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Traumverloren in New York

Paul Motian © Robert Lewis
Paul Motian © Robert Lewis
17.03.2010
Ob ein Album das Zeug zum “Klassiker” hat, zeigt sich in der Regel erst nach geraumer Zeit. Selten passiert es, dass man schon nach dem ersten Hören denkt, auf einen künftigen Klassiker gestoßen zu sein. Paul Motians “Lost In A Dream” ist ein solches Album.

Als der mittlerweile 78 Jahre alte Schlagzeuger vor ein paar Jahren verkündete, dass er nun keine internationalen Tourneen mehr unternehmen würde und nur noch in seinem Domizil New York auftreten wolle, mögen viele seiner Fans befürchtet haben, dass er sich ganz aus der Musik zurückziehen würde. Doch weit gefehlt: Der Veteran, der schon in den 1950er Jahren als Mitglied des ebenso populären wie bahnbrechenden Bill Evans Trios zur Legende aufstieg, ist immer noch offen für neue Musik und neue Mitmusiker. Das bewies er zuletzt im Februar 2009, als er im Jazzclub Village Vanguard sein neues Trio der Öffentlichkeit vorstellte. Partner sind hier zwei Musiker, die nur halb so alt sind wie Motian: Saxophonist Chris Potter und Pianist Jason Moran. Potter ersetzte 1994 in Motians Electric Bebop Band Joshua Redman und gehört seitdem zu den am überschwänglichsten gefeierten Saxophonisten der zeitgenössischen Jazzszene. Pianist Jason Moran hingegen hatte zuvor erst einmal mit dem Schlagzeuger zusammengespielt, ist aber gemeinsam mit Potter Mitglied von Dave Hollands fabelhaftem Overtone Quartet.

“Die in dieser Band angehäufte Weisheit offenbarte sich deutlich”, schrieb die New York Times nach dem begeisternden Auftritt, der für die CD “Lost In A Dream” aufgezeichnet wurde. Das Repertoire stellte Motian vor allem aus selbst geschriebenen wunderbaren Balladen zusammen. Wobei er einige ältere Kompositionen wie “Birdsong”, “Drum Music” und “Abacus” mit brandneuem Material kombinierte. Abgerundet wurde das Programm schließlich durch eine freie Interpretation des Irving-Berlin-Klassikers “Be Careful, It’s My Heart”.

“Motian hatte einen enormen Einfluss darauf, wie ich heute über Musik denke”, meint Chris Potter. “Er geht die Dinge auf eine anti-analytische Weise an. Er verlässt sich auf seine ästhetische Sensibilität und seinen Instinkt. Das erfordert eine Menge Mut.” Aber genau dieser Mut, die ästhetische Sensibilität und sein untrüglicher Instinkt ermöglichen es Paul Motian, stets die richtigen Spielpartner zu finden und seine Musik vor musealer Erstarrung zu bewahren. Und genau dadurch wird “Lost In A Dream” letztlich zu einem potentiellen Klassiker des modernen Jazz.

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