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Die russische Seele

11.02.2005
Erfolg, sollte man meinen, mache frei. In mancher Hinsicht stimmt das wohl. Doch spätestens bei der Planung des Terminkalenders gibt es schnell Probleme. So kennen und schätzen sich der Cellist Mischa Maisky und die Pianistin Martha Argerich seit bald drei Jahrzehnten. Die Gelegenheiten, gemeinsam auf der Bühne zu stehen, bleiben trotzdem rar. So war es etwas ganz Besonderes, als sich die beiden Weltstars im April 2004 in Brüssel für einen Konzertabend zusammentun und ein ungewöhnliches Programm mit Werken russischer Komponisten präsentieren konnten.

Die Gemeinsamkeiten reichen zurück bis in das Jahr 1978. Maisky, damals einer der Newcomer am Cello-Firmament, wurde gefragt, ob er sich zu Ehren seines Lehrers Gregor Piatigorsky am 17. April für ein Konzert mit der Pianistin Martha Argerich auf die Bühne begeben würde. Natürlich sagte er zu, denn die Argentinierin gehörte damals bereits zur Weltspitze der Klavierkünstler und so etwas konnte für einen aufstrebenden Musiker wie Maisky nur eine Herausforderung sein. Der Abend wurde ein Erfolg und aus der Bekanntschaft eine enge Freundschaft, die sich im Laufe der Jahre in verschiedenen kammermusikalischen Projekten manifestierte. Je mehr alle beide jedoch in den internationalen Tourneebetrieb eingebunden wurden, desto seltener wurden die gemeinsamen Auftritte vor Publikum. Ideen waren zwar genug vorhanden, doch so manches musste erst einmal ad acta gelegt werden. So war auch das Programm des Brüsseler Konzerts bereits seit einem Jahrzehnt im Gespräch, bis sich Argerich und Maisky endlich daran wagten. Es sollte etwas Spezielles sein, eine Widmung an die kulturellen Wurzeln des russisch-lettischen Cellisten, die er als Meisterschüler von Piatigorsky und Mstislav Rostropovich vermittelt bekommen hatte.
 
So war zum Beispiel Stravinskys “Suite Italienne” das Resultat einer engen Zusammenarbeit mit dem damals jungen Cellostar Piatigorsky. Im Jahr 1932 war er an den Maestro mit dem Wunsch herangetreten, er möge ihm eine Suite aus den Melodien des Balletts “Pulcinella” schreiben. “Piatigorsky liebte dieses Stück”, erinnert sich Maisky, “er arrangierte es für Klavier und Cello, dann wieder nur für Geige und Cello, was er mit Heifetz zusammen aufnahm. Dann wiederum schrieb er es für vier Celli um und spielte es mit seinen Schülern. Auch wenn es seine Initiative war und er die meisten Transkriptionen vornahm, blieb es doch Stravinsky, der über dem Ganzen stand”. Auch Prokofievs Sonate op. 119 war ursprünglich einem speziellen Interpreten zugedacht. Anno 1949 war es der 20jährige Rostropovich, der seinen Landsmann derart faszinierte, das er von ihm ein Stück auf den Leib geschrieben bekam. Schostakovichs Cello Sonate op.40 wiederum entstand 1934 und gehört zu den intimsten und lyrischsten Werken, die der Komponist erdacht hat. Es hat viele schillernde Facetten, von den elegischen Momenten zu Beginn bis hin zu Stimmungen im Finale, die einer russischen Feier entsprungen sein könnten. “Wenn dann das Cello mit seinem Thema dazu stößt, ist es, als ob es vier in der Früh und das Instrument vollkommen betrunken wäre. Das erlaubt einem Interpreten, eine Menge Klänge zu produzieren, die beinahe in jeder beliebigen Weise dargestellt werden können”. Für Argerich und Maisky jedenfalls war auch der Abend in Brüssel ein einziges Fest. Die Menschen im Saal bekamen das zu spüren und bedankten sich mit lang anhaltendem, euphorischem Applaus.

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