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Musikalisches Traumpaar – Meisteraufnahmen von Pollini und Abbado

Maurizio Pollini
© Cosimo Filippini / DG
08.04.2015
Eine solche musikalische Verbindung gibt es nicht alle Tage. Wenn sich zwei Künstler so blind verstehen wie Maurizio Pollini und Claudio Abbado, dann ist dies ein Glücksfall der Geschichte, der durch die großartigen Aufnahmen der beiden Meister auch noch ewig bezeugt ist.

Musikalisches Traumpaar

Die Nutznießer sind wir, die Nachgeborenen, die dank der elektronisch festgehaltenen Sternstunden des musikalischen Traumpaares weiterhin an diesem anspruchsvollen Erbe teilhaben können, auch wenn die beiden Italiener nie wieder zusammen auftreten werden. Claudio Abbado ist im Vorjahr gestorben. Er hinterließ eine schmerzhafte Lücke in der Klassikwelt, und damit kam auch die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Freunde und langjährigen Wegbegleiter an ein Ende. Ihr erstes gemeinsames Konzert hatten die beiden in den 1960er Jahren, nachdem der junge Pollini mit einem fulminanten Auftritt beim Chopin-Wettbewerb in Warschau den Sieg errungen und ein erstes Zeichen als romantischer Meisterpianist gesetzt hatte. Abbado war damals schon ein angesehener Dirigent, der regelmäßig in der Mailänder Scala auftrat, und dass die beiden gut zusammenpassten, war schnell klar. Beide kamen aus Mailand, lagen altersmäßig nur knapp ein Jahrzehnt auseinander und begeisterten sich gemeinsam für harmonisch komplexe, romantische Musik. Darüber hinaus verband sie ein Interesse an Neuer Musik.

Gespannte Romantik

Dabei tickten sie nicht völlig gleich. Beide waren bzw. sind hochkomplexe, individuelle Künstlerpersönlichkeiten, die sich an bestimmten Stellen trafen, aber keinesfalls spannungslos übereinstimmten. Wenn man sie Beethovens formvollendete Klavierkonzerte oder das impulsive Klavierkonzert in a-Moll von Robert Schumann interpretieren hört, dann spürt man, wie sie sich aufeinander beziehen, ohne ihren Eigensinn preiszugeben. Abbado steht immer ein bisschen auf der Seite des Orchesters. Das Orchester verfolgt seine eigene Aufgabe, genau wie das Klavier. Und beide kommen nur zusammen, wenn es ihnen gelingt, für sich selbst einzustehen und Gegensätze auszuhalten. Das gemeinsame Musizieren von Pollini und Abbado ist nie gefällig, sondern hochgespannt, und bei allem großen Gefühl, das diese beiden leidenschaftlichen Künstler auszeichnet, ist es vor allem die Lust an kristallklaren Harmonien und frischer Dynamik, die ihre Interpretationen romantischer Werke bis heute zu einem elektrisierend modernen Hör-Erlebnis macht.   

Moderne Zeiten

Deshalb fügt es sich ausgezeichnet, dass alle Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Robert Schumann auf der jetzt erschienenen Edel-Edition sämtlicher Aufnahmen, die Pollini und Abbado im Dienste des gelben Labels tätigten, versammelt sind. Diese Komponisten waren allesamt leidenschaftliche Romantiker mit einem ausgeprägten Sinn für Form und Strenge, und dasselbe lässt sich über Abbado und Pollini sagen, die sich mit großer Verve auch den zeitgenössischer Komponisten widmeten. Mit Arnold Schönberg, Béla Bartók und Luigi Nono finden sich Komponisten in der Edition, die das 20. Jahrhundert maßgeblich geprägt haben, und auch bei der Interpretation moderner Werke achten Pollini und Abbado peinlich genau auf harmonische Transparenz und ausgefeilte Dynamik. Und siehe da: Was sich bei den Romantikern bewährt, ist auch bei den neueren Komponisten von Erfolg gekrönt. Nur dass jetzt noch moderne Klanginseln hinzukommen, die Pollini und Abbado mit großer Begeisterung entdecken und den Zuhörern zugänglich machen. Das hat Größe. Das hat Kraft. Das ist Musik auf allerhöchstem Niveau, und dem steht die sorgfältige Edition dieser Aufnahmen in nichts nach.
Besonders hervorzuheben ist hier der ebenso kurzweilige wie anspruchsvolle Booklet-Essay von Paolo Petazzi, der sowohl den Laien als auch Fachleute ausgezeichnet informiert. Hinzu kommen die kunstvoll arrangierten Fotos, die das Duo Pollini/Abbado in unterschiedlichen Situationen zeigen, mal hochkonzentriert mit Partituren, mal herzhaft lachend bei einem Gespräch und natürlich auch bei ihrer wichtigsten Tätigkeit: dem gemeinsamen Musizieren.

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