Mischa Maisky | News | Pure Energie

Pure Energie

10.07.2003
Ludwig van Beethoven hat die Cellosonate erfunden. Bevor er sich um 1796 an die Komposition der Werke op. 5 machte, gab es die Gattung nur in Einzelstücken etwa bei Johann Christian Bach. Beethoven erfand sie und brachte es gleich zu berauschender Meisterschaft der Gestaltung. Mischa Maisky und Martha Argerich horchen ihm hinterher, gehen den Konzertstücken auf den Grund, wunderbar in der Finesse, grandios und mitreißend expressiv.
Der preußische König Friedrich Wilhelm II. war ein Freund des Cellos. Zwei Stunden täglich soll er sich der Kammermusik gewidmet haben, allen staatlichen Geschäften zum Trotz. Für ehrgeizige Komponisten und Interpreten wie den jungen Beethoven war das eine günstige Situation. Trotz erster Erfolge in Wien auf internationales Renommee bedacht, empfahl er sich bei dem Regenten, indem er ihm 1796 zwei Cellosonaten widmete. Unter den gestrengen Augen und Ohren von Hofkomponist Boccherini (selbst Cellist) und dem Intendanten der Hofkapelle Jean-Pierre Duport (ebenfalls Cellist) führte der Komponist die beiden Werke op.5 noch im selben Jahr mit Duports Sohn Jean-Louis am Hofe auf. Er erhielt dafür nicht nur reichlich Beifall, sondern auch eine wertvolle Dose gefüllt mit Louis d’Ors, die er stolz seinen Zeitgenossen präsentieren konnte.
 
Tatsächlich sind die beiden zweisätzigen Sonaten etwas Besonderes. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war das Cello in der Kammermusik deutlich auf die Funktion des Begleitinstrumentes reduziert. Auch Beethoven bricht noch nicht vollständig mit dieser Idee, doch er legt die Duo-Stücke bereits dialogisch an, mich wechselnder Stimmführung, die dem Streichinstrument großen Spielraum zur Ausgestaltung lässt. Mit der Sonate op.69 geht er 1808 ein gutes Stück weiter. Bestimmend ist der Kammermusikton als Gesamtheit, der auf einem nahtlos ineinander wirkenden Geflecht der Stimmen basiert. Die beiden Sonaten op.102 schließlich stehen zusammen mit den Klaviersonaten op.101 am inhaltlichen Wendepunkt zum Spätwerk des Komponisten. Er selbst sprach von einer “freye[n] Sonate” (C-Dur) mit Blick auf die improvisatorische Offenheit der Interpretation, wohingegen das D-Dur-Pendant etwa in der Durchformung des Kopfsatzes wesentlich festgelegter wirkt.
 
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Gesamteinspielung der Cellosonaten wie musikhistorische Grundlagenforschung, vom Beginn bis zum frühen Höhepunkt der Gattung. Mischa Maisky und Martha Argerich machten sich im April 1990 und im Dezember 1992 ans Werk, um sich in chronologischer Reihenfolge der Stücke und einiger Variationen anzunehmen. Es wurde eine erstaunlich lebhafte Umsetzung, denn beide Künstler hatten unüberhörbar Spaß bei der Sache. Maiskys frecher, zuweilen forscher Ton traf auf Argerichs immense Expressivität. Der Musikkritiker Joachim Kaiser schrieb einst über die argentinische Pianistin: “Wenn es Martha Argerich gelingt, ihrem technischen Temperament mit äußerstem Engagement und beherrschtester Anstrengung Ton für Ton, Takt für Takt einen gestaltenden Willen entgegenzusetzen, wenn sie Unruhe und motorische Monotonie beherrschen, in ‘Kunst’ umsetzen kann, dann überwältigt sie” (Kaiser, Große Pianisten in unserer Zeit). Genau das ist der Fall, denn Maisky schafft es, mit manchmal bis an die Grenzen des Kitsches reichender Ausdruckslust, sein Gegenüber Argerich aus der Reserve zu locken. Auf diese Weise entstehen Spannung, Kontraste, Emotionen – und Aufnahmen, die weit über die Norm der Interpretation hinausreichen.
 
Die Referenz:
 
“Was Mischa Maisky und Martha Argerich hier in konzentrierter Begeisterung vortragen, weckt im Zuhörer die Lebensgeister wie ein bunter Comic. Denn der Komponist läßt dem Duo die Freiheiten, die ein unterhaltsamer Wohlklang braucht. Danach gehen die Sonaten des Opus 5 runter wie Champagner.” (iFiVision 7/92)
 
Näheres zur Referenz-Reihe unter http://www.referenzaufnahmen.de

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