Osvaldo Golijov | News | Vom Blitz getroffen

Vom Blitz getroffen

09.07.2008
Francis Ford Coppola hatte ein Problem. Lange schon laborierte der weltbekannte Regisseur (“Apocalypse Now”, “Der Pate”) an einem monumentalen Filmprojekt names “Megalopolis”, so lange, dass er in der Arbeit stecken blieb und das Gefühl hatte zu stagnieren. Das war vor rund drei Jahren und, wie es der Zufall will, bekam er damals den Roman “Jugend ohne Jugend” des rumänischen Philosophen und Religionswissenschaftler Mircea Eliade in die Hand – und wusste schnell, dass er daraus einen Film machen wollte. Coppola ging noch 2005 ans Werk, begann im Verborgenen in Rumänien zu drehen und beauftragte einen der bekanntesten jungen Komponisten der Gegenwart mit der Filmmusik, Osvaldo Golijov.
Der Plot ist betörend und hat etwas Mystisches. Im Zentrum steht der alternde Sprachwissenschaftler Dominic Matei in den 1930ern, gespielt von Tim Roth, dessen intellektuelle Fähigkeiten langsam zu schwinden beginnen. Als er vom Blitz getroffen wird, überlebt er diese Naturgewalt nicht nur, sondern geht aus dieser Elektro-Kur gestärkt und verjüngt hervor, gepflegt und bestärkt von dem Arzt Stanciulescu, in dessen Rolle Bruno Ganz brilliert. Matei entwickelt sich zu einer Art Superhirn und gerät damit ins Fadenkreuz der nationalsozialistischen Machthaber. Er flieht in die Schweiz, trifft dort auf seine Jugendliebe Laura (Alexandra Maria Lara), die er längst aufgegeben hat und die sich aber durch ähnliches Schicksal gut gehalten hat. So entwickelt sich der ganze Film “Youth Without Youth” zielstrebig zur Parabel über Vergänglichkeit und Glück, vielsträngig erzählt und doch nach Coppola-Manier wunderbar aufgelöst. “Einen Film machen ist wie eine Frage stellen”, meint der Regisseur zu seiner Arbeit und fährt fort, “wenn man fertig ist, ist der Film selbst die Antwort”.
 
So etwas erreicht ein Meister wie Coppola durch die Erfahrungen seines langen Künstlerlebens, aber auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Profis, die seine Idee teilen und fortsetzen. Dazu gehören neben den Schauspielern natürlich die unmittelbaren Bildarbeiter, aber darüber hinaus auch all die Menschen, die für das akustische Erscheinungsbild zuständig sind. Und dazu zählt im Besonderen die Musik, die neben den optischen Eindrücken für Emotionen, Stimmungen, ja sogar für Handlungsfortschritte sorgen kann. Coppola sprach daher für “Youth Without Youth” den Shooting Star der zeitgenössischen Musikszene an, Osvaldo Golijov. Im Jahr 1960 in eine jüdisch osteuropäische Familie hineingeboren, lebte dieser einige Jahre in Argentinien, einige in Jerusalem. Musik gehörte zum Alltag, allerdings waren es vor allem klassische Klänge, Klezmer, traditionelle jüdische Gesänge und Tango Nuevo, die die Hörgewohnheiten des Jungen bestimmten. Als Kind bekam er Klavierunterricht, stellte sich als talentiert hinaus und so wurde er in der musischen Linie weiter erzogen.
 
Gollijov wuchs als Quereinsteiger schrittweise in die Szene der zeitgenössischen Avantgarde hinein und etablierte sich dort mit Werken wie “Oceana”, “Ayre” und “Ainadamar” als einer der vielseitigen Klanggestalter zwischen den stilistischen Stühlen von Tradition und Moderne. Soundtrack-Erfahrungen brachte er unter anderem durch seine Musik zu Sally Potter “Stürmische Zeiten” (2000) mit, vor allem aber erwies er sich als ungemein flexibler Komponist, der zum Teil gemeinsam mit Coppola im Studio mit dem Bucharest Metropolitan Orchestra die Stücke erarbeitete und auf die Bilder abstimmte. Es wurde eine Klangreise zwischen Musiken des Balkans mit Zymbeln und Instrumenten der Gypsy-Tradition und klaren sinfonischen Passagen, die so unaufdringlich wie markant dem Film einen eigenen Charakter gibt. So ist Youth Without Youth ein faszinierendes Klangkunstwerk, das mit Bildern ebenso beeindruckt wie ohne die Leinwand – so wie es gute Filmmusik schon seit Bernard Herrmann oder John Williams vermag.

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