “Jenny”, ein feinfühliges Psychogramm einer verletzten Seele, thematisiert es doch ein höchst heikles Thema, das leider Gottes viel zu oft Schlagzeilen macht: das Drama eines spurlos verschwundenen Kindes. Ein mutiges Lied, das die tief sitzenden Ängste von Eltern eindringlich spürbar macht und das auch Ausdruck jener Zivilcourage ist, mit der Reim sieht, fühlt und handelt.

Da ist es schon erleichternd, dass Reim auch genügend Humor besitzt, um mit selbstironischem Blick auch die eigene Geschichte zu betrachten. Seinen finanziellen Absturz und die Rettung durch die Liebe hat er diesmal in “Egal, was soll’s” als zündende Feuerzeughymne inszeniert. Und dass er starke Sprüche längst zur Kunstform erklärt hat, dafür sind “Es tut mir überhaupt nicht weh” und “Das machst du nur, um mich zu ärgern” archetypische Beispiele. Bei diesen bereits live erprobten Publikumsfavoriten schnellt das Stimmungsbarometer in Richtung jener Hysterie, die auch ein Meilenstein wie “Verdammt ich lieb dich” bei jedem seiner Konzerte nach wie vor auslöst. Ganz groß auch “Wie man liebt”, ein stürmisches Plädoyer für die Lehre der Liebe. Ein weiterer Klassiker aus dem Stand, und zwar einer, der jede Pisa-Studie zum beschämenden Dokument macht. Und während durch “L’amour s’en va” ein Hauch von Rai weht und “Krieger” eine scharfe Abrechnung mit einer alten Liebe ist, vollendet Reim sein Album mit einem triumphalen Schlussakkord, der genau dort beginnt, wo das Album seinen Anfang genommen hat: am Tresen. Doch es sind nicht Tresenweisheiten, die Reim verbreitet, sondern Thesenlieder über Liebe, Tod und Teufel. Mitten aus dem Leben gegriffen. Denn das Leben ist der beste Lehrer. Und wie war das mit der Doktorarbeit? Wir sagen mal: summa cum laude. Unverwundbar eben.

September 2005

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