Mischa Maisky | News | Musik der Versöhnung

Musik der Versöhnung

04.01.2004
Im September 1970 wurde Mischa Maisky verhaftet und ins Arbeitslager gesteckt. Seine Schwester war kurz zuvor geflüchtet und so fürchtete die sowjetische Regierung, dass sich auch der junge Cellist aus dem Staub machen könnte. Nicht ganz zu Unrecht, denn bereits zwei Jahre später traf er in Jerusalem ein und nahm mit Zubin Mehta Kontakt auf, der das Israel Philharmonic Orchestra leitete. Es war der Anfang einer langen Freundschaft, die die beiden Musiker immer wieder zusammenführte – zuletzt gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern für Dvorak und Richard Strauss.
Noch ein zweiter kultureller Pfad führte indirekt zu dieser Aufnahme. Maisky ist ein Schüler des großen Mstislav Rostropowitsch. Der wiederum hatte sich im September 1968 gemeinsam mit Herbert von Karajan im geteilten Berlin daran gemacht, das Cellokonzert von Dvorak in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche einzuspielen. Die beiden Koryphäen verstanden dieses Projekt als Zeichen – der Komponist aus Prag schrieb das Werk 1895 in Amerika, kurz vor seiner Rückkehr in die tschechische Heimat, und versah es mit reichlich musikalischen Anspielung auf die böhmischen Wurzeln, die in seiner Musik vorhanden waren. Da man in Zeiten des Kalten Krieges nicht allzu brüsk vorgehen wollte, war dieser Link zwischen Ost und West als Symbol der Toleranz bereits deutlich genug. Wenig später jedoch nahm Rostropowitsch den Systemkritiker Alexansder Solschenizyn in sein Haus auf und war von da an persona non grata für das kommunistische Regime, bis hin zur Ausbürgerung, die den Virtuosen aus Baku schließlich endgültig in den Westen führte. Wie auch immer, die Verknüpfungen Maisky-Rostropowitsch-Dvorak-Mehta sind vielfältig und machen einen Teil der Intensität aus, mit der sich die Musiker dem konzertanten Werk widmen.
 
Bedeutender noch ist allerdings die Fähigkeit beider Künstler, inspirierend aufeinander einzuwirken. “Zubin ist kein Begleiter – er ist ein Mitspieler. Für einen Solisten gibt es keinen besseren Dirigenten”, meint Maisky über Mehta und dieser wiederum findet für seinen Solisten nur euphorische Worte: “Mischas Dvorak hat einen ganz eigenen Klang. Er spielt das Stück von der Musik her so ungeheuer logisch. Als er mir seinen Part zum ersten Mal vortrug, war ich begeistert von seiner unglaublichen Klang-Projektion, dem transparenten Spiel, das so klug und durchdacht klingt, ohne dabei konstruiert zu wirken”. Dazu gehört auch die Sorgfalt, sich möglichst exakt an die Originalpartitur zu halten, ohne manche Verfälschungen, die im Nachhinein in verschiedene Druckfassungen aufgenommen wurden. Ergänzt durch die Bratschistin Tabea Zimmermann als zweite Solistin haben sie sich außerdem der Mini-Symphonie-Erzählung “Don Quichotte” angenommen, mit der Richard Strauss sich vor Cervantes' literarischen Gestalten verbeugte. Das Ensemble formt akustisch die Landschaften, die Viola (Sancho Pansa) und das Cello (Don Quichotte) sorgen für den Fortgang der imaginären Handlung. Ein emphatisches, zuweilen humorvolles Hörbild, das Dvoraks leidenschaftliche Widmung an die alte Welt abwechslungsreich ergänzt.

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