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Der junge Ludwig

17.10.2007
Die Klavierwerke von Ludwig van Beethoven gehören schon lange zum Zentrum von Maurizio Pollinis künstlerischer Auseinandersetzung. So spielte der Pianist aus Mailand beispielsweise 1987 in New York mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado sämtliche Klavierkonzerte und erhielt bei dieser Gelegenheit den Ehrenring des Orchesters. In Berlin und München trat er 1993 und 1994 erstmals mit den kompletten Beethoven-Sonaten auf, ein Konzertmarathon, den er später auch in New York, an der Mailänder Scala, in Paris, London und Wien wiederholte. Für die Deutsche Grammophon verwirklicht er seit Beginn des aktuellen Jahrzehntes seinen Zyklus mit Neueinspielungen des Sonatenwerkes, dem er nun seine Version des Frühwerks op.2 hinzufügt.
Im Jahr 1792 machte Joseph Haydn auf der Durchreise in Bonn Station gemacht. Bei dieser Gelegenheit stellte man ihm einen 22jährigen jungen Komponisten namens Ludwig van Beethoven vor, der viel versprechend an seiner Klangsprache arbeitete, allerdings noch ein paar Feinheiten der Gestaltung beigebracht bekommen sollte. Haydn sagte zu, ihn zu unterrichten, und so machte sich der Novize alsbald auf den Weg nach Wien, allerdings mit dem Plan, nach Beendigung der Ausbildung nach Bonn zurückzukehren, um eine höhere Verwaltungslaufbahn einzuschlagen. Der Unterricht beim klassischen Meister jedoch gestaltete sich schwierig. Beethoven erwies sich als zu eigenwillig für Haydns Vorstellungen. Er landete bei anderen Lehrern, bei Albrechtsberger, Salieri und Emanuel Aloys Förster. Die Empfehlungen des Grafen Waldsteins führten ihn in die höheren Gesellschaftsschichten ein, in deren Salons er wiederum als Klaviervirtuose reüssierte. Soireen mit Beethoven im Hause Lichnowsky gehörten zum guten Ton, der neue Star der Szene konnte sich die lukrativen Angebote aussuchen. Und er wählte mit Bedacht die ersten Veröffentlichungen, um sich in diesem Rahmen passend zu präsentieren. Opus eins war eine Sammlung mit Klaviertrios, salonkompatibel. Opus zwei wiederum passte zu seinem Ruf als Klavierprofi und dokumentierte den aufsteigenden Genius am Pianohimmel.

Von 1796 an allerdings begannen auch die Probleme mit seinem Gehör, die sich zunächst in einem diffusen “Sausen und Brausen” im Ohr ankündigten, bald aber zu deutlicheren Störungen führten. Es war die Zeit, als Beethoven sich mit eigenen Kompositionen einen Namen machte, von den einstigen Vorbildern Bach, Haydn und Mozart frei schrieb und versuchte, eine an Bach geschulte Stimmführung mit der Motivfülle eines Händel, der Transparenz eines Gluck und der melodischen Vielfalt eines Mozart zu verbinden. Dementsprechend hört man Anklänge an die einstigen Heroen, vor allem an die Werke des erst wenige Jahre zuvor verstorbenen Salzburger Kollegen, die sich motivisch vor allem in den ersten beiden Sonaten niederschlugen, wohingegen das dritte Stück der Sammlung sich bereits wesentlich autarker darstellte. So trägt auch Maurizio Pollini diesen Unterschieden Rechnung, indem er sich im Herbst 2006 im Münchner Herkulessaal den Sonaten mit einem weiten Spektrum der Interpretationsansätze nähert. Der Ausdrucksfächer reicht von mozartesk verspielt im “Allegro” oder dem “Scherzo” der “A-Dur Sonate Nr.2” über dunkel pathetisch im den “f-moll Sonate Nr.1” bis hin zu sinfonisch konzertant in der “C-Dur Sonate Nr.3”. Und es ist, wie immer bei Pollini, ein besondere Hörgenuss, einem erfahrenen und hintergründig humorvollen Meister der Nuancen zu lauschen, der seine Kraft und Brillanz in perfekter Weise einzusetzen weiß.

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