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Kristallene Perfektion

30.11.2005
Die Juroren waren sich einig: Da saß ein Ausnahmetalent am Instrument, jemand, dessen Klavierkunst bereits im zarten Alter von 18 Jahren bis in viele Details ausgereift war. So wurde Maurizio Pollini 1960 die Siegertrophäe des strengen Warschauer Chopin-Wettbewerbs überreicht, von einem Gremium, in dem immerhin Koryphäen wie Nadia Boulanger und Artur Rubinstein die Entscheidungen trafen. Seitdem gehört der Mailänder Pianist zu den Stars der internationalen Konzertpodien. Mitte der Siebziger verwirklichte er mehrfach zusammen mit den Film- und Fernsehspezialisten der Unitel Aufnahmen im Großen Saal des Wiener Musikvereins. Es sind Klassiker des Konzertfilms, die nun auf einer Doppel-DVD im betörenden Surround-Sound präsentiert werden.
Maurizio Pollini ist Perfektionist. Das brachte ihm während seiner frühen Karrierejahre zuweilen den Vorwurf ein, kühl und ein wenig distanziert zu spielen. Bei näherer Betrachtung ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Pollini will nicht protzen, nicht mit wilder Virtuosität die Zuhörer überrumpeln, sondern durch präzise Kontrolle seiner Technik und Ausdruckskraft überzeugen. Es geht ihm um die Durchdringung der Musik bis in die ihm wesentlich erscheinenden Gestaltungsnuancen, die nur mit einer Spielkompetenz zu erreichen ist, die alle motorischen Grenzen der Beherrschung der Instruments hinter sich lässt. Aus diesem Grund zog er sich in den sechziger Jahren trotz des fulminanten Starts in Warschau wieder von der Bühne zurück, um etwa bei seinem genialen Landsmann Arturo Benedetti Michelangeli zu studieren. Das Resultat dieser kreativen Pause war beeindruckend. Der Pollini der Siebziger gehört zu den faszinierendsten Persönlichkeiten am Klavier, die seine Generation zu bieten hat. Das hört man seinen Einspielungen mit Werken von Beethoven bis Chopin an und das kann man nun auch optisch erleben. Denn die DVD-Sammlung “Piano Concertos” stellt ihn mit fünf sehr unterschiedliche Werken vor, die von der Firma Unitel mit deren Kameras und Mikrofonen festgehalten wurden.

Die Aufnahmen entstanden zwischen 1976 und 1978. Sie dokumentierten Pollini und die Wiener Philharmoniker mit den Klavierkonzerten Nr.3 und Nr.5 von Ludwig van Beethoven, den Konzerten Nr. 19 und Nr.23 von Wolfgang Amadeus Mozart und dem zweiten Klavierkonzert von Johannes Brahms. Überlegt und sachkundig verfolgte die Kameraführung den Ablauf der Musik, verstand es, über das akustische Geschehen hinaus Akzente heraus zu arbeiten und das klangdramatische Geschehen zu unterstützen. Es ist ein Erlebnis, dem Pianisten über die Schulter blicken zu können, seine Finger beim Kreieren von Kunst zu beobachten, ja sogar die Feinheiten des Anschlags besonders in den ruhigen Sätzen der Konzerte mitverfolgen zu können. Spannend ist darüber hinaus die Interaktion des Solisten mit den Dirigenten. Für Mozart und Beethoven stand der erfahrene Karl Böhm am Pult der Wiener Philharmoniker, der mit kaum merklichen Gesten und bedacht das Orchester durch die Gefilde des klassischen Wohlklang leitete. Brahms hingegen wurde vom jungen Claudio Abbado dirigiert, der ungestüm, stellenweise tranceartig das Ensemble in das spätromantische Pathos des mächtigen Werkes hineinführte. Scheint beim einen der Solist das Tempo und den Charakter der Interpretation vorzugeben, wirkt es beim anderen wie ein emphatischer Dialog mit dem Maestro, der den Orchesterfarben deutlich seinen Stempel aufdrückt. Alle fünf Konzerte wurden von den Spezialisten der Emil Berliner Studios in Langenhagen für das Surround-Format konvertiert, sind aber auch wie gewohnt in hochqualitativem PCM-Stereo zu genießen. So entsteht ein Klangerlebnis der besonderen Art, berauschende Kunst in perfektem Sound und Bild.

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