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Bombast für den Bischof

24.01.2003
Man nimmt an, dass Heinrich Ignaz Franz Biber die “Missa Salisburgensis” geschrieben hat. Ganz sicher ist sich die Forschung jedoch, dass das monumentale Werk zu den Höhepunkten der mehrchörigen Musik gehört. Denn es gibt kaum Vergleichbares, weder im Aufwand, noch in der Durchführung dieser Messe zu Ehren Salzburgs als Zentrum des barocken Katholizismus.
Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704) stammte aus dem böhmischen Wartenberg. Unterrichtet von Johann Heinrich Schmelzer in Wien, konnte er sein ungewöhnliches Talent als Geiger soweit ausbilden, dass er 1670 zum Violinisten in der erzbischöflichen Hofkapelle von Olmütz avancierte. Von da an ging es Schritt für Schritt die barocke, ständisch geprägten Karriereleiter nach oben. Drei Jahre später wechselte er an den Hof des Fürsterzbischofs von Salzburg, unterrichtete zunächst die Domsingknaben, wurde aber 1679 zum Vizekapellmeister und 1684 zum Kapellmeister ernannt. Sechs Jahre später wurde Biber endlich von Kaiser Leopold I. geadelt und hatte nun offiziell den Zugang zu all den Privilegien, die er zur Anerkennung bei Hofe brauchte. Er gehörte zu den bewunderten Violinvirtuosen seiner Epoche, war in spieltechnischer Hinsicht seiner zeitgenössischen Konkurrenz um vieles voraus und wurde daher auch als Komponist vor allem von Geigenwerken von den “Rosenkranz-Sonaten” (1675) bis zu den “8 Soloviolinsonaten” (1681) bekannt. Darüber hinaus entstanden Messen, Offertorien, Requien, Litaneien, Vespern und drei Opern, ein umfassendes Werk, das ihn stilistisch eigenständig in der traditionsbewussten Welt des Barocks beheimatete.
 
Als Bibers Arbeitgeber am 18. Oktober 1682 zum 1100jährigen Bestehen des Erzstiftes eines der glänzendsten Feste des Barocks feierte, war er selbst als Vizekapellmeister allerdings noch nicht in der Position, offiziell in der ständisch peniblen Salzburger Gesellschaft als Autor der Prunkmesse genannt zu werden. Da außerdem kein Originalmanuskript mehr existiert, kann man ihn als Autor nur erschließen. Fest steht allerdings, dass das Werk selbst schon aufgrund des ungewöhnlichen personellen Aufwandes zu den gewaltigsten Schöpfungen seiner Epoche gehört.
 
Der Dirigent Paul McCreesh wollte daher gemeinsam mit dem Gabrieli Consort & Players und der Musica Antiqua Köln unter der Leitung von Reinhard Goebel der Intention und Anlage des “Missa Salisburgensis” durch eine möglichst authentische akustische Wiedergabe gerecht werden: “Die Herausforderung für uns war zu versuchen, die ursprüngliche spektakuläre Wirkung der Musik in einem ganz andersartigen Bauwerk und gänzlich andersartigen Medium wiedererstehen zu lassen. Schlichter direkter Ausdruck war das Ziel der Interpretation und auch des räumlichen Arrangements der Aufnahme. Das Hauptensemble (Chor 1–6) stand in einem großen Kreis, rechts und links die beiden Vokal- und Streichergruppen, die Bläser hinter dem Dirigenten. Die beiden Trompeten- und Paukenchöre wurden in großer Entfernung am Ende der Kirche platziert. Ich habe mich besonders bemüht, zwischen dem zarten clarino-Ton der beiden Trompeten des Hauptensembles und dem volltönenden, militärischen Stil der entfernten trombe zu unterscheiden, die jeden Abschnitt der Messe mit ihren pompösen Lobgesängen zu Ehre Gottes und der Macht des großen Stadtstaates akzentuieren”.
 
Schon angesichts dieses Aufwandes bei der Aufnahme macht es Sinn, die “Missa Salisburgensis” nicht nur auf CD, sondern auch im Surround-Format der SACD zu präsentieren. Denn vor allem anhand des brillanten Raumklanges lässt sich im Geiste nachvollziehen, mit welch ungewöhnlich intensivem Klangambiente der Prunk fürstbischöflicher Selbstdarstellung gefeiert wurde.
 
Die Referenz:
 
"Das Werk ist ein Unikum hochbarocker musikalischer Prunk-Entfaltung. Die instrumentalen und vokalen Chöre und Klanggruppen sind tiefenperspektivisch raffiniert eingefangen, die Wechsel von reich kolorierten Soli und machtvollen Tutti-Blöcken lassen ein dynamisches Spektrum von größter Breite auf den Hörer los. " (Stereoplay 11/1998)

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